Christoph Schmitz: Gustav Kluge, der Maler, er wurde 1947 geboren, seit _96 ist er Professor an der Staatlichen Kunstakademie in Karlsruhe, Gustav Kluge lebt in Hamburg und er gehört zu den wenigen gegenständlichen Malern unserer Zeit, die sich ganz auf die menschliche Figur konzentrieren. Das große Thema Kluges: "die menschliche Existenz in ihrer schmerzlichen Körperlichkeit, in ihrer Verstickung in Unfreiheit und Erniedrigung, in Angst und Bedrohung" - so kündigt das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen seine Ausstellung mit über 130 teils großformatigen Werken Kluges an. - Christiane Vielhaber: Gustav Kluge ist ein Maler im wahrsten Sinne des Wortes. Mit dick aufgetragenen Farbmassen und entsprechend schrundigen Oberflächen spart er ja nicht. Wie malt er?
Christiane Vielhaber: Ich kann nur sagen, zäh – zäh, düster und so, dass man sich zunächst abwenden möchte und dass man sich sagt, also mit dieser Farbhaut, das geht mir so unter die Haut, da möchte ich eigentlich nicht länger hingucken.
Schmitz: …, weil das Öl so zäh ist, oder?
Vielhaber: Genau so ist das. Er malt in Schichten, und man könnte ihn vorschnell jetzt in die Schublade der Wilden und Heftigen, also der schnellen Maler tun. Genau das Gegenteil ist der Fall: Er malt Schicht auf Schicht und bei diesen Schichten verbinden sich diese Ölfarben, die meist düster sind, dunkle Farben. Und dann haben Sie so richtig Schlieren, Sie merken, wie er dann noch mal drübergeht, dann kratzt er noch mal rein und in diesem Kratzen, in diesem Drübergehen, teilweise hatte ich auch das Gefühl, da wäre irgendwas in dieser Ölfarbe drin. Es ist aber nicht so, sondern die Ölfarbe wird dann wie so eine Haut wie auf der dicken Milch, wie sich so Haut bildet, so kleine Filtelchen, und das sehen Sie genau auf der Oberfläche.
Und wenn Sie direkt davorstehen, dann ist das eigentlich wirklich nur eine undefinierbare, mehr oder minder stumpfe, manchmal auch glänzende Farbmaterie. Aber wenn Sie ein bisschen zurückgehen, dann erkennen Sie das, was Sie gesagt haben: Dann erkennen Sie Figuren - Figuren, die erschrecken, die mich zum Teil - wenn man so viele Bilder in seinem Leben gesehen hat, dann können Sie nicht umhin, an Munch zu denken, oder an die Expressionisten, oder an den frühen Picasso, wo fast affenähnliche Köpfe da sind, oder der Schrei von Munch, und alle sind abgemagert. Wenn Sie dann näher sich damit beschäftigen, dann wissen Sie, dass das nicht aus seiner Fantasie kommt, dass er auch sich nicht irgendwo eingräbt, sondern er hat zum Beispiel Menschen nach einem Schlaganfall erlebt, die dann im Koma lagen. Es ist ein frühes vierteiliges Bild da und am Schluss erscheint eigentlich dieses skelettierte Wesen in einer Flasche. Am Anfang sehen sie nicht, dass es an Flaschen hängt, aber am Ende in einer Flasche, wo man dann nicht mehr rauskommt.
Oder er hat einen befreundeten Menschen namens Christine, als Mann geboren, die sich aber als Frau fühlt, die sich umoperieren lässt, und diese ganzen Stationen begleitet er mit der Malerei. Das ist teilweise so erschreckend, dass Sie eine Frau sehen mit einem Glied, was nicht zu dieser Frau gehört, und die auch dann darüber letztlich verrückt wird.
Schmitz: Kluge untersucht also Grenzfälle der Geschlechtlichkeit bei Transsexuellen?
Vielhaber: In diesem Fall ja.
Schmitz: Er spiegelt auch das Künstler-Ich in Künstler-Bildnissen, wie es im Katalog heißt, von Goya über Bacon bis zu Zeitgenossen. Wie sieht das aus, diese Spiegelung des eigenen Künstlertums in anderen Künstlern?
Vielhaber: Ja, und da merken Sie, wie belesen oder besehen dieser Kluge ist. Wenn er zum Beispiel Goya malt, dann ist das eine dunkle Gestalt, die einen Hut auf hat mit lauter Kerzen, und man weiß von Goya, dass er in der Dunkelheit gemalt hat, und da gab es ja noch kein Licht. Also mit diesen Kerzen oben auf dem Hut, das hinreißendste Porträt. Viele Künstler, die er porträtiert hat, mit denen er auch in Karlsruhe als Professoren zusammen lehrt, habe ich natürlich erkannt, und da merkt man, er kann Porträt wie kein zweiter. Aber dann ist so eins von Francis Bacon, und dann merken Sie: Die sind sich ähnlich. Dieser aufschreiende Fleischklumpen.
Und gleich daneben hängt eigentlich mein Lieblingsbild, ein rotes Bild, was sehr selten ist für ihn, ein Schlafrock, die Treppe herabgleitend, und da ist dann alles drin. Da ist Duchamp, ein Akt, die Treppe runtersteigend, da ist Richter drin, ganz unten ist dann eigentlich van Gogh drin, da ist nur so ein Stiefel, der wirklich zu erkennen ist, und dann ist wieder Bacon drin, dann dieser Schlafrock ist eigentlich ein roter Fleischklumpen, und das ist berührend, das ist ganz tolle Malerei und das ist auch nicht so schrecklich wie viele der anderen.
