Freitag, 19. April 2024

Archiv


Besser als Gentechnik?

Agrartechnik. – Um den Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung zu stillen, müssen die Pflanzenzüchter die Leistungsfähigkeit ihrer Gewächse wesentlich schneller steigern, als es mit herkömmlichen Techniken und selbst mit der Gentechnik möglich ist. Ein kanadischer Forscher glaubt jetzt, die Arbeit beschleunigen zu können - und zwar ohne Gentechnik.

Von Gabor Paal | 01.07.2008
    Der Weizen, der auf unseren Feldern wächst, soll gutes Mehl liefern, hohe Erträge bieten und dann auch noch robust sein. Die klassische Pflanzenzüchtung geht der Reihe nach vor: erst wird in eine ertragreiche Sorte eine Resistenz gegen Pilze eingekreuzt, dann eine gegen Viren und Trockenstress. Und so dauert es in der Regel mehrere Jahre, bis eine solche neue Sorte das Labor verlässt. Doch das ist nicht das einzige Problem. Denn die für die jeweiligen Eigenschaften zuständigen Gene wechselwirken miteinander, Und so können durch neue Kreuzungen alte Eigenschaften zunichte gemacht werden.

    "Die Lehrbücher sagen: So und so erzeugst Du Pflanzen, die gegen eine bestimmte Krankheit resistent sind","

    meint der Pflanzenzüchter André Comeau vom kanadischen Landwirtschaftsinstitut Agriculture and Agri-Food,

    ""was die Lehrbücher nicht sagen: Du gibst der Krankheit eine Resistenz, aber zusätzlich ein halbes Dutzend neuer Probleme. Ich habe das selbst erlebt: wir haben mal pilzresistente Pflanzen entwickelt, aber die haben dafür dann so flache Wurzeln bekommen, dass die Züchter gesagt haben, sie können damit nichts anfangen."

    André Comeau hat deshalb einen neuen Weg ausprobiert. Er wollte schädlingsresistenten Weizen erzeugen. Aber statt zu versuchen den Sorten eine Resistenz nach der anderen einzukreuzen ist er ein Risiko eingegangen: er hat die neu gekreuzten Pflanzen gleich in der ersten Generation allen relevanten Schädlingen ausgesetzt, die gerade im Osten Kanadas grassierten. Comeau:

    "Das war schon riskant, wir haben zusätzlich zu den Viren ein paar Pilzerreger dazu gegeben. Den Schimmelpilz Fusarium, Rosterreger, Mehltau und andere. Allein schon der Fusariumpilz hätte gut die ganze Pflanzung vernichten können. Aber wir haben es probiert. Es gingen tatsächlich fast alle Pflanzen kaputt, aber ein paar wenige haben überlebt, und immerhin eine – eine von 10.000 hat sich als resistent erwiesen gegen alle Krankheiten Ost-Kanadas. Das war im Jahr 2003, und diese Pflanze ist jetzt die Mutterpflanze von zwei Dritteln des Getreides, mit dem wir heute weiter arbeiten. Und wie mir Züchter bestätigt haben, diese eine Pflanze taugt ihrerseits bereits als Sorte, die man anbauen könnte."

    Mit seiner Methode, so André Comeau, war er fünf Mal schneller als mit den konventionellen Verfahren. Bislang hat er auf diese Weise ausschließlich Pflanzen resistent gegen Schaderreger gemacht. Doch kürzlich ist er nach Syrien gereist, ans Internationale Agrarforschungszentrum für die Trockengebiete. Mit den Forschern dort möchte er testen, ob sich das Verfahren auch eignet, um dürreresistente Sorten zu züchten. Michael Baum, ein deutscher Biotechnologe am Forschungszentrum, hält viel von Comeaus Ansatz, denn dürreresistente Getreidesorten sind natürlich im Nahen Osten sehr begehrt.

    "Das ist sehr vielversprechend, Fusarium ist ein pilzlicher Krankheitserreger der die Wurzel befällt und der zu einer Verstopfung des Wasserleitungssystems führt. Zwar ist es eine pilzliche Erkrankung, aber die Symptome sind sehr ähnlich wie Trockenheitsschäden, wenn sich das auch übertragen lässt auf abiotische Stresse wie Trockenheit, Kälte, Hitze, Salztoleranz, dann wäre das sehr interessant für unsere Bereiche hier."

    An dürreresistenten Pflanzen arbeiten längst auch Gentechniker.
    Nach herbizidresistentem Soja und Raps und schädlingsresistentem Mais und Baumwolle ist das Züchten dürreresistenter Pflanzen im Grunde die nächste anvisierte Etappe der sogenannten Grünen Gentechnik. André Comeau ist jedoch überzeugt: Die Möglichkeiten der klassischen, nicht-gentechnischen Pflanzenzüchtung sind noch längst nicht ausgereizt. Comeau:

    "Trockenheit ist eine sehr komplexe Eigenschaft, die mit vielen Faktoren und somit auch vielen Genen zusammenhängt, da gibt es nicht ein Gen dafür, sondern hier spielen viele Gene eine Rolle, die miteinander wechselwirken. Ich bin ja offen, wenn mir die Gentechniker das Gegenteil beweisen, aber ich meine, ich kann schneller und zehn bis hundertmal billiger zum gleichen Ziel kommen."