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Beschichten statt Bohren

Medizintechnik. - Seit den Zeiten des wackeren Doktor Eisenbarth hat sich in der Zahnmedizin vieles geändert, doch die Angst des vor dem Bohrer ist geblieben. Dabei arbeiten moderne Wasserstrahlturbinen nahezu berührungsfrei und mit dem Laser steht ein weiteres Hightech-Instrument zur Verfügung. Leipziger Forscher wollen jetzt zudem Plasmastrahlen einsetzen, um Zähnen zu mehr Festigkeit verhelfen oder Karies und Parodontitis zu bekämpfen.

Von Hartmut Schade |
    Angenehm klingt das Geräusch eines Zahnarztbohrers wirklich nicht. Doch die Idee Leipziger Wissenschaftler, die Turbine des Zahnarztes durch einen Plasmastrahl zu ersetzen, klingt auch nicht verlockend. Schließlich zeichnet sich der vierte Aggregatzustand dadurch aus, dass bei extrem hohen Temperaturen von mehreren tausend Grad Atome sich in positive Ionen und negativ geladene Elektronen aufspalten. Mit einem solchen Plasma, gebündelt zu einem Strahl, einem so genannten Plasmajet, bearbeiten die Wissenschaftler vom Institut für Oberflächenmodifizierung in Leipzig beispielsweise Linsen. Beim Experimentieren stellte Dr. Axel Schindler nun fest,

    " dass man diesen heißen Plasmajet auch kalt machen kann. "

    Das gelingt auf mehren Wegen. Zum einen blasen die Wissenschaftler mehr Gas durch die Düse ohne die Leistung heraufzusetzen. So werden weniger Gasatome in ein Plasma umgewandelt. Oder sie unterbrechen die Energiezufuhr einige tausend Mal in der Minute, so das immer wieder kalte Lücken im Plasmajet entstehen, die die Gesamttemperatur auf körperverträgliche 40 bis 45 Grad Celsius senken.

    " Und da lag es nahe, in der Medizin Anwendungen zu suchen, und nahe liegend war, dann auch am Zahn sich zu versuchen. "

    Den Leipziger Zahnmediziner Dr. Stefan Rupf begeisterte die Idee. Weniger die Vorstellung mit dem Plasmastrahl zu bohren, sondern weil sich mit dem Plasmajet Oberflächen beschichten lassen.

    " Der Plasmajet, der stellt uns eine Technologie zur Verfügung, wo wir unter Umständen in der Lage sein werden, Zähne prophylaktisch zu schützen, prophylaktisch zu beschichten und im Vorfeld bevor Karies entsteht, dort einzugreifen. "

    Derzeit stehen die Zahnärzte vor einem Dilemma: Sie sehen die ersten Attacken der Kariesbakterien in Form so genannter "white spots", winziger Löcher im Zahnschmelz, können sie aber nicht bekämpfen. Eine Versiegelung mit einem festen und säurebeständigen Material könnte aber diese Einfallstore für die Kariesbakterien wirkungsvoll verschließen.

    Die Oberflächenspezialisten des Leipziger Institutes haben auch schon eine Substanz dafür im Blick: Quarz. Dem Plasmastrahl mischen sie Siliziumverbindungen und Sauerstoff zu, beides reagiert und schlägt sich als dünner Quarzfilm nieder.

    " Die Quarzschicht ist sehr wenig reaktiv und sollte einem Säureangriff, wie er typisch ist für eine Plaque, etwas stabiler entgegenstehen als der Zahnschmelz. "

    Nicht nur im Kampf gegen die Karies erhofft sich Stefan Rupf Unterstützung vom Plasmastrahl. Auch bei der Parodontose könnte er helfen.

    " Der erste Ansatz kann sein, dass man die Biofilme, also die bakterielle Besiedlung des Zahnhalteapparates, des Parodontiums, dass man diese Biofilme ganz einfach verbrennt. Ganz simpel ausgedrückt. Man kann sich weiter vorstellen, dass man diese Biofilme durch Zugabe gewisser Zusätze einfach nur modifiziert, also dass man ungefährlichere Mikroorganismen mit Hilfe einer solchen Reaktion bevorzugt. Möglicherweise gelingt das. Und der andere Ansatz kann natürlich auch sein, dass man auf Wurzeloberflächen eine Schicht abscheidet, die nicht so gut geeignet ist für die bakterielle Besiedlung, dass man also dort die bakterielle Last etwas herabsetzen kann. "

    Große Hoffnungen also. Doch noch stehen die Leipziger Zahnmediziner und Oberflächenexperten am Anfang ihrer Arbeit. In drei Jahren, so rechnen sie, wird es sich zeigen, ob man Zähne mit einem Plasmastrahl beschichten kann.