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Beruf Wissenschaftsjournalist: Chance oder nicht?

"Wenn ich sonst keine Stelle kriege, kann ich ja immer noch Wissenschaftsjournalist werden" - ein Spruch, den man häufig an den Universitäten hört. Der Seiteneinstieg ist in der Medienbranche nicht ungewöhnlich - doch ist er auch eine wirkliche Chance? Dieser Frage konnte man auf dem Bremer WissensWerte-Kongress nachgehen. Das dreitägige Treffen von Wissenschaftsjournalisten, -kommunikatoren und medieninteressierten Forschern ging am Mittwoch zu Ende.

Von Folkert Lenz | 24.11.2004
    Ich habe ein Ingenieursstudium, und das hat mich irgendwann so gelangweilt, dass ich mit dem Journalismus angefangen habe. Aber die Technik hat mich eigentlich nicht losgelassen. Da lag es nahe, diese Verbindung wieder herzustellen.

    Und so wurde Karsten Schäfer zum Wissenschaftsjournalisten. Sein Lebensweg ist in der Branche nicht ungewöhnlich, vielleicht sogar fast die Regel: Erst ein Fachstudium, dann irgend wie noch eine Medienausbildung hintendran. Notfalls als Autodidakt.

    Sein Kollege Christoph Kersting ist schon seit ein paar Jahren im Geschäft. So hat der 35-jährige Bremer viele Kontakte zu Redaktionen. Er schreibt bisweilen für die "Financial Times Deutschland", für das Wissensmagazin "P.M.", liefert zahlreichen Hörfunksendern fertige Beiträge. Doch gibt ihm der Wissenschaftsjournalismus ein Auskommen?

    Nein, also nur vom Wissenschaftsjournalismus könnte ich nicht leben. Das ist ein wichtiges Standbein mir, aber ich mache auch andere Sachen. Das ist ja auch eine Schwäche von freien Journalisten: Dass man sich selber als Unternehmer sieht. Da gehören Sachen dazu wie: Was für eine Preispolitik habe ich? Was für ein Unternehmenskonzept habe ich? Da haben Journalisten sicher einen großen Nachholbedarf.

    Denn die Konkurrenz ist hart. Die Budgets der Redaktionen werden kleiner und kleiner - das gilt nicht nur für die Wissenschaftsthemen.

    Auf der anderen Seite boomt der Markt. Wer das Technik- und Wissensregal am Zeitungskiosk durchforstet, der trifft auf zahlreiche neue Magazine. Ob "National Geographic", "P.M." oder "Geo" - die traditionellen Wissensillustrierten haben massenweise Konkurrenz bekommen. Selbst in der Frauenzeitschrift "Brigitte" ist reichlich Platz für die Wissenschaft. Medizin-Themen sind der Renner, sagt die Ressortleiterin Claudia Kirsch:

    Ich glaube tatsächlich, dass sich das Interesse verstärkt hat. Die Informationsflut ist größer und undurchschaubarer geworden. Patienten oder Menschen, die sich einfach für Ernährung interessieren, wissen mehr und verlieren mit dem Mehrwissen zugleich auch die Basis: Ja, was ist denn jetzt das Richtige?

    Wissenschaftsjournalisten sollen den Lesern und Zuschauern helfen, einzuordnen, sich im Info-Dschungel zurechtzufinden. Sie selbst verstehen sich zumeist als neutrale Vermittler von Informationen, sagt der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Bernd Blöbaum, der Journalisten nach ihrem Rollenverständnis gefragt hat:

    Untergeordnet sind andere Rollen wie die, Rat zu geben, zu unterhalten. Und mit weitem Abstand folgt das, was man als Kritik- und Kontrollfunktion annehmen könnte, nämlich als Warner aufzutreten.

    Der Reporter, der Enthüllungsgeschichten und Pharmaskandalen auf der Spur ist, scheint also die Ausnahme zu sein. Ohne naturwissenschaftlichen Background ist es fast unmöglich, in der Branche zu bestehen. Viele Hochschulen basteln gerade an neuen Konzepten, um Wissenschaftsjournalisten fundiert auszubilden. Karl Meier von der Fachhochschule Darmstadt:

    Das Modell, dass man eben vorher Naturwissenschaften studiert und dann eine journalistische Ausbildung oder ein Aufbaustudium macht, ist zwar auch sehr spannend und auch durchaus erfolgreich. Aber vielversprechender wäre es jetzt im Hinblick auf Ressort übergreifendes Arbeiten, wenn man Journalistikstudium und naturwissenschaftliche Ausbildung in einem Studiengang kombinieren könnte.

    Wer glaubt, nach seiner Ausbildung dann als Berichterstatter von einem Expertenkongress zum nächsten reisen zu dürfen, liegt falsch. Recherche und Themensuche sind unspektakulär, sagt der Wissenschaftsjournalist Christoph Kersting:

    Man baut sich schon ein Netzwerk auf. Das heißt, Themen ergeben sich aus Themen, die man schon mal bearbeitet hat. Oder man zieht Bilanz. Ich habe vor fünf Jahren ein Thema bearbeitet: Jetzt guck ich mal, was ist daraus geworden. Ich lese natürlich auch Fachzeitschriften.

    Das Überleben in der Nische ist derzeit nicht einfach. Und doch könnten die Zeiten bald besser werden, denn auch in Tageszeitungen boomen die Storys über Schwarze Löcher, die Genomforschung oder Unterwasserroboter. Angela Grosse, Wissenschaftsredakteurin beim "Hamburger Abendblatt", will jedenfalls Mut machen.

    Wir haben im Moment eine schwierige Phase. Ich hoffe, dass sich das ändert. Weil ich glaube, dass der Wissenschaftsjournalismus davon lebt, dass neue Menschen in diesen Beruf kommen. Das ist nichts anderes wie in der Schule. Wenn da nur alte Lehrer sitzen, ist es auch langweilig.