Schmitz: Christiane Vielhaber, vielen Dank für diese Beschreibungen der Kunst von Gustav Kluge und der Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen.
Christiane Vielhaber: Ich kann nur sagen, zäh – zäh, düster und so, dass man sich zunächst abwenden möchte und dass man sich sagt, also mit dieser Farbhaut, das geht mir so unter die Haut, da möchte ich eigentlich nicht länger hingucken.
Schmitz: …, weil das Öl so zäh ist, oder?
Vielhaber: Genau so ist das. Er malt in Schichten, und man könnte ihn vorschnell jetzt in die Schublade der Wilden und Heftigen, also der schnellen Maler tun. Genau das Gegenteil ist der Fall: Er malt Schicht auf Schicht und bei diesen Schichten verbinden sich diese Ölfarben, die meist düster sind, dunkle Farben. Und dann haben Sie so richtig Schlieren, Sie merken, wie er dann noch mal drübergeht, dann kratzt er noch mal rein und in diesem Kratzen, in diesem Drübergehen, teilweise hatte ich auch das Gefühl, da wäre irgendwas in dieser Ölfarbe drin. Es ist aber nicht so, sondern die Ölfarbe wird dann wie so eine Haut wie auf der dicken Milch, wie sich so Haut bildet, so kleine Filtelchen, und das sehen Sie genau auf der Oberfläche.
Und wenn Sie direkt davorstehen, dann ist das eigentlich wirklich nur eine undefinierbare, mehr oder minder stumpfe, manchmal auch glänzende Farbmaterie. Aber wenn Sie ein bisschen zurückgehen, dann erkennen Sie das, was Sie gesagt haben: Dann erkennen Sie Figuren - Figuren, die erschrecken, die mich zum Teil - wenn man so viele Bilder in seinem Leben gesehen hat, dann können Sie nicht umhin, an Munch zu denken, oder an die Expressionisten, oder an den frühen Picasso, wo fast affenähnliche Köpfe da sind, oder der Schrei von Munch, und alle sind abgemagert. Wenn Sie dann näher sich damit beschäftigen, dann wissen Sie, dass das nicht aus seiner Fantasie kommt, dass er auch sich nicht irgendwo eingräbt, sondern er hat zum Beispiel Menschen nach einem Schlaganfall erlebt, die dann im Koma lagen. Es ist ein frühes vierteiliges Bild da und am Schluss erscheint eigentlich dieses skelettierte Wesen in einer Flasche. Am Anfang sehen sie nicht, dass es an Flaschen hängt, aber am Ende in einer Flasche, wo man dann nicht mehr rauskommt.
Oder er hat einen befreundeten Menschen namens Christine, als Mann geboren, die sich aber als Frau fühlt, die sich umoperieren lässt, und diese ganzen Stationen begleitet er mit der Malerei. Das ist teilweise so erschreckend, dass Sie eine Frau sehen mit einem Glied, was nicht zu dieser Frau gehört, und die auch dann darüber letztlich verrückt wird.
Schmitz: Kluge untersucht also Grenzfälle der Geschlechtlichkeit bei Transsexuellen?
Vielhaber: In diesem Fall ja.
Schmitz: Er spiegelt auch das Künstler-Ich in Künstler-Bildnissen, wie es im Katalog heißt, von Goya über Bacon bis zu Zeitgenossen. Wie sieht das aus, diese Spiegelung des eigenen Künstlertums in anderen Künstlern?
Vielhaber: Ja, und da merken Sie, wie belesen oder besehen dieser Kluge ist. Wenn er zum Beispiel Goya malt, dann ist das eine dunkle Gestalt, die einen Hut auf hat mit lauter Kerzen, und man weiß von Goya, dass er in der Dunkelheit gemalt hat, und da gab es ja noch kein Licht. Also mit diesen Kerzen oben auf dem Hut, das hinreißendste Porträt. Viele Künstler, die er porträtiert hat, mit denen er auch in Karlsruhe als Professoren zusammen lehrt, habe ich natürlich erkannt, und da merkt man, er kann Porträt wie kein zweiter. Aber dann ist so eins von Francis Bacon, und dann merken Sie: Die sind sich ähnlich. Dieser aufschreiende Fleischklumpen.
Und gleich daneben hängt eigentlich mein Lieblingsbild, ein rotes Bild, was sehr selten ist für ihn, ein Schlafrock, die Treppe herabgleitend, und da ist dann alles drin. Da ist Duchamp, ein Akt, die Treppe runtersteigend, da ist Richter drin, ganz unten ist dann eigentlich van Gogh drin, da ist nur so ein Stiefel, der wirklich zu erkennen ist, und dann ist wieder Bacon drin, dann dieser Schlafrock ist eigentlich ein roter Fleischklumpen, und das ist berührend, das ist ganz tolle Malerei und das ist auch nicht so schrecklich wie viele der anderen.
Schmitz: Christiane Vielhaber, vielen Dank für diese Beschreibungen der Kunst von Gustav Kluge und der Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen.