Archiv


Bessere Chancen in der EU

An deutschen Universitäten herrscht schon lange internationaler Flair. Allein 12.000 Bulgaren studierten vor einem Jahr in Deutschland. Sie stellen damit die drittgrößte Gruppe ausländischer Studenten - nach Chinesen und Polen. Neben einer weiteren Sprache lockt vor allem der Kontakt zu europäischen Ländern und die besseren Konditionen an die Hochschulen der EU-Länder.

Von Jan Sackstetter |
    Bogdana Sotirova kam vor 7 Monaten zum Studium nach Deutschland, weil sie vor allem Deutsch lernen wollte.

    " Es gibt seit zwei, drei Jahren viele deutsche Unternehmen, die nach Bulgarien kommen. Und ich habe Arbeit gesucht dort vor einem Jahr und ich habe gesehen, dass es gibt viele Firmen, die Leute mit deutsche Sprache nehmen wollen. "

    Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bulgarien und Deutschland sind enger geworden. Deutschland ist inzwischen der wichtigste Außenhandelspartner von Bulgarien. Bulgarische Studenten wie Bogdana Sotirova reagieren auf diese Entwicklung. Die 26Jährige hat in Bulgarien bereits ihren Bachelor in Wirtschaftswissenschaften gemacht. In Wuppertal möchte sie nun den Master machen. Ihre Studienzeit in Bulgarien bewertet Bogdana Sotirova heute zum Teil etwas kritisch.

    " Manchmal war das Studium ein bisschen altmodisch, die Professoren waren alt und sie haben alte Methoden. Und wir haben zuviel Theorie, nicht so viel Praktik gemacht. Aber es gibt kein Geld für mehr Professoren zu finden und das Studium interessanter zu machen oder praktischer zu machen. "

    Martina Schulze kann diese Diagnose nur bestätigen. Sie ist Referatsleiterin für Südosteuropa beim Deutschen Akademischen Austausch Dienst. Die bulgarischen Hochschulen stecken in der Krise. Auch deshalb studieren viele Bulgaren in Deutschland.
    Eine Ursache der bulgarischen Hochschulmisere ist das hohe Alter der Professoren.
    Im Jahr 2003 waren fast 40% über 65 Jahre alt. Martina Schulze meint, das wirke sich teilweise negativ auf die Qualität der Lehre aus, und zwar.

    " In dem ganzen Bereich der Fächer, die für diese Transformationsländer ganz neu waren. Also Wirtschaft, so wie der Westen es damals und heute versteht, für Recht. Da dominiert immer noch diejenige Gruppe von Professoren, die ihre Ausbildung in einem sozialistischen System hatten. "

    Die bulgarischen Hochschulen haben an Reputation eingebüßt im eigenen Land. Einen sehr guten Ruf hat dort hingegen die deutsche Hochschulausbildung. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia gibt es eine deutschsprachige Fakultät. Ihre Absolventen sind sehr gefragt bei der bulgarischen Wirtschaft, weiß Martina Schulze.

    " Weil sie nach deutschen Studienplänen dort unterrichten und weil ganz bestimmte Schlüsselqualifikationen unterrichtet werden: wissenschaftliches Arbeiten, Managementstrategien und so weiter, die im Lande nicht so verbreitet sind. Weil das System ein anderes ist. Das Ausbildungssystem ist verschulter und die Leute werden weniger an das selbständige Arbeiten heran geführt. Das braucht aber ein Unternehmer nicht so gut. Wenn er erfolgreich sein will, braucht er mitdenkende, versierte Manager oder Mitarbeiter. "

    Junge Bulgaren können ihre Berufschancen also wesentlich verbessern, wenn sie
    an einer deutschen Fakultät in Bulgarien oder an einer Hochschule in Deutschland studieren. Auch für die 22jährige Marina Stoimenova hat diese Überlegung eine Rolle gespielt. Sie kam außerdem zum Studium nach Deutschland:

    " Weil ich fünf Jahre lang an einem deutschen Gymnasium gelernt habe. Und da ich da die Chance bekommen habe, deutsches Abitur zu erwerben, war für mich natürlich auch viel leichter, nach Deutschland zu kommen und zu studieren. "

    Ebenso wie Marina Stoimenova können viele bulgarische Studenten schon gut Deutsch, wenn sie zum Studieren hierher kommen. Deutsch zu lernen hat in Bulgarien Tradition. Vor der Wende unterrichteten viele Auslandsschullehrer aus der DDR in Bulgarien. Heute ist Deutsch die zweitwichtigste Fremdsprache nach Englisch.

    Eine weitere Ursache für das starke Interesse junger Bulgaren an einem Studium in Deutschland - neben den anderen: den zunehmenden Wirtschaftskontakten zwischen Bulgarien und Deutschland, der Krise der bulgarischen Hochschulen, dem guten Ruf der deutschen Universitätsausbildung. Marina Stoimenova kann es sich gut vorstellen, nach ihrem Abschluss in circa zwei Jahren in ihrem Heimatland zu arbeiten. Dass Bulgarien in diesem Zeitraum womöglich gerade der Europäischen Union beitritt, schreckt sie nicht. Im Gegenteil:

    " Weil in solcher Phase werden – so denke ich mir zumindest – Leute gesucht, die schon gute Beziehungen aufgebaut, Kontakte mit EU-Staaten haben. "