Besonderes Aufsehen erregte der Geist des Meisters, als 1989 die "Beiträge zur Philosophie" mit dem Untertitel "Vom Ereignis" erschienen. Den Text aus den Jahren 1936-38 proklamierten Verlag und Herausgeber als zweites Hauptwerk Heideggers nach dem berühmten Buch "Sein und Zeit". Mit den "Beiträgen" verläßt Heidegger die eher existentialistisch anmutende Frühphase seines Schaffens und fragt fortan nach den Grundstrukturen des abendländischen Denkens: Das Schlagwort heißt Seinsgeschichte.
Jetzt ist der zweite Band der "Unveröffentlichten Abhandlungen", der Band 66 der Gesamtausgabe unter dem Titel "Besinnung" erschienen. Der Text stammt aus den Jahren 1938/39, schließt also an die "Beiträge zur Philosophie" unmittelbar zeitlich als auch thematisch an, indem er die Frage nach der Geschichte des Denkens weiter in die aktuelle Gegenwart hinein beziehungsweise gegenüber den drängenden Problemen der Zeit fortschreibt. Die "Besinnung" betont jedoch stärker als die "Beiträge" die Thematik von Technik, Macht und Geschichte.
Dies reicht in Bemerkungen hinein, die sich 1939 nur noch auf den Nationalsozialismus beziehen können, die zwar sicherlich nicht als Widerstand gelesen werden dürfen - der Text blieb schließlich damals unveröffentlicht -, die aber nach den Sympathien in den frühen dreißiger Jahren von einer deutlichen Distanzierung Heideggers vom Hitlerregime in den späten Dreißigern künden.
Einer der Gründe dafür ist 1938 sicherlich der technizistische Modernismus, den Heidegger gegenüber dem Hang zur Bodenständigkeit und zur Tradition im Nationalsozialismus Überhand nehmen sieht. Stärker als in den Schriften der technikphilosophischen Spätphase nach dem 2. Weltkrieg betont die "Besinnung" die Destruktivität der technischen Entwicklung, die sie explizit mit politischer Gewalttätigkeit im Begriff der Machenschaft verbindet. Vernichtungswille steigert sich in schrankenlose Verwüstung, die nicht nur Bestehendes zerstört, sondern zukünftigen Neuanfang unmöglich werden läßt - eine treffende Vorahnung dessen, was Europa 1938 bevorstand.
Der Totalitarismus erscheint Heidegger als borniertes Wirklichkeitsverständnis, das keine andere Auffassung neben sich duldet. Den Imperialismus kritisiert er als arrogant und selbstherrlich, der es nicht versteht, sich konsensfähig und geduldig den geschichtlichen Gegebenheiten anzupassen. Daher braucht das "Machtwesen", so Heidegger, im Zeitalter technologischer Machenschaft einen planetarischen Gegner, dem es sich angeblich heroisch entgegenstellt, um dabei bloß das eigene gewalttätige und die Wahrheit verdrängende Verhalten vergessen zu machen - eine Analyse des Antisemitismus, des Kommunismus wie des Antikommunismus.
Der Totalitarismus aber setzt sich weder mit sich selbst noch mit der Machenschaft als technischem Wahn auseinander, fragt nicht nach Herkunft, sucht keine Besinnung und vermeidet derart die wirklich drängenden Entscheidungen darüber, wohin man dem Fortschritt folgen will. Heidegger schreibt: "Deshalb bedienen sich alle Machthaber gern der ihnen gemäßen ‘Jugend’, weil diese die erforderliche Unwissenheit mitbringt, die jene Ehrfurchtslosigkeit und Verehrungsunkraft verbürgt, die nötig ist, um die geplante Zerstörung im Schein des Aufbruchs durchzuführen und dabei allen Entscheidungen auszuweichen."
