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Berufsbegleitend studieren

Immer ältere Menschen und Fachkräftemangel machen der deutschen Wirtschaft schwer zu schaffen. Ein Ausweg aus der Krise ist das berufsbegleitende Studium. Das Hochschulinformations-System HIS hat untersucht, welche Chancen und Probleme die Verbindung von Beruf und Studium mit sich bringt.

von Philip Banse |
    "Ich arbeite im Lieferanten-Management, da betreut man Lieferanten, da gibt es ganz viele Qualitätswerkzeuge im Bezug auf das eingekaufte Produkt, das wir dann in unsere Motoren verbauen. Und so was konnte ich in der Arbeit sehen, wie man es wirklich macht und dann in Projektarbeiten umgekehrt wieder im Studium anwenden."

    Stephanie Lurz ist 28 Jahre alt. Sie hat einen Bachelor in internationaler BWL und setzt darauf jetzt einen Master in Wirtschaftsingenieurwesen, eigentlich ein Vollzeitstudium. Doch die Uni Mannheim bietet ein studienbegleitendes Trainee-Programm an, so kam Lurz zur Daimler AG. In den Semesterferien arbeitet sie Vollzeit beim Autobauer, im Semester nur einen Tag pro Woche, der Rest gehört dem Studium. Stephanie Lurz, keine Kinder, bekommt netto 550 Euro pro Monat, also zwölf Euro die Stunde - nicht viel für eine Akademikerin. Dennoch: Stephanie Lurz kann ein berufsbegleitendes Studium nur empfehlen. Nach der Master-Arbeit folgt

    "Hoffentlich im September ein Job. Aber aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist der Konsens im Moment, dass man noch nichts weiß. Aber ich habe natürlich einen Fuß in der Tür, viele Kontakte und ganz, ganz viel Praxiserfahrung ganz speziell aufs Studium bezogen."

    Trotz positiver Erfahrungen – wer in Deutschland Beruf und Studium verbinden will, betritt ein extrem unübersichtliches Feld mit vielen Fußangeln: Unbrauchbare Webseiten, unklare Anerkennungsregelungen, unflexible Studienangebote. Dieser Wildwuchs verdeckt ein durchaus vielfältiges Angebot: Über 700 Master- und über 1000 berufsbegleitende Bachelor-Angebote hat das Hochschulinformationssystem gezählt, noch dazu in vielen Fachrichtungen. Die Zahl der neben dem Beruf Studierenden hat jedoch bisher niemand erfasst. Ordnen, lichten und sortieren, das sollte eine Untersuchung des Hochschulinformationssystems. Die Ergebnisse legen nah: Viele Interessenten dürften schon nach einer ersten Internet-Recherche frustriert aufgeben: Zugangsvoraussetzungen? Gebühren? ECTS-Punkte? Viele Hochschul-Seiten schweigen dazu. HIS-Forscher Karl-Heinz Minks hat sich alle Webseiten deutscher Angebote angesehen:

    "Wir sind doch ziemlich ernüchtert. Die Masse der Internetseiten der berufsbegleitenden Angebote orientiert sich immer noch eher an der Gliederung der Institution und nicht an den Informationsbedürfnissen der Nachfrager. Und da muss unbedingt etwas passieren."

    Die Zugangsvoraussetzungen wurden bereits liberalisiert, nicht zuletzt durch die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Zwar führt der Weg zum Master nur über ein abgeschlossenes Erststudium, sagt Studienautor Minks, doch:

    "Bei den Bachelor-Angeboten ist es so, dass es doch schon eine relativ große Zahl an Angeboten gibt, wo man keine traditionelle Studienberechtigung mehr braucht, sondern wo auch schon Leute mit Aus- oder Fortbildungsabschluss und in der Regel auch einem bestimmten Quantum beruflicher Erfahrung – meist drei oder fünf Jahre – ein Studium aufnehmen können."

    Doch dann fangen für viele die Probleme erst an: Familie, Beruf und nun auch noch Studium – die meisten Hochschulen sind noch dem traditionellen Vollzeitstudium verhaftet, ihre Studienpläne viel zu unflexibel. Die wenigsten Hochschulen gehen auf die speziellen Anforderungen ihrer arbeitenden Studierenden ein, sagt HIS-Forscher Nicolai Netz:

    "Unsere Erhebung hat schon gezeigt, dass die große Mehrheit aller Studiengänge nach wie vor sehr stark in die organisatorischen Strukturen, das heißt die Semester-Strukturen, der Hochschulen integriert sind und dass nicht zu erkennen ist, dass die Hochschulen versuchen, sich die Perspektive Berufstätiger hineinzudenken und nicht überlegen, wie deren verfügbares Zeitbudget aussieht und wie für die am besten ein lebensnahes Studium organisierst werden könnte."

    "Genauso war´s, ja."

    Sagt Stephanie Lurz, die immer studieren musste, wenn die Uni es vorschrieb. Freitags Kurzarbeit beim Daimler? Eigentlich prima Zeit fürs Studium. Aber die Uni bot nichts an. Flexibel war allein der Arbeitgeber.

    "Da muss ich der Firma ganz dankbar sein. Es war sehr wichtig, dass ich diese semi-operativen Aufgaben hatte, also Tagesgeschäft, sondern ich konnte mir das flexibel einteilen, wenn ich montags nicht kam, war´s ok, wenn ich die Arbeit dann dienstags oder mittwochs erledigt habe."

    Dabei eignet sich das System von Bachelor und Master im Prinzip bestens, um flexibel zu studieren: Aus den Modulen könnten sich Studierende je nach Zeit und beruflicher Situation ihren Studien-Abschluss bauen. Doch so bewegliche Angebote machen nur eine Handvoll Hochschulen, etwa die Uni Oldenburg. Schon heute gibt es fast 3000 kompakte, modul-ähnliche Studienangebote für Berufstätige, so genannte Zertifikate. Sie werden jedoch kaum für BA- und MA-Studiengänge anerkannt. Das muss sich ändern, sagt HIS-Forscher Minks:

    "Das ist eine Aufgabe, die ich für besonders wichtig halte, weil in diesen kürzeren Formaten oft Keimzellen sind für flexiblere Möglichkeiten zu studieren."