
Showcase beat Le mot – Nazisupermenschen sind euch allen überlegen.
Gehen sie an die Bar während der Aufführung, es gibt drei Teile und zwei Pausen und die Bar bleibt durchgehend geöffnet.
Alkohol hilft. Vor allem, wenn das Publikum es sich in einer Variante der Performing Arts gemütlich machen soll, die normalerweise nach gut einer Stunde vorbei ist und hier über drei Stunden dauert. Performance ist mit ihrer oft flächigen, eindimensionalen Dramaturgie, und oft basierend auf eben nur einer zentralen Idee, sonst ja kein Anlass für lange Theaterabende. Aber bei Showcase Beat le Mot, schlendert man entspannt mit dem Getränk in der Hand in den kleinen Saal des Hau 3, chillt zu den Grooves einer erst bluesigen, dann soulig pulsenden Musik und plaudert mit den vier Performern, bevor die sich auf eine gut dreistündige, kosmische Spaßtour begeben.
Die Idee ist putzig: Wernher von Braun hat Albert Einsteins Telefonbuch entwendet und findet dort verstreute Skizzen, in denen er den Bauplan einer Zeitmaschine entdeckt. Mit dieser reisen vier unbedeutende Angestellte der Reichskanzlei in die Vergangenheit, um sie zu manipulieren und auf die Ankunft ihres Führers Alfred Hitler vorzubereiten. So wird einem mit seinem Armen fahrig umherfuchtelnden Julius Caesar das Ave-Caesar beigebracht und damit die Vorform des Hitlergrußes.
Mit Overalls, die an ABC-Schutzkleidung und zugleich an Raumanzüge erinnern, stapfen die vier Performer immer wieder wacker in einen schaumgefüllten Plexiglaskubus, kommen in einer anderen Epoche an und streifen sich zu Beginn ihrer nächsten Mission die Raumanzüge ab.
Wir sind die Nazisupermenschen, wir sind euch allen überlegen, wir kommen in Frieden.
Abendmahl mit Zaubertricks
Mal treten sie in Rüstungen auf, um mit den Rittern von König Arthaus um das Schwert Excalibur zu kämpfen, oder aber, sie begleiten Jesus Christus in den letzten Tagen seines Lebens. Ein kleiner Unterhaltungshöhepunkt des Abends, ein Abendmahl mit Zaubertricks: Farblose Flüssigkeit verwandelt sich in Wein, das Brot wird aus dem Nichts hervorgezaubert, ein weißes Schweißtuch wird aufs Gesicht getupft und zeigt anschließend unversehens das Porträt des Schmerzensmannes.
Die multimediale Boy-Group Showcase beat le Mot nimmt sich gerne, mit dem Spaß an humorvoller Bilderstürmerei, Geschichtsmythen vor, will sich über festsitzende Vorstellungen von kulturellen Identitäten und historischen Gewordenheiten lustig machen. Hier aber bringen die Vier als Nazisupermenschen oft nur lustige Umschreibungen sattsam bekannter Vorurteile hervor. So lässt sich Ludwig der XIV., der natürlich als Inkarnation des Staates für den künftigen deutschen Führer von zentraler historischer Bedeutung ist, über die Kulturlosigkeit der spaßgebremsten Deutschen aus:
Vous ne savez pas faire la cuisine, vous ne savez pas faire l'amour. Vous êtes des connards de la province qui vivent dans la merde.
Die Nazisupermenschen suchen den König zwischen den Spiegeln aber sie finden ihn nicht.
Die Nazisupermenschen suchen den König zwischen den Spiegeln aber sie finden ihn nicht.
Wenig Erkenntnisgewinn
Breiter deutscher Akzent im Französischen, aber auch breiter englischer Akzent im Deutschen von einer Frauenstimme aus dem Off, ein kleiner Verfremdungseffekt. Da gibt jemand für die jeweils anstehende Mission seine Anweisungen an die vier Zeitreisenden, deren Namen Verballhornungen der vier Charaktertypen Melancholiker, Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker sind. Was bringt's ? Wenig Erkenntnisgewinn. Nicht einmal das berühmte Zeitparadoxon, mit dem alle Zeitreisen ab absurdum geführt werden können, ist in den fast dreieinhalb Stunden einmal Thema. Auch, wie der politische Totalitarismus durch physikalische Relativität von Raum und Zeit geheilt werden könnte, hätte als lustige Spekulation interessieren können.
Aber der Fantasy-Trip durch Paralleluniversen bleibt seiner humorvollen Grundidee von der ersten bis zur letzten Episode fast schon stumpfsinnig treu und endet in einem schalen Gag. Von Alfred Hitler entsandt, sind die Vier irgendwie in dem Paralleluniversum eines Adolf Hitler gelandet, der von ihren Erkenntnissen und Abenteuern nichts hören will. Mit einem etwas jämmerlichen Plädoyer für Frieden und so weiter geht der Abend etwas trübsinnig zuende. Geschichtsalbereien mit wechselndem Unterhaltungswert, aber der süditalienische Primitivo von der Bar war eigentlich ganz in Ordnung.