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Berufseinstieg ist sicherer, manchmal holprig

Für Akademiker wird es nach dem Studium immer schwerer eine feste Stelle zu bekommen - so heißt es gemeinhin. Soziologen vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben diese Thesen jetzt anhand von Statistiken untersucht.

Von Claudia van Laak | 29.11.2010
    Eine Klangkunstinstallation auf der Berliner Karl-Marx-Allee. Hanna Lindner und Alisa Ehlert haben dieses Projekt organisiert und kuratiert - die beiden betreiben unweit des Alexanderplatzes eine kleine Galerie. Die eine hat Publizistik und Kunstgeschichte studiert, die andere Kulturwissenschaften. Geld verdienen sie nicht mit ihrer Galerie.

    "Das ist teilweise schon sehr frustrierend, wenn man sich überlegt, dass man extrem gut ausgebildet ist, einen sehr guten Lebenslauf, gute Abschlusszeugnisse hat und auf der anderen Seite nicht weiß, wie man seine Miete bezahlen soll oder etwas zu essen kaufen."

    "Auf der einen Seite bringt es sehr viele Freiheiten mit sich, auf der anderen Seite große Unsicherheiten, und damit geht mir nicht so gut."

    Hanna Lindner und Alisa Ehlert berichten von Bekannten, die sehr gut ausgebildet sind, aber trotzdem von Hartz IV leben. Kaum jemand in der Kunst- und Kreativszene habe eine dauerhafte Stelle, erzählen die beiden 28-Jährigen.

    "Wobei alle wirklich sehr fähig sind, sehr hart und viel arbeiten, sehr gut ausgebildet sind. Ich kenne niemanden, der einen festen Job hat, wirklich niemanden."

    ""Ich werde noch von meinen Eltern unterstützt, was auch für mich nicht leicht ist, und jetzt geht es darum, einen Nebenjob zu finden.""

    Hanna Lindner und Alisa Ehlert - ist ihre Situation typisch für junge Akademiker? Steht sie für den rasanten Wandel in der Arbeitswelt? Immer mehr Unsicherheit, immer mehr befristete Jobs? Nein, sagt Jan-Paul Heisig, Soziologe am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung:

    "Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass wir nicht die dramatische Zunahme von zwischenbetrieblicher Mobilität, an Arbeitgeberwechseln finden, und auch nicht den Übergang in Erwerbslosigkeit, den diese Thesen suggerieren. "

    Jan-Paul Heisig hat gemeinsam mit einem Kollegen die Arbeitsplatzmobilität in Westdeutschland von 1984 bis 2008 untersucht. Die Längstschnittuntersuchung hat ergeben: Verlierer auf dem Arbeitsmarkt sind die gering Qualifizierten, nicht die Akademiker.

    "Die wirklich klaren Verschlechterungstendenzen, Destabilisierungstendenzen, die finden wir bei denjenigen ohne berufliche Ausbildung, den Geringqualifizierten, und all die Tendenzen, die wir bei den Hochschulabsolventen finden, die sind im Vergleich dazu harmlos."

    Die subjektive Wahrnehmung ist bei vielen Akademikern allerdings eine andere, die veröffentlichte Meinung auch. Wie kommt diese Diskrepanz zustande? Auch darüber haben sich die Soziologen Gedanken gemacht. Zum einen sei die Wahrnehmung der Journalisten eine selektive - sie würden von der instabilen Situation in der Medienbranche auf den gesamten Arbeitsmarkt schließen.

    "Teilweise ist es ja so, dass diese Reportagen über die "Generation Praktikum" selber von Praktikanten, von Betroffenen geschrieben wurden, und die Wahrnehmung von Freunden, die selber in dieser Branche tätig sind, und dass diese ausschnitthafte Wahrnehmung der Realität sich in diesen Berichten niederschlägt."

    Ein zweiter Grund für das Auseinanderklaffen zwischen objektivem Befund und subjektiver Wahrnehmung - durch die Arbeitsmarktreformen - Stichwort Hartz IV - sei die Angst vor der Arbeitslosigkeit größer als früher, sagt Jan-Paul Heisig:

    "Dass also weniger das Risiko, also die Wahrscheinlichkeit zugenommen hat, den Arbeitsplatz zu verlieren, als vielmehr die Angst davor hat zugenommen, also die Fallhöhe hat zugenommen."

    Die Botschaft der Studie: Akademiker bräuchten sich keine großen Sorgen machen, auch Geisteswissenschaftler nicht. Zwar sei bei ihnen der Berufseinstieg manchmal etwas holprig, aber spätestens fünf Jahre nach Verlassen der Uni hätten auch die meisten Geisteswissenschaftler gute Positionen erreicht.