Archiv


Berührungsängste nehmen

Informationen über Sterbegeld, Friedhofspflege und Nachrufe werden auf "Etos TV" zu sehen sein. Der neue Trauerkanal geht im November auf Sendung. Gegründet wurde "Etos TV" vom Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes, der einem Verfall der Bestattungskultur entgegenwirken möchte.

Von Bettina Schmieding |
    "Ich glaube, das wird ein Sender sein, der eine rasante Mund zu Mund Propaganda erfahren wird. Die Menschen haben richtig etwas davon. Welche ist die Seite in der Zeitung, die als allererstes aufgeschlagen wird? Die Todesanzeigen."

    Ja, warum eigentlich nicht? Warum eigentlich kein Fernsehsender, der sich mit Tod und Trauer beschäftigt? Schließlich gibt es ja auch Bahn TV, Bibel TV, den Schmuckkanal, das Deutsche Gesundheitsfernsehen, Geld vom Staat TV, Manneskraft TV und Nie mehr Einsam TV. Alle zu sehen mit einer digitalen Satellitenschüssel. Und über die will auch Etos TV in deutsche Wohnstuben wenn es nach den Gesellschaftern Wolf Tilmann Schneider und dem Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes geht. Dessen Geschäftsführerin ist Dr. Kerstin Gernig, und die weiß genau, dass das ein bisschen schräg ist, dieses Projekt.

    "Deswegen glaube ich, dass es ein mutiger Schritt von beiden Seiten war, den Schritt in die mediale Öffentlichkeit zu wagen. Von Seiten der Bestatter und auch von Seiten der Medien, sich eines so ernsten, so seriösen Themas, was nun alles andere als sexy ist, anzunehmen."

    Gernig glaubt fest daran, dass vor allem Menschen über sechzig Interesse an einer dreistündigen Sendeschleife mit Dokumentationen über berühmte Friedhöfe, Bestattungsrituale und Nachrufe haben werden, mit der das Programm zunächst an den Start gehen soll. Der Informationsbedarf auf diesem Gebiet sei groß, sagt sie und Etos TV solle sie liefern, die Details über Sterbegeldversicherungen, Pflegeheime, Testamente, Trauerbegleitung und etwas, das Frau Gernig Erfahrungswissen nennt.

    "Man hat den Kindern ein Erfahrungswissen vermittelt. Beispielsweise auch, wie mit einem Leichnam umgegangen worden ist. Das Erfahrungswissen ist uns völlig weggebrochen. Damit hängen Ängste zusammen, die dazu führen, dass das Thema tabuisiert und dämonisiert ist. Wenn man sich so eine Serie wie 'Six feet under' anschaut, wird gezeigt, was ein Bestatter bei einer thanatopraktischen Behandlung eines Verstorbenen für Tätigkeiten vornimmt."

    "Unterm Strich sind wir alle nur Produkte der Biologie. Nate, du solltest den Angehörigen schonend beibringen, dass der Sarg geschlossen bleiben sollte."

    "Six feet under", eine US-Serie über eine Bestatterfamilie, gefällt den Vertretern der Branche, weil sie sich mit Klischees auseinandersetzt. Und das soll auch der neue Sender Etos TV. Dabei ist es gar nicht so, als gäbe es den Tod in den Medien nicht.

    "Seitdem ich beim Bundesverband deutscher Bestatter arbeite, ist mir aufgefallen, dass es kaum einen Film gibt, indem es keine Bestattungsszene gibt. Tote haben wir sowieso ohne Ende. Es ist erschreckend, wie viele Filmtote schon ein Jugendlicher heute gesehen hat."

    Aber mit der Nachsorge, mit der Beerdigung also, und mit dem Bestatter, damit will nun wirklich keiner etwas zu tun haben, auch nicht in amerikanischen Fernsehserien.

    "Ich arbeite in unserem Familienbetrieb. Wie bitte?"

    "Ich bin Bestattungsunternehmer, das ist mein Beruf. Äh. Tja."

    "Wieso hast du geschwindelt?"

    "Ich bitte dich. Die Menschen bekommen einen komischen Blick und fragen, ob etwas mit mir nicht stimmt. Nach fünf Sekunden dreht sich alles nur noch um Nekrophile. Ich fand dich einfach zu nett."


    "Den Film finde ich ausgesprochen gut gemacht. Das ist ein wirkliches Novum im 21. Jahrhundert. Dieser Beruf war lange Zeit geächtet. Der Tod wird wieder ins Leben zurückgeholt, wo er auch hingehört."

    Finanzieren wird sich Etos TV auch mit Hilfe derjenigen, die keine Berührungsängste haben und schon zu Lebzeiten einen Nachruf beim Sender bestellen, der dann, nach ihrem Dahinscheiden, gegen Entgeld ausgestrahlt wird.

    "Du wirst uns fehlen, liebe Helga, doch vergessen werden wir dich nicht."