Die Thematik Technik-Macht-Geschichte steht im Zentrum der "Besinnung". In seinem Spätwerk konzentriert sich Heidegger stärker auf das Verhältnis von Technik, Sprache und Denken. Das klingt allerdings bereits mit dem Titel "Besinnung" an. Die moderne Technik ist kein Produkt der letzten Jahrhunderte. Vielmehr wurzelt sie in der Tradition des abendländischen Denkens seit Platon. Das von Heidegger so bezeichnete metaphysische Denken stellt sich die Welt entweder im Sinne von Mitteln und Zwecken oder kausal als Ursache-Wirkungszusammenhänge vor. Derart betrachtet erscheint die Welt beherrschbar. Sie erscheint als Machenschaft.
Über die Welt anders nachzudenken, beispielsweise in der Sprache der Dichtung oder selbstreflexiv beziehungsweise besinnlich, gilt als nicht besonders einträglich. Die Frage nach dem Sinn von Sein, was die Sprache besagt, wenn der Mensch spricht, dergleichen wird sowenig bei Platon wie im modernen technischen Denken gefragt. Denken als Frage, als Thema, bringt Heideggers "Besinnung" auf den Weg, auf dem im Spätwerk die philosophische Grundfrage "Was sollen wir tun?" durch die Frage "Wie sollen wir denken?" ersetzt wird: Abschied von der technischen Handlungsbesessenheit.
Die Besinnung entfaltet systematisch sowohl den Begriff der Metaphysik als auch den Begriff der Seinsgeschichte vor dem Hintergrund der drängenden Probleme der Gegenwart. Das Verhältnis von Mensch, Welt und Göttlichem offenbart in noch stärkerem Maße als in den Beiträgen seinen ereignishaften Charakter. Seinsgeschichtlich betrachtet, zeigt sich dem Menschen das, was ist, nicht mehr in seiner Stabilität und Beständigkeit. Selbst das Göttliche ereignet sich statt dessen eher blitzlichtartig, schwankend, wechselhaft, ist kein stabiler Grund der Welt mehr, offenbart vielmehr deren abgründige Bodenlosigkeit. Die "Besinnung" setzt dabei jene Grundtendenz von Heideggers Werk fort, dem orientierungslos gewordenen modernen Menschen im Denken einen Weg zu einer neuen Heimstatt zu eröffnen.
Jetzt ist der zweite Band der "Unveröffentlichten Abhandlungen", der Band 66 der Gesamtausgabe unter dem Titel "Besinnung" erschienen. Der Text stammt aus den Jahren 1938/39, schließt also an die "Beiträge zur Philosophie" unmittelbar zeitlich als auch thematisch an, indem er die Frage nach der Geschichte des Denkens weiter in die aktuelle Gegenwart hinein beziehungsweise gegenüber den drängenden Problemen der Zeit fortschreibt. Die "Besinnung" betont jedoch stärker als die "Beiträge" die Thematik von Technik, Macht und Geschichte.
Dies reicht in Bemerkungen hinein, die sich 1939 nur noch auf den Nationalsozialismus beziehen können, die zwar sicherlich nicht als Widerstand gelesen werden dürfen - der Text blieb schließlich damals unveröffentlicht -, die aber nach den Sympathien in den frühen dreißiger Jahren von einer deutlichen Distanzierung Heideggers vom Hitlerregime in den späten Dreißigern künden.
Einer der Gründe dafür ist 1938 sicherlich der technizistische Modernismus, den Heidegger gegenüber dem Hang zur Bodenständigkeit und zur Tradition im Nationalsozialismus Überhand nehmen sieht. Stärker als in den Schriften der technikphilosophischen Spätphase nach dem 2. Weltkrieg betont die "Besinnung" die Destruktivität der technischen Entwicklung, die sie explizit mit politischer Gewalttätigkeit im Begriff der Machenschaft verbindet. Vernichtungswille steigert sich in schrankenlose Verwüstung, die nicht nur Bestehendes zerstört, sondern zukünftigen Neuanfang unmöglich werden läßt - eine treffende Vorahnung dessen, was Europa 1938 bevorstand.
Der Totalitarismus erscheint Heidegger als borniertes Wirklichkeitsverständnis, das keine andere Auffassung neben sich duldet. Den Imperialismus kritisiert er als arrogant und selbstherrlich, der es nicht versteht, sich konsensfähig und geduldig den geschichtlichen Gegebenheiten anzupassen. Daher braucht das "Machtwesen", so Heidegger, im Zeitalter technologischer Machenschaft einen planetarischen Gegner, dem es sich angeblich heroisch entgegenstellt, um dabei bloß das eigene gewalttätige und die Wahrheit verdrängende Verhalten vergessen zu machen - eine Analyse des Antisemitismus, des Kommunismus wie des Antikommunismus.
Der Totalitarismus aber setzt sich weder mit sich selbst noch mit der Machenschaft als technischem Wahn auseinander, fragt nicht nach Herkunft, sucht keine Besinnung und vermeidet derart die wirklich drängenden Entscheidungen darüber, wohin man dem Fortschritt folgen will. Heidegger schreibt: "Deshalb bedienen sich alle Machthaber gern der ihnen gemäßen ‘Jugend’, weil diese die erforderliche Unwissenheit mitbringt, die jene Ehrfurchtslosigkeit und Verehrungsunkraft verbürgt, die nötig ist, um die geplante Zerstörung im Schein des Aufbruchs durchzuführen und dabei allen Entscheidungen auszuweichen."
Die Thematik Technik-Macht-Geschichte steht im Zentrum der "Besinnung". In seinem Spätwerk konzentriert sich Heidegger stärker auf das Verhältnis von Technik, Sprache und Denken. Das klingt allerdings bereits mit dem Titel "Besinnung" an. Die moderne Technik ist kein Produkt der letzten Jahrhunderte. Vielmehr wurzelt sie in der Tradition des abendländischen Denkens seit Platon. Das von Heidegger so bezeichnete metaphysische Denken stellt sich die Welt entweder im Sinne von Mitteln und Zwecken oder kausal als Ursache-Wirkungszusammenhänge vor. Derart betrachtet erscheint die Welt beherrschbar. Sie erscheint als Machenschaft.
Über die Welt anders nachzudenken, beispielsweise in der Sprache der Dichtung oder selbstreflexiv beziehungsweise besinnlich, gilt als nicht besonders einträglich. Die Frage nach dem Sinn von Sein, was die Sprache besagt, wenn der Mensch spricht, dergleichen wird sowenig bei Platon wie im modernen technischen Denken gefragt. Denken als Frage, als Thema, bringt Heideggers "Besinnung" auf den Weg, auf dem im Spätwerk die philosophische Grundfrage "Was sollen wir tun?" durch die Frage "Wie sollen wir denken?" ersetzt wird: Abschied von der technischen Handlungsbesessenheit.
Die Besinnung entfaltet systematisch sowohl den Begriff der Metaphysik als auch den Begriff der Seinsgeschichte vor dem Hintergrund der drängenden Probleme der Gegenwart. Das Verhältnis von Mensch, Welt und Göttlichem offenbart in noch stärkerem Maße als in den Beiträgen seinen ereignishaften Charakter. Seinsgeschichtlich betrachtet, zeigt sich dem Menschen das, was ist, nicht mehr in seiner Stabilität und Beständigkeit. Selbst das Göttliche ereignet sich statt dessen eher blitzlichtartig, schwankend, wechselhaft, ist kein stabiler Grund der Welt mehr, offenbart vielmehr deren abgründige Bodenlosigkeit. Die "Besinnung" setzt dabei jene Grundtendenz von Heideggers Werk fort, dem orientierungslos gewordenen modernen Menschen im Denken einen Weg zu einer neuen Heimstatt zu eröffnen.