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Berufe-Weltmeisterschaft in Brasilien
Handwerk auf Goldkurs

Nathanael Liebergeld will in Brasilien Gold holen. Nicht im Rudern oder im Tennis, sondern beim Löten, Pressen und Biegen. Der 21-Jährige hat sich für die Berufe-WM in Sao Paulo qualifiziert, ist einer von 41 deutschen Fachkräften, die an den verschiedenen Disziplinen der World Skills 2015 teilnehmen werden.

Von Johannes Schiller | 10.07.2015
    Ein Schweißer verbindet zwei Metallteile.
    Löten und Schweißen, Hobeln oder Sägen - bei der World-Skills-Competition zeigen die besten Fachkräfte der Welt ihr Können (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Also wir beginnen jetzt das Training. Ich zähl jetzt runter, Drei, zwei, eins, Start!"
    Nathanael Liebergeld beugt sich über die Skizze seines Heizkörpers auf der Werkbank. Er tippt die Maße in den Taschenrechner und kalkuliert sein Material.
    "Die beiden Rohre brauch ich für meinen Badheizkörper!"
    "Was hat er jetzt bestellt?"
    "Zwei Längen Kupferrohr. Das eine ist 2736 Millimeter lang und das andere 2786 Millimeter."
    Bundestrainer im Sanitär- und Heizungsbau
    Handwerksmeister Andre Schnabel schneidet die Rohre auf das gewünschte Maß. Seit mehreren Jahren ist er deutscher Bundestrainer der World Skills im Sanitär- und Heizungsbau. Jetzt kümmert er sich um Nathanael. Die beiden sind im Trainingslager – in einer kleinen Halle im Bundesleistungszentrum Schweinfurt. Generalprobe für den großen Wettkampf in Brasilien Mitte August. Seit einem halben Jahr Nathanaels Lebensmittelpunkt.
    "Na ich guck mir dann abends teilweise noch die Bilder von den Trainings an und überlege, was ich besser machen kann oder schneller machen kann. Ich denk halt eigentlich nur an den Wettkampf und das Training."
    Die Trainings-Uhr tickt. 19 Stunden hat der 21-jährige, um Heizkörper, Waschbecken und Rohrleitungen an eine Spanplattenwand zu schrauben. Alles genau festgelegt in den internationalen Wettkampfregeln. Er sprintet zur zweiten Werkbank.
    "Ja, es ist extrem knapp bemessen. Rumtrödeln ist da nicht."
    Nathanael spannt das Rohr in den Schraubstock, biegt es zu einem U, misst nach, biegt das nächste U. Am Ende hält er eine kupferfarbene Schlange in den Händen. Einen Bad-Heizkörper. Schweiß perlt auf der Stirn und trotzdem muss er jetzt eine Jacke überziehen.
    Sicherheitsvorschrift. Nur mit Jacke darf er die Rohre verlöten. Hochkonzentriert schmilzt er den Lötzinn.
    "Einen Wassereimer bräucht ich noch bitte!"
    Andre Schnabel holt den Wassereimer. Er hat sich auch um Sponsoren gekümmert. 70.000 Euro brauchen er und Nathanael für diese Weltmeisterschaft. Zum Beispiel für ein Trainingslager bei den Kollegen in England oder in der Schweiz.
    "Hart und lang trainiert. Wir haben unser Training fast verdreifacht, von dem was geplant war. Die Motivation ist da, das Können natürlich auch. Wir rechnen uns schon was vorne aus."
    Sein Ziel: ein Platz unter den ersten fünf in der Disziplin Sanitär- und Heizungsbau. 1200 Fachkräfte aus 60 Nationen - alle jünger als 23 Jahre - reisen insgesamt zu den World-Skills, zur Weltmeisterschaft der Berufe nach Sao Paulo. Die Konkurrenz ist hart:
    "Mein südkoreanischer Kollege trainiert seit fast zwei Jahren auf das Ziel Sau Paulo hin. Fängt mit 50 Teilnehmern an und der beste bleibt am Ende übrig. Die machen Tag und Nacht nichts anderes, als sich mit diesem Projekt auseinanderzusetzen und das zu trainieren."
    Für Deutschland treten acht Frauen und 33 Männer an - in fast 40 Disziplinen - vom Autolackierer bis zum Koch.
    Metall-Schellen an der Trockenbauwand
    Nathanel geht in die Knie und schraubt Metall-Schellen an die Trockenbauwand. Hier sollen später die Rohre befestigt werden. Der junge Facharbeiter aus Aue im sächsischen Erzgebirge ist zurückhaltend, aber selbstbewusst, wenn um sein Handwerk geht. Hier findet er immer wieder neue Herausforderungen.
    "Heizung, Technik, Solar, teilweise auch elektronische Steuerung. Die Abwechslung hauptsächlich, ich mach nie zwei Tage hintereinander das gleiche, sag ich mal."
    Den größten Respekt hat er nicht vor den Aufgaben oder vor dem Tempo. Respekt hat er vor dem Publikum.
    "Ich war bei den World Skills in Leipzig. Und ich weiß, dass das gigantisch ist, was da an Zuschauern ist. Wie extrem das ist, vor Zuschauern zu arbeiten, weil das ist man ja nicht gewöhnt im normalen Leben."
    Um sich vor dieser Umgebung abzuschirmen, trägt er heute Ohrstöpsel. Ein Test, wie er sagt. Immer wieder hält er kurz inne, als ginge er im Kopf die Skizzen seiner Aufgabe durch.
    Hier im Trainingslager muss er mit einem zweiten Satz Werkzeug arbeiten. Der Container mit dem Wettbewerbs-Material kreuzt schon auf dem Atlantik. In drei Wochen macht sich auch Nathanael auf den Weg nach Brasilien. Mit an Bord: Große Pläne.
    "Ich fahr jetzt nicht hin und sag, ich werd Platz 11! Das Ziel ist auf jeden Fall Platz 1, aber das wird 'ne schwierige Aufgabe, weil die anderen trainieren mindestens genauso hart."