
"Ja, meine Eltern zahlen das…"
John Haller ist 17, im ersten Lehrjahr, macht eine Ausbildung zum Elektroniker. Er steht – zusammen mit einigen Kumpels - im Hinterhof einer Magdeburger Berufsschule. Sie alle sind nicht gut auf Sachsen-Anhalt zu sprechen, weil es – anders als in Thüringen oder Brandenburg – kein landeseinheitliches Azubi-Ticket gibt. Stattdessen müsse man von dem wenigen Geld für eine Monatskarte tief in die Tasche greifen, um überhaupt erstmal zur Berufsschule zu kommen.
"Ja kann man ändern. Weil, wir zahlen ja auch Steuern. Dann kann das Land ja auch mal für die Auszubildenden das bezahlen."
Neben ihm steht der 17-Jährige Moritz Götze, angehender Mechatroniker. Das sei doch ungerecht, sagt er noch.
"Eine Bahnfahrkarte fürs Jahr kostet extrem viel. Und das als Auszubildender zu stemmen ist nicht gerade einfach. Man muss das sich zusammensparen."
Im aktuellen Haushaltsplan kein Hinweis auf Azubi-Ticket
Die Hälfte aller Azubis in Sachsen-Anhalt - etwa 12.000 Lehrlinge - müssen 30 Kilometer und mehr zur Berufsschule fahren. Manche müssen gar Strecken von 200 Kilometer zurücklegen. Auf Sonntagsreden sprechen Landespolitiker immer wieder von der Notwendigkeit eines Azubi-Tickets, wie es das in sechs anderen Bundesländern bereits schon gibt. Doch praktisch passiert nichts.
Auch im aktuellen Haushaltsplan für die Jahre 2020/21 taucht das Wörtchen Azubi-Ticket mit keiner Silbe auf. Burghard Grupe, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg ist empört.
"Das ist ein Unding. Ich sag es ganz ehrlich, das geht gar nicht. Im Koalitionsvertrag steht es als Prüfauftrag. Es gibt keinen, der sich dagegen bekennt, trotzdem gelingt es der Politik nicht, dass vernünftig umzusetzen. Hier muss gehandelt werden."
Wenn das landesweite Azubi-Ticket jetzt nicht komme, solle man sich nicht wundern, wenn junge Menschen abwandern, ergänzt Grupe noch.
"Tatsächlich schon passiert. Ich kann konkret Firmen nennen, wo es den Firmen als Ablehnungsgrund genannt wurde. Das Problem ist dann, das die Firma auch niemand anders findet und dann letztlich Aufträge mal ablehnen muss, weil sie keine Fachkräfte mehr haben."
Die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern, der DGB, alle rufen nach dem Azubi-Ticket. Auch um die duale Bildung zu stärken. Wenn es käme, wäre es ein bildungspolitisches Signal, dass die akademische und die berufliche Bildung gleichgestellt werden, so Grupe weiter.
Parteien schieben sich den Schwaren Peter zu
Aber in der Politik bewegt sich nichts. Stattdessen streiten sich die Regierungsparteien der Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen um die Finanzierung. Die Sozialdemokraten schieben den schwarzen Peter der Union zu. Sachsen-Anhalts CDU-Verkehrsminister Thomas Webel würde das Ticket regelrecht ausbremsen, klagt Andreas Steppuhn, der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Magdeburger Landtag.
"Blockierer an dieser Stelle ist, das muss deutlich gesagt werden, die CDU. Ich bedauere es auch, dass es mit dem Koalitionspartner so schwierig ist, so ein Thema zu bewegen."
Bei der CDU wehrt man sich gegen die Vorwürfe. "Dass die SPD solche Vorwürfe erhebt, trägt nicht unbedingt zum Koalitionsfrieden bei", man könne beim Azubi-Ticket keine Versprechungen machen, sagt der Magdeburger CDU-Landtagsabgeordnete Tobias Krull mit Blick auf die leeren Kassen.
Und springt für seinen Minister in die Bresche: "Wir haben viele Projekte, die wichtig sind. Beispiel: Krankenhausfinanzierung. Wir müssen im Doppelhaushalt eine Abwägung machen, wo setzen wir Prioritäten, wo können wir Geld einsetzen, wo müssen wir uns von Projekten verabschieden. Jetzt irgendwelche Versprechungen zu machen ist unseriös."
Und springt für seinen Minister in die Bresche: "Wir haben viele Projekte, die wichtig sind. Beispiel: Krankenhausfinanzierung. Wir müssen im Doppelhaushalt eine Abwägung machen, wo setzen wir Prioritäten, wo können wir Geld einsetzen, wo müssen wir uns von Projekten verabschieden. Jetzt irgendwelche Versprechungen zu machen ist unseriös."
Zehn bis 13 Millionen Euro würde ein Azubi-Ticket das Land kosten. Ob es kommt, derzeit steht es in den Sternen. Die Auszubildenden in Sachsen-Anhalt müssen sich wohl noch gedulden. Burghard Grupe von der Handwerkskammer kann man die Enttäuschung regelrecht im Gesicht ablesen. Er fordert nun ein Machtwort des CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff.
"Also, das erhoffe ich sehr. Weil, da ist der Ministerpräsident gefragt: Hier mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen und eine klare Ansage zu machen, das hier eine Einigung kommt."
Ist ja bald Weihnachten, sagt der Handwerkskammer-Chef noch. Vielleicht passieren da noch Wunder, meint er fast ein wenig süffisant.