Uli Blumenthal: "Siegerteam aus Versagern" haben wir vor einem Monat ein Gespräch mit dem Medizin-Journalisten Martin Winkelheide überschrieben. Es ging um einen Test mit zwei altbekannten HIV-Impfstoffen an 16.000 gesunden thailändischen Frauen und Männern. Auf einer Pressekonferenz in Thailand wurde das Ergebnis damals vorgestellt: 51 Probanden aus der Impfstoffgruppe waren nach drei Jahren HIV-positiv, bei der Gruppe mit Placebo-Impfstoffen 74 Teilnehmer. 74 zu 51 – daraus wurden öffentlich schnell ein 30 Prozent geringeres Ansteckungsrisiko dank Kombinationsimpfstoff. Allein: wären es in der Impfstoffgruppe statt der 51 HIV-Infizierten nur zwei mehr gewesen, wäre der Unterschied statistisch nicht mehr signifikant. Auf der Tagung "Aids-Impfstoffe" in Paris stellten die Forscher den versammelten Experten nun die genauen Ergebnisse ihrer Studie vor. Für "Forschung aktuell" ist unser Fachkollege Martin Winkelheide vor Ort. Was haben die Aids-Forscher mit den Studienergebnissen genau angestellt, was haben sie genau vorgestellt heute Mittag?
Martin Winkelheide: Das Interessante war, dass die Studienergebnisse vorgestellt worden sind. Sie sind aber nicht diskutiert worden. Das heißt, ich musste dann doch draußen in der Lobby und mich während der Kaffeepausen umhören und rumfragen und das Echo auf diese Impfstoffstudienergebnisse war erstaunlich positiv. Also viele haben gesagt: Endlich, nach 25 Jahren gibt es mal einen Anlass zur Hoffnung. Also das große Projekt, einen Aids-Impfstoff zu entwickeln, könnte vielleicht doch aussichtsreich sein. Also so der Tenor hier in Paris auf der Aids-Impfstoff-Tagung.
Blumenthal: Vor einem Monat auf einer Pressekonferenz wurden ja erste magere Daten vorgestellt. Warum liefert man jetzt die genauen Daten erst einen Monat später nach?
Winkelheide: Die Forscher haben das heute so begründet, dass sie gesagt haben, es haben 16.000 Freiwillige in Thailand an der Impfstoffstudie teilgenommen. Und weil die sich eben so sehr eingesetzt haben, war man auch verpflichtet, den Studienteilnehmern als erstes das Ergebnis zu präsentieren. Von Seiten der Journalisten gab’s da eine gewisse Unzufriedenheit und auch einige Forscher haben natürlich angemerkt und haben gesagt: Eigentlich gehört es zu den guten Regeln des Spiels, dass man eine Studie erst veröffentlicht und alle Experten Einsicht haben in die Daten und man dann darüber spricht. Tatsächlich ist die Studie heute im "New England Journal of Medicine" publiziert worden und man hat tatsächlich dann auch Zugang zu den ersten Auswertungen der Studien.
Blumenthal: Ist es nun richtig gewesen zu sagen, ein Siegerteam aus Versagern oder ist es richtig wenn wir es heute ankündigen als einen bescheidenen Erfolg?
Winkelheide: Es wird schon als bescheidener Erfolg gewertet. Was man gesehen hat, ist dass die Wirksamkeit oder der Schutz um die 30 Prozent liegt. Je nachdem, wo man die Studie anfangen lässt, kann sich die Wirksamkeit noch mal ein bisschen reduzieren auf 26, 4 Prozent. Aber alle Forscher sagen, darauf kommt es eigentlich nicht an. Es kommt eigentlich darauf an, dass man jetzt weiß, welche Fragen man in Zukunft beantworten muss. Also was man an der Studie schon gesehen hat, ist, dass der Impfstoff ja insgesamt sechs Mal gegeben worden ist und dass die Schutzwirkung wohl in der ersten Zeit größer war als gegen Ende. Das heißt, die Zahl der Menschen, die sich angesteckt haben, im Laufe der Zeit haben sich diese Kurven angenähert und sind nahezu parallel bewegt. Da kann man davon ausgehen, dass die Schutzwirkung also mit der Zeit nachgelassen hat. Man kann aber nicht präzise sagen, wie lange diese Kombination aus beiden Impfstoffen tatsächlich gewirkt hat. Wie überhaupt sich viele Fragen noch nicht richtig beantworten lassen. Also man kann nicht sagen: Was hat tatsächlich die Schutzwirkung vermittelt? Oder: Wie sieht das aus mit den Menschen, die sich angesteckt haben? Warum hat sich das Virus in ihnen so schnell vermehrt. Wie werden sie nicht geimpft? Also da gibt es überhaupt keine Unterschiede. Und das sind viele Fragen, die die Forscher noch beantworten müssen.
Blumenthal: Die große Frage in solch einer unklaren Situation ist ja dann vor allem: Wie geht es weiter mit diesem Kombinationsimpfstoff? Was ist dazu in Paris gesagt worden?
Winkelheide: Also man wird nicht versuchen, aus diesem Kombinationsimpfstoff einen marktreifes Produkt zu machen. Das ist ziemlich klar. Denn man darf nicht vergessen, was man in Thailand ausprobiert hat an 16.000 Freiwilligen. Das ist ein Konzept, das über zehn Jahre alt ist. Das heißt, heute hätte man ganz andere Möglichkeiten, einen Aids-Impfstoff zu konzipieren. Und man würde nicht denselben Impfstoff noch mal ausprobieren. Aber man kann die Studienergebnisse jetzt eben nutzen, ganz wichtige Fragen überhaupt zu klären. Also welche Rolle spielen zum Beispiel genetische Faktoren? Gibt es eine bestimmte Untergruppe von Menschen, die besser geschützt war als eine andere aufgrund der Gene, die sie mitbekommen haben? Welchen Unterschied macht es, mit welchen Viren die Menschen konfrontiert worden sind? Das wird man jetzt genau analysieren. Und solche Analysen, das zeigen die Erwartungen, dauern mitunter zwei Jahre und länger.
Blumenthal: Bescheidener Erfolg. Wissenschaftler schränken Fortschritt bei Aidsimpfung ein. Das war Martin Winkelheide live aus Paris von der Konferenz "Aids-Impfstoffe."
Martin Winkelheide: Das Interessante war, dass die Studienergebnisse vorgestellt worden sind. Sie sind aber nicht diskutiert worden. Das heißt, ich musste dann doch draußen in der Lobby und mich während der Kaffeepausen umhören und rumfragen und das Echo auf diese Impfstoffstudienergebnisse war erstaunlich positiv. Also viele haben gesagt: Endlich, nach 25 Jahren gibt es mal einen Anlass zur Hoffnung. Also das große Projekt, einen Aids-Impfstoff zu entwickeln, könnte vielleicht doch aussichtsreich sein. Also so der Tenor hier in Paris auf der Aids-Impfstoff-Tagung.
Blumenthal: Vor einem Monat auf einer Pressekonferenz wurden ja erste magere Daten vorgestellt. Warum liefert man jetzt die genauen Daten erst einen Monat später nach?
Winkelheide: Die Forscher haben das heute so begründet, dass sie gesagt haben, es haben 16.000 Freiwillige in Thailand an der Impfstoffstudie teilgenommen. Und weil die sich eben so sehr eingesetzt haben, war man auch verpflichtet, den Studienteilnehmern als erstes das Ergebnis zu präsentieren. Von Seiten der Journalisten gab’s da eine gewisse Unzufriedenheit und auch einige Forscher haben natürlich angemerkt und haben gesagt: Eigentlich gehört es zu den guten Regeln des Spiels, dass man eine Studie erst veröffentlicht und alle Experten Einsicht haben in die Daten und man dann darüber spricht. Tatsächlich ist die Studie heute im "New England Journal of Medicine" publiziert worden und man hat tatsächlich dann auch Zugang zu den ersten Auswertungen der Studien.
Blumenthal: Ist es nun richtig gewesen zu sagen, ein Siegerteam aus Versagern oder ist es richtig wenn wir es heute ankündigen als einen bescheidenen Erfolg?
Winkelheide: Es wird schon als bescheidener Erfolg gewertet. Was man gesehen hat, ist dass die Wirksamkeit oder der Schutz um die 30 Prozent liegt. Je nachdem, wo man die Studie anfangen lässt, kann sich die Wirksamkeit noch mal ein bisschen reduzieren auf 26, 4 Prozent. Aber alle Forscher sagen, darauf kommt es eigentlich nicht an. Es kommt eigentlich darauf an, dass man jetzt weiß, welche Fragen man in Zukunft beantworten muss. Also was man an der Studie schon gesehen hat, ist, dass der Impfstoff ja insgesamt sechs Mal gegeben worden ist und dass die Schutzwirkung wohl in der ersten Zeit größer war als gegen Ende. Das heißt, die Zahl der Menschen, die sich angesteckt haben, im Laufe der Zeit haben sich diese Kurven angenähert und sind nahezu parallel bewegt. Da kann man davon ausgehen, dass die Schutzwirkung also mit der Zeit nachgelassen hat. Man kann aber nicht präzise sagen, wie lange diese Kombination aus beiden Impfstoffen tatsächlich gewirkt hat. Wie überhaupt sich viele Fragen noch nicht richtig beantworten lassen. Also man kann nicht sagen: Was hat tatsächlich die Schutzwirkung vermittelt? Oder: Wie sieht das aus mit den Menschen, die sich angesteckt haben? Warum hat sich das Virus in ihnen so schnell vermehrt. Wie werden sie nicht geimpft? Also da gibt es überhaupt keine Unterschiede. Und das sind viele Fragen, die die Forscher noch beantworten müssen.
Blumenthal: Die große Frage in solch einer unklaren Situation ist ja dann vor allem: Wie geht es weiter mit diesem Kombinationsimpfstoff? Was ist dazu in Paris gesagt worden?
Winkelheide: Also man wird nicht versuchen, aus diesem Kombinationsimpfstoff einen marktreifes Produkt zu machen. Das ist ziemlich klar. Denn man darf nicht vergessen, was man in Thailand ausprobiert hat an 16.000 Freiwilligen. Das ist ein Konzept, das über zehn Jahre alt ist. Das heißt, heute hätte man ganz andere Möglichkeiten, einen Aids-Impfstoff zu konzipieren. Und man würde nicht denselben Impfstoff noch mal ausprobieren. Aber man kann die Studienergebnisse jetzt eben nutzen, ganz wichtige Fragen überhaupt zu klären. Also welche Rolle spielen zum Beispiel genetische Faktoren? Gibt es eine bestimmte Untergruppe von Menschen, die besser geschützt war als eine andere aufgrund der Gene, die sie mitbekommen haben? Welchen Unterschied macht es, mit welchen Viren die Menschen konfrontiert worden sind? Das wird man jetzt genau analysieren. Und solche Analysen, das zeigen die Erwartungen, dauern mitunter zwei Jahre und länger.
Blumenthal: Bescheidener Erfolg. Wissenschaftler schränken Fortschritt bei Aidsimpfung ein. Das war Martin Winkelheide live aus Paris von der Konferenz "Aids-Impfstoffe."