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Beschichtete Gefäßstützen

Um verengte Herz-Kranz-Gefäße wieder zu erweitern, gibt es eine bewährte Methode: Ein sogenannter "Stent" wird eingesetzt. Das ist ein rohrartiges Metallgwebe, das unter dem Druck eines Ballons seinen Durchmesser erweitert. Der Stent drückt sich in die Gefässwand und erweitert sie so. Was so einfach klingt und bereits zum Alltag der Kardiologen gehört, hat manchmal unerwünschte Nebenwirkungen.

Wolfgang Noelke | 03.09.2002
    Die Maschen des Stents verletzen die innere Auskleidung des Herz-Gefäßes. Im Idealfall kommt es dadurch zu einem Heilungsprozess: der Stent wächst fest in das Gefäß ein. Bei jedem dritten Patienten aber gibt es Probleme: Das Gefäß reagiert mit heftigen Narben-Wucherungen. Neue, beschichtete Stents sollen diese Wucherungen unterbinden. Auf dem europäischen Herzkongress wurden jetzt erste Erfahrungen mit den neuartigen Gefäßstützen vorgestellt.

    Die Verletzung, die ein Stent zwangsläufig verursacht, hat manchmal ein so stark nach innen wachsendes Narbengewebe zur Folge, das schon bald nach Einsetzen des Stents das Blutgefäss erneut verschließt, welches dann durch einen neuen Stent erweitert werden muss, - oder, wenn das Wachstum der Wucherung nicht durch Beschuss mit Gamma- Strahlen verhindert wird, muss sie operativ entfernt werden. Den Stent mit einem wachstumshemmenden Medikament zu versehen, das direkt an der Verletzung wirkt – dies war die Idee, die Eberhard Gruber beschreibt, Leiter des Herzzentrums Siegburg und Professor an der Stanford University:

    Das Medikament muss nicht nur aufgebracht werden auf die Metalloberfläche, sondern sie muss sich auch halten und sie muss dann auch wieder freigesetzt werden. Das ist ein komplizierter Prozess. Deswegen bedient man sich bei einige Gefäß-Stützen einer Beschichtung, das muss man sich wie eine schwammartige Substanz vorstellen, in die diese Metallstützen eingetaucht werden und dieser "Schwamm" saugt dieses Medikament auf und gibt es dann in einer vordefinierten Form frei über die Zeit. Wir brauchen Freisetzung innerhalb der ersten 25 Tagen nach Einsetzen der Gefäß-Stütze.

    Danach wäre der Heilungsprozess soweit fortgeschritten, dass eine Narbenbildung ausgeschlossen ist. Obwohl die ersten Ergebnisse mehr als zufriedenstellend waren, gab es zunächst erhebliche Nebenwirkungen:

    Angefangen sehr früh, 1998 – und da haben wir den Beweis antreten können, dass diese Medikamente sicher in die Wand gebracht werden können und dass die Wiederverengungsrate von 36 Prozent auf unter 10 Prozent gesenkt werden konnte – Aber das war leider noch nicht die optimale Form der Freisetzung und in dieser Phase hat es Nebenwirkungen gegeben. Die reichten von Nicht-Wirksamkeit bis zu gravierenderen Nebenwirkungen – dass diese Gefäßstütze sich wieder verstopft hat, weil die medikamentöse Wirkung so stark war, dass sich Innenhaut um Metall nicht neu gebildet hat und dadurch war Metall dieser Metallstützen dem Blut ausgesetzt und das führte dann zu einer Gerinnselbildung.

    Dies ist jetzt ausgeschlossen, nachdem zwei wachstumshemmende Medikamente sich bewährt haben, die sonst zur Tumorbehandlung eingesetzt werden und zur Nieren- Transplantation:

    Das Entscheidende ist, dass Medikamente in unterschiedlichen Phasen der Zellvermehrung wirken: Das was wir als Narbengewebe oberflächlich sehen, ist Wucherungs-Gewebe und das Gewebe, das wuchert hat eine schnelle Zellteilungsrate, also eine hohe Proliferation. Das ist ablaufender Circulus auf der zellulären Ebene und in diesen unterschiedlichen Phasen, die man einteilen kann in g-0, g-1, s- und m- Phase wirken diese Medikamente an unterschiedlichen Stellen – Das ist der Charme dieser Untersuchungsserie, dass es mehrere Angriffspunkte gibt, oder dass Medikamente an unterschiedlichen Stellen wirken kann. Deswegen ist es eine sehr junge, aber ich glaube die vielversprechendste Behandlungsform für das Krankheitsbild.

    Auch die Freisetzung aus dem mit filigranen Gängen durchsetzen Metallschwamm hat sich mittlerweile an mehr als 1500 Patienten bewährt. Auch wenn die beschichteten Stents in Europa zugelassen sind und in jedem Klinikum eingesetzt werden könnten, rät Professor Grube noch ein Jahr zu warten, um eventuelle Langzeit- Nebenwirkungen auszuschließen:

    Mein Ratschlag ist, im Augenblick darauf zu bauen, dass der Arzt, der Kardiologen, der einen behandelt einen richtig berät. Ich glaube, im Augenblick ist es übertrieben, dass man einen solchen Sent für sich einfordert, sondern ich glaube, dass im Augenblick es angebracht erscheint zunächst mal in der jetzigen Form weiterzumachen, aber mit wachen Augen die nicht mehr ferne Zukunft abzuwarten, die vielleicht schon in einem halben, oder in einem dreiviertel Jahr Realität werden kann. – Insofern glaube ich, dass wir Anfang, oder Mitte des nächsten Jahres werden beschichtete Stents in grösserem Umfang eingesetzen werden , in dem Masse wie die Erfahrungen wachsen.

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