Wenn diese Ostseepolitik so weitergeht wie bisher, dann werden in einigen Jahren die Baltischen Republiken EU-Mitglieder sein, dann werden sie in der NATO sein, und Königsberg wird eine Insel sein im EU-Meer, im NATO-Meer. Was soll aus Königsberg werden?
Berndt von Staden: Ja, letzten Endes kann das nur in Moskau entschieden werden, denn ich bin überzeugt davon, dass dieses Gebiet, Königsberg, oder wie die Russen es nennen, Kaliningrad, dass das integraler Bestandteil der Russischen Föderation, der Russländischen Föderation bleiben wird. Das wird sich nicht ändern - das glaube ich jedenfalls nicht. Was wir tun können, glaube ich, ist zweierlei: Wir können das Vertrauen in Moskau fördern, dass niemand ihnen das wegnehmen will. Das ist das erste. Und zweitens können wir mit anderen, vielleicht mit Polen, vielleicht auch mit den Litauern zusammen, Positionen aufbauen, die es erlauben, dann dieses Gebiet auch tatsächlich in eine Regionalpolitik voll zu integrieren. Denn das ist sicher richtig: Die derzeit doch sehr deplorablen Zustände in diesem Gebiet sollten nicht ewig dauern, schon der Menschen wegen nicht.
Herr von Staden, Deutschland begreift sich als Anwalt der Baltischen Republiken. Brauchen diese drei Länder hier an der Ostsee heute noch einen Anwalt?
Berndt von Staden: Ich glaube schon. Ich glaube, Deutschland ist im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen der Atlantischen Allianz auch regional so wichtig, dass eine aktive Unterstützung der baltischen Wünsche und Hoffnungen und Interessen durch die deutsche Regierung schon wichtig ist. Ich sagte ja, wir wollen keine Gleichgewichtsspiele spielen. Aber natürlich ist ein Land mit 80 Millionen schon vom Wirtschaftspotential her anders zu sehen als Finnland oder Schweden. Und so gesehen, glaube ich, ist es richtig. Ich liebe solche Ausdrücke als alter Diplomat nicht sehr: "Anwalt" oder "Vorreiter" und alle diese Dinge. Was heißt hier "Anwalt"? Wir sollten Verständnis für die baltischen Anliegen haben. Wir sollten das große Interesse dieser Region für unser eigenes Land sehen und dementsprechend handeln.