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Berliner Theatertreffen
Flüchtlingen eine Bühne geben

Das Thema Asylpolitik beschäftigt auch die Kulturszene: Beim diesjährigen Theatertreffen wurde der Umgang mit Flüchtlingen auf deutschen Bühnen diskutiert. Tenor der Veranstaltung: Die Geschichten der Asylsuchenden müssen ins Theater - und zwar nicht von Schauspielern erzählt, sondern von den Flüchtlingen selbst.

Von Hartmut Krug | 10.05.2015
    Flüchtlinge als Laienschauspieler in "Die Schutzbefohlenen" von Elfriede Jelinek, inszeniert von Nicolas Stemann, acht schwarze Männer stehen auf einer Bühne und halten ihre jeweils rechte Faust in die Luft.
    Flüchtlinge als Laienschauspieler in "Die Schutzbefohlenen" von Elfriede Jelinek, inszeniert von Nicolas Stemann (dpa/picture alliance/Stephanie Pilick)
    Mittlerweile wird nach jeder Vorstellung des Theatertreffens ein Manifest der Organisation "My right ist your right" zu Problemen von Flüchtlingen verlesen. Und wie auch immer man den Begriff "politisch" begreifen mag: Zum diesjährigen Theatertreffen wurden etliche Inszenierungen ausgewählt, die politische Themen verhandeln. Oder die fragen, wie es im Vorwort zum Theatertreffen-Programmheft heißt: "Wie gehen wir mit dem für uns 'Fremden' um?
    Also wurde über politisches Theater diskutiert: Im Symposium zu Faßbinder unter dem Titel "Das Private ist politisch", aber auch im Stückemarkt-Gespräch "Politisches Schreiben heute" und bei einem "Thementag zu Flucht, Einwanderungspolitik und Asylgesetzgebung". Der ging natürlich aus vom Auftakt des Theatertreffens mit Nicolas Stemanns Hamburger Inszenierung von Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen". Der Regisseur zur Frage, ob der hochartifizielle Text der Autorin den Flüchtlingen gerecht wird, wenn diese von weißen Schauspielern gespielt werden:
    "Um diesen Text zu sprechen und umzusetzen, braucht man Theaterexperten. Man braucht Schauspieler, die der deutschen Sprache mächtig sind. Und dann haben wir das wunderbare Dilemma, dass die Leute, von denen gesprochen wird, damit ausgegrenzt werden. Natürlich landen wir bei dem Satz "Wir können euch nicht helfen, wir müssen euch doch spielen." Und damit hauen wir uns selber schön eins in die Fresse."
    Deshalb inszenierte Stemann nicht nur mit Schauspielern, sondern auch mit Flüchtlingen, um das Dilemma auszustellen. Er führte Black- und Whitefacing vor und ließ die Flüchtlinge von sich selbst erzählen.
    Betroffene zu Schauspielern ihrer selbst machen
    In den Diskussionen wurde immer wieder das Scheitern des Repräsentationstheaters bei der Darstellung von Flüchtlingen konstatiert. Weshalb, gegen alle rechtlichen Schwierigkeiten, wie der Residenzpflicht und dem Verbot von Arbeit und Verdienst von Flüchtlingen, massiv gefordert wurde, den Flüchtlingen selbst Raum im Theater zu geben. Also nicht, wie es manche Theater tun, Erlebnisberichte von Flüchtlingen von weißen Schauspielern vortragen zu lassen, sondern die Betroffenen zu Schauspielern ihrer selbst zu machen.
    Marianna Salzmann, Autorin und Leiterin des Maxim Gorki Theater Studios:
    "Wir brauchen Räume, in denen Leute ohne Rechte selber agieren. Das kommt immer so schwer daher: Was sollen wir mit denen machen? Eine Bühne geben! Wir verfügen alle über diese Ressourcen."
    Es gibt Flüchtlinge, die sich ihre Bühne selbst gesucht haben. Wie bei Ahmed Shah vom Jugendtheater Büro Berlin, der mit dem"Refugee Club Impulse" in einem Auffanglager das Projekt "Letters home" auf die Beine stellte und im Haus der Kulturen der Welt vor 1.000 Leuten zeigte:
    "Da haben wir kein Projekt angefangen mit vorgefertigtem Text, sondern die Leute selber haben Texte geschrieben. Diese haben wir dann auf Film gebracht, - diesen emotionalen Momenten haben wir dann Theaterbilder gegeben. Dieses Projekt haben wir dann auf die Bühne gebracht, im HKW, - war wunderbar, die Veranstaltung."
    Kunstcharakter des Theaters nicht aus dem Blick verlieren
    Heftig diskutiert wurde, ob man den geschützten Theaterraum verlassen solle. Und: was noch Theater sei. Theatermachen sei für sie Aktivismus, betonte Marianna Salzmann und bekam dafür Applaus. Wie die Aktion des Zentrums für Politische Schönheit, das Mauerkreuze für gefallene Flüchtlinge von der Spree an die EU-Außengrenze brachte. Über die Aktion diskutierte die Theatertreffenjury, entschied sich aber aus formalen Gründen gegen eine Einladung. Jurymitglied Barbara Burckhardt:
    "Ich bin noch mal sehr verunsichert worden in diesen letzten Wochen, ob wir nicht tatsächlich den Mut hätten haben sollen, zu sagen, Gattungsfragen interessieren uns nicht und wir versuchen in irgendeiner Form, den Aktivismus hier rein zu holen."
    Die Forderungen nach Aktivismus und Authentizität, vor allem aber die Forderung, den Betroffenen Bühnenraum für die Selbstdarstellung zu geben, sie prägten etliche Diskussionen beim Theatertreffen. Auch wenn Nicolas Stemann zu Recht betonte, dass er durchaus auch am Kunstcharakter des Theaters hänge.