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Berlusconis Regierung bröckelt

Der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini, formuliert eine grundsätzliche Kritik an Berlusconis Regierung. Silvio Berlusconis Regierungsmehrheit könnte in Gefahr geraten.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    Mirabello in der Nähe von Ferrara ist eigentlich ein ziemlich verschlafenes Nest. Aber gestern Abend wurde es für einen Abend zum Zentrum der italienischen Politik. Gianfranco Fini hatte eine Grundsatzrede angekündigt und Politiker der Regierungsparteien und der Opposition verfolgten mit Spannung, was dort vor sich ging.

    Schon im Vorfeld hatte Innenminister Roberto Maroni gesagt: von dieser Rede könnte die Zukunft der Regierung abhängen. Denn Gianfranco Fini ist nicht nur Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, sondern auch einer der wichtigsten Gegenspieler Silvio Berlusconis. Die Sache hat ein Vorspiel, denn Fini hatte Ende Juli mit insgesamt 33 Abgeordneten in beiden Kammern eine eigene Fraktion gegründet mit dem Namen: "Futuro e Libertà", "Zukunft und Freiheit". Berlusconi war nicht begeistert und ließ Fini aus dem "Popolo della Libertà" ausschließen, aus dem "Volk der Freiheit", einer Sammlungsbewegung, die beide, Fini und Berlusconi im März 2009 aus der Taufe gehoben hatten.

    Doch nun könnte es ungemütlich werden für Berlusconi, denn ohne die "Finiani" ist die Regierungsmehrheit in Gefahr. Und auch deshalb ist der Premierminister in den letzten Tagen merklich zurückgerudert: Die Justizreform, die nicht zuletzt die Prozesse gegen Berlusconi erschweren sollte, wird erst einmal zurückgestellt. Und den abtrünnigen Abgeordneten machte er ein großzügiges Angebot.

    "Alle unsere Abgeordneten, die sich dafür entscheiden in der Fraktion des Popolo della Libertà zu bleiben, alle - niemand ist da ausgeschlossen - können auf unsere Freundschaft zählen, auf unsere Solidarität und Fairness. Auch in dem Moment, in dem die Wahllisten gemacht werden."

    Gerade dieser Führungsstil war Fini zuletzt bitter aufgestoßen. Er fordert unter anderem eine Reform des Wahlrechts. Bei seiner Rede in Mirabello fuhr er entsprechend scharfe Geschütze gegen Silvio Berlusconi auf:

    "Ich glaube, er hat den Mangel, dass er noch nicht verstanden hat, dass es in einer liberalen Demokratie keine Häresie gibt, weil es nicht die reine Lehre gibt. Und es gibt keine Majestätsbeleidigung, weil es kein Volk von Untertanen gibt."

    Die Kritik Finis an Berlusconis Regierung ist ziemlich grundsätzlich: Sie reicht von der Föderalismus-Reform über das in seinen Augen zu harte Vorgehen gegen illegale Einwanderer bis zum Empfang für Libyens Staatschef Gaddafi vor einer Woche, den Fini als "Kniefall" bezeichnet. Außerdem richte sich die Regierungspartei Popolo della Libertà zu sehr nach dem Koalitionspartner Lega Nord und habe die Gründungsideen verraten. Deshalb gibt es für Fini nur eine Antwort:

    "Das Popolo della Libertà, so wie wir es gewollt haben, ist irgendwie am Ende, nicht weil manch einer gegangen ist. Sondern in Wahrheit, weil es im Inneren der Partei nicht mehr sicher ist, dass es einen Streit um Ideen gibt, der so wichtig ist für die Demokratie. Das Popolo della Libertà gibt es nicht mehr."

    Das klingt nach endgültigem Bruch. Fini wird nicht zurückkehren in die Partei, aber mit seiner Fraktion trotzdem bis auf weiteres im Regierungsbündnis bleiben. Er will sogar dafür sorgen, dass es die Regierung bis ans Ende der Legislaturperiode schafft. Vermutlich auch, weil Neuwahlen für Finis neues Bündnis jetzt zu früh kämen. Berlusconis Regierung jedenfalls ist unter Druck. Fabrizio Cicchitto, der Fraktions-Chef des Popolo della Liberta im Abgeordnetenhaus, bringt es auf den Punkt:

    "Ich wünsche mir eins: Dass das, was Fini gesagt hat, eine positive Richtung der Unterstützung ist. Das werden wir bei der parlamentarischen Arbeit merken –und das ist sehr wichtig, denn sonst enden wir in der totalen Taktiererei."

    Gianfranco Fini hat jedenfalls erklärt, er und seine Leute werden sich nicht einschüchtern lassen. Wie stabil Berlusconis Mehrheit tatsächlich ist, wird sich ab dem kommenden Mittwoch zeigen, wenn das italienische Parlament sich zur ersten Sitzung nach der Sommerpause trifft.