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Bertelsmann-Studie
Dauerhafte Grenzkontrollen würden Milliarden kosten

Dauerhafte Grenzkontrollen an Europas Binnengrenzen würden die Wirtschaft stark belasten. Das belegt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach würde die Wiedereinführung der Kontrollen Deutschland in den kommenden zehn Jahren bis zu 235 Milliarden Euro kosten - als Ergebnis einer Kettenreaktion.

Von Stefan Maas |
    Bundespolizisten bei Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze
    Bundespolizisten bei Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze (dpa / picture-alliance / Revierfoto)
    Eine Mehrheit von 58 Prozent der Deutschen fände es gut, wenn es wegen der Flüchtlingskrise wieder Grenzkontrollen gäbe, auch wenn dadurch das Reisen und der Güterverkehr in Europa erschwert würden. Dieses Ergebnis des jüngsten Politbarometers dürfte der Wirtschaft kaum gefallen, denn für Unternehmen bedeuten innereuropäische Grenzkontrollen zusätzliche Belastungen. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung beziffert die Kosten einer dauerhaften Wiedereinführung für Deutschland in den kommenden zehn Jahren auf bis zu 235 Milliarden Euro. Thieß Petersen, Senior Adviser bei der Bertelsmann-Stiftung, spricht von einer Kettenreaktion, die durch neue Grenzkontrollen ausgelöst würde:
    "Das sind zunächst nur Wartezeiten, die bedeuten für die Unternehmen höhere Personalkosten, die ganzen Lagerbestände müssen angepasst werden, weil just-in-time-Lieferung nicht mehr möglich ist. Damit verteuern sich sämtliche Vorleistungen, die in Europa ja teilweise über mehrere Grenzen gehandelt werden. Und damit steigen letztendlich die Produktionskosten in sehr vielen Bereichen. Und das wirkt sich negativ aus auf Konsum, Export und Investition."
    Schengen ist Wachstumstreiber
    Für ihre Modellrechnung haben sich die Studienautoren angesehen, wie hoch frühere Untersuchungen die Kostenersparnis durch den Wegfall von Grenzen im Schengenraum angesetzt haben: nämlich zwischen ein und drei Prozent. Würden die Kosten für Importgüter um ein Prozent steigen, käme es in Deutschland bis zum Jahr 2025 zu einem um 77 Milliarden Euro geringeren Wachstum. In der Europäischen Union wären es mindestens 470 Milliarden. Sollten die Importpreise gar um drei Prozent steigen, würde das hierzulande zu Wachstumseinbußen in einer Größenordnung von bis 235 Milliarden Euro führen. Auf EU-Ebene von rund 1,4 Billionen. Das Schengenabkommen sei ein Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft, sagte Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages-International bei n-tv:
    "Weil wir unsere Wirtschaft europaweit diversifiziert haben, produktiver geworden sind, und heute einen sehr sehr hohen Export außerhalb Europas erreicht haben."
    Auch Nicht-EU-Länder würden Folgen spüren
    Die einzelnen EU-Länder wären aufgrund ihrer derzeitigen Wirtschaftssituation unterschiedlich von einer Wiedereinführung der Grenzkontrollen betroffen, erklärt Bertelsmann-Experte Thieß Petersen. Deutschland gehe es wirtschaftlich im Moment gut, daher könne die deutsche Wirtschaft Kostensteigerungen eher verkraften als etwa Nachbar Frankreich. Aber auch Nicht-Schengen- und Nicht-EU-Länder wie die USA und China würden die Folgen spüren:
    "Einerseits beziehen auch die USA und China Vorleistungen aus Europa, die dann teurer werden, mit der Konsequenz, dass die Wettbewerbsfähigkeit dort sinkt. Und zweitens, wenn das Wirtschaftswachstum im Euroraum geringer wird, heißt das eben auch für die USA und China, dass sie weniger nach Europa exportieren können. Und das schwächt dann auch wieder ihre Wirtschaft."