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Berliner Restaurant "Data Kitchen"
App statt Kellner

Bestellung und Bezahlung übernimmt im Berliner Restaurant "Data Kitchen" das Smartphone des Gastes. Der Kellner wird durch eine digitale App ersetzt. Sie gibt sogar an, wann genau das Gericht fertig ist. Essengehen 2.0 - fortschrittlich oder ein weiter Schritt zur Enthumanisierung unserer Welt?

Von Gesine Kühne | 24.11.2016
    In der "Data Kitchen" in Berlin sind Kellner überflüssig: Es wird per App bestellt und das fertige Essen wartet auf die Entnahme in der Food-Wall
    In der "Data Kitchen" in Berlin sind Kellner überflüssig: Es wird per App bestellt und das fertige Essen wartet auf die Entnahme in der Food-Wall (Gesine Kühne)
    "Als du gerade sagtest, wir bestellen mal jetzt, hab ich geguckt, ob der Kellner gleich ankommt"
    Aber den Kellner brauche ich nicht. Sondern mein Telefon mit der Data-Kitchen-App.
    "Eigentlich ersetzt du mit der App den Kellner", erzählt mir Kerstin Riedel.
    Sie kümmert sich in der Data Kitchen um neugierige Reporter wie mich, zeigt mir Schritt für Schritt, wie Essengehen 2.0 funktioniert.
    "Du gibst hier deine Bestellung jetzt direkt ein. Du kannst ein Konto anlegen und dort deine Kreditkarteninformationen hinterlegen oder über PayPal bezahlen. Das heißt, hier fließt auch kein Geld!"
    "Ist auch super für Räuber", sage ich.
    "Ja, ist super für Räuber", meint Kerstin. "Du kannst aber Trinkgeld geben. Das ist ein bisschen wie bei 'My Taxi'."
    Bestellen ohne Kellner
    Die App ist simpel aufgebaut. Der mintgrüne Hintergrund schmeichelt dem Auge. Durch Scrollen navigiere ich mich durchs Angebot. Eier im Glas, Pancakes, Kürbisrisotto, Ostsee-Wildlachs, neben den Gerichten ist ein kleines Feld, in dem man die Anzahl der Speisen wählt. Ich bestelle Rote-Beete-Suppe, Couscous und Wein. Das macht Spaß, weil es neu ist und ich eh mit meinem Smartphone verheiratet bin. Es sagt mir dann auch sofort, wie lange es dauert, bis das Essen fertig ist: 13 Minuten. Die verbringe ich damit, Menschen zu beobachten, denn ich sitze in einem belebten, hellen Raum mit gemütlichen Designmöbeln. Kellner gibt's hier auch. Warum erklärt der Restaurantführer Christian Hamerle:
    "Es gibt kein Personal, um Bestellungen aufzunehmen oder die Bezahlung abzuwickeln. Wir wissen aber, weil unser Essen sehr hochwertig ist, dass die Gäste gern wissen wollen, was drin ist, wo es her kommt. Wir bringen Getränke auch gern mal an den Tisch, die man sich sonst von der Bar abholt. Dann wollen wir ja auch immer saubere Tische haben, unsere Gäste von Tabletts befreien, etc."
    Das Essen muss ich mir dann aber doch selber holen. Und zwar aus der so genannten Food-Wall. Sie ist fußballtorgroß, hat über zwanzig Fächer. Eine Push-Benachrichtigung: das Essen ist fertig. Auf meinem Handy leuchtet ein Kästchen im Planquadrat. Meine Box! Jetzt soll ich sie aufmachen. Durch Klicken auf mein Display.
    "Ich öffne jetzt die Box S, das ist die zweite von unten rechts, Gesine Kühne, da blinkt mein Name auf. Geh auf! Das ist so wie 'Sesam öffne dich'. Ist das toll."
    Faszinierend. Aber was soll das Ganze? Sind wir nicht schon genug Smombie - Smartphone-Zombie - mit Genickstarre und Daumenrheuma? Der Initiator der "Data Kitchen", Heinz Gindullis - besser bekannt als "Cookie" - stoppt meinen Alles-Moderne-ist-nicht-schön-Gedanken mit der Erklärung seiner Idee:
    Zeit für eine richtige Mittagspause
    "Die Überlegung war: Mittags und zum Frühstück hat man meistens nicht so viel Zeit. Und was können wir mit einer neuen Idee schaffen? Und natürlich war ganz klar, es soll was Digitales sein. Da sind wir darauf gekommen, dass man alles via App bestellt und bezahlt. Und dann kommt man in den schönen Raum und hat das Erlebnis, das aus einen digitalen Monitor rauszuholen."
    Zeit Schenken ist also die Idee dahinter. Zeit für eine richtige Mittagspause zum Beispiel, denn so stellen sich die Macher die optimale Nutzung ihres Angebots vor. Noch am Schreibtisch sitzend das Gericht bestellen, eine Uhrzeit festlegen, wann man essen möchte. Und betritt man pünktlich das Restaurant, leuchtet die Box genau dann. Kein unruhiges Schnipsen nach dem Kellner, keine Zeit im Restaurant mit Warten vergeuden und dann Schlingen, weil sich die Mittagspause dem Ende neigt.
    Weniger Stress in der Küche
    Für den Koch der modernen Küche ist gerade das Vorbestellungssystem ein Gewinn, erklärt Küchenchef Alexander Brosin:
    "Mit dieser Vorbestellung, das hast du in der Küche ja so eigentlich nicht. Wenn du in einem klassischen Restaurant arbeitest, kommen die Leute rein, bestellen und dann musst du funktionieren, dann muss das schnell gehen. Und das ist inzwischen der Vorteil, dem ich vorher skeptisch gegenüberstand."
    Ist das die Zukunft unserer Restaurants?
    In einigen asiatischen Metropolen kann man bereits per App und Food-Wall seine Einkäufe erledigen. Da kann man nur hoffen, dass kein Gerät ausfällt oder die Software streikt.