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Besser eingestellte Kinder

Eine Insulinpumpe hilft, Unterzuckerung zu vermeiden. Laut einer australischen Studie ist sie längerfristig auch mit einer günstigeren Blutzuckereinstellung verbunden. Auch in Deutschland setzen Ärzte bei zuckerkranken Kindern vermehrt auf die Pumptherapie.

Von Michael Engel | 27.08.2013
    Ja, ich hatte Ihnen gesagt, dass ich Ihnen ja auch noch mal eine andere Möglichkeit der Insulinbehandlung zeigen wollte, nämlich die Insulinpumpe. Hier ist also so eine Pumpe. Sie sehen …

    Martin Enders, Oberarzt im Kinderzentrum des Klinikum Hildesheim, erklärt der Mutter eines zuckerkranken Kindes die Vorzüge der Insulinpumpe. Im Gegensatz zur Spritzentherapie, so der Experte, erspart man dem Nachwuchs viele schmerzhafte Piekse am Tag:

    "Weil die Nadel des Katheters zwei bis drei Tage am Stück liegen bleibt und man sie dann erst wechseln muss."

    Anders als bei der konventionellen Insulintherapie mit Pen oder Spritze kann man mit der Pumpentherapie die natürliche Insulinausschüttung besser nachahmen.

    "Da ist man sehr viel näher an der Natur dran."

    Denn die Pumpe injiziert das Insulin in Abständen von nur wenigen Minuten – abhängig vom individuellen Bedarf.

    "… und das kann man eben mit der Insulinpumpe doch noch sehr viel besser imitieren"

    Allerdings muss die Apparatur - auch nachts – immer am Körper getragen werden. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Handy. Hinzu kommt ein dünner Schlauch, der zu einer fixierten Nadel am Bauch führt. Timea Szentesi – Mutter eines zweieinhalbjährigen, lebhaften Sohnes mit Typ 1 Diabetes – hatte da so ihre Bedenken.

    "Und ich habe gesagt: Er wird es nicht akzeptieren. Entweder gar nicht. Oder recht spät. Positive Enttäuschung: Er hat die Pumpe bekommen, und er hat es so angenommen, als hätte er ein Brötchen bekommen."

    Von den 12 Kindern, die in diesem Jahr wegen Typ-1-Diabetes neu im Klinikum Hildesheim versorgt wurden, erhielten sieben eine Insulinpumpe. Knapp 60 Prozent. Diese Zahl wird auch im Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover genannt. Mit mehr als 700 Patienten ist "die Bult" das größte Diabeteszentrum für Kinder in Deutschland. Prof. Thomas Danne setzt die Pumpe schon im Krabbelalter ein:

    "Gerade kleine Kinder fummeln an der Pumpe gar nicht rum. Sie wissen, das gehört zu ihnen, da fassen nur die Eltern dran. Es gibt natürlich auch eine Pumpensperre. Gerade die Eltern lieben die Flexibilität. Im Kindergarten ist es viel einfacher, mal auf den Knopf in der Pumpe zu drücken als eine zusätzliche Insulinspritze zu geben. Denn viele Kindergärtner haben berechtigterweise ganz schön Respekt davor, eine Spritze zu setzen, aber nicht so sehr auf den Knopf zu drücken …"

    Weniger Stress für alle Beteiligten. Und besser eingestellte Patienten, weil die Pumpen eine Feinjustierung der Insulinabgabe – selbst bei kleinsten Zwischenmahlzeiten ermöglichen, so Thomas Danne aus Hannover. Jedoch: Auch die Insulinpumpen ersparen nicht das Messen des Blutzuckers – und spätestens dann pikst es eben doch. Bisher jedenfalls:

    "Es gibt inzwischen Insulinpumpen, die mit sogenannten Glucosesensoren kombiniert werden können. Das sind Zuckermesser, die man sich unter die Haut legt, und die dann so programmiert werden können, dass sie die Pumpe dann für eine bestimmte Zeit abschalten. Dass also kein Insulin mehr gegeben wird, wenn die Unterzuckerung droht. Und wir haben hier im Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult im sogenannten Dream-Projekt mit Israel und Slowenien sehr, sehr gute Erfahrungen gehabt, die wir auch kürzlich veröffentlicht haben."

    Dieser"Closed Loop" – der geschlossene Regelkreis – könnte die Insulintherapie weiter vereinfachen. In Kürze – so Professor Danne - könnte das System bald in die Regelversorgung gehen. Mit 12 Euro am Tag ist die Pumpentherapie doppelt so teuer wie die konventionelle Variante mit Spritze oder Pen. Krankenkassen müssen das auf Antrag genehmigen. Und sie tun das auch problemlos – bei Kindern. Kontraindikationen für die Pumpe gibt es nur wenige: Kampfsportarten oder die erste Liebe. Gerade jugendliche Diabetiker wechseln dann häufig zur Spritze, aus Angst, die Pumpe könnte entdeckt werden.

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