Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Bessere Lehrer für Hauptschulen

Ausgerechnet im Freistaat Bayern, in dem bereits 40 Prozent aller Hauptschulen dicht gemacht wurden oder im kommenden Schuljahr geschlossen werden, will eine Universität erreichen, dass die Hauptschule ein attraktiverer Lern- und Lebensort für Schüler wird. Die Hochschule in Erlangen-Nürnberg startete einen Modellversuch, bei dem die künftigen Lehrer besser als bisher auf die schwierigen Aufgaben des Unterrichts und der Erziehung in der Hauptschule vorbereitet werden sollen.

Von Nino Ketschagmadse | 12.11.2008
    Dieter Poschardt: "Wenn die Hauptschule abgeschafft wird und zugleich alle Kinder verschwinden würden, dann wäre das überhaupt kein Problem. Diese Kinder, die belastet sind, die besondere Förderung brauchen, wird es aber immer geben, und für diese Kinder wird egal wie die Schule heißt, immer ein bestimmter Typ von Lehrerinnen und Lehrern notwendig sein. Und genau diesen Typ möchten wir hier ausbilden."

    Anderthalb Jahre lang hat Dieter Poschardt, ein ehemaliger Hauptschulrektor und heute zuständig für die Studienberatung an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg den Modellversuch "Lehrerbildung Hauptschule Nürnberg 2011" vorbereitet. Viel früher als bisher sollen die Studierenden Erfahrungen mit Kindern sammeln können. Die bisherige Ausbildung für das Lehramt an Hauptschulen biete relativ wenige Anknüpfungsmöglichkeiten für die speziellen Herausforderungen, denen Lehrer in der Praxis gegenüberstehen, so Poschardt. Unter anderem hat er für den nun gestarteten Modellversuch einen Hauptschullehrer mit ins Boot geholt, der Drittsemestlern ohne theoretischen Überbau erklärt, wie der Alltag in der Schule oder Lehrersprechstunde aussieht. Nach den Herbstferien werden die gut 200 Studierenden ihre so genannten Patenkinder kennen lernen und unterstützen.

    "Bei den Patenschaften geht es darum, dass jeder Student für zwei Jahre insgesamt 150 Stunden lang nachweislich drei Hauptschülerinnen und Hauptschüler zu betreuen hat, ganz unterschiedliche Aufgaben dort machen kann... Er lernt so das Leben dieser Kinder kennen, lernt deren Wünsche, deren Vorstellungen kennen, und zugleich, werden diese Kinder durch sie oder ihn gecoacht. Das heißt, wir haben dort die Möglichkeit, diese Kinder zu fördern, zu ermutigen, in den lernpsychologischen Aspekten aber auch in erzieherischen und sonstigen sozialen Integrationsprozessen zu unterstützen und ihnen zu helfen."

    Poschardt träumt von jungen Lehrkräften, die nach dem ersten Examen ins Referendariat gehen und bereits sehr genau wissen, wer vor ihnen die Schulbank drückt. Die Gewissheit und die Sicherheit, einen richtigen Beruf gelernt zu haben, würde später die beachtliche Burnout-Rate bei Hauptschullehrern mindern.

    Susann, eine 20-Jährige, derzeit im dritten Semester, macht auch bei diesem Modellversuch mit - sie würde am allerliebsten die meiste Zeit in Schulen verbringen statt Theorie zu pauken:

    "Wenn man jetzt Schüler kennen lernt, wenn man die Strukturen kennen lernt, in denen die Schüler aufwachsen, in denen die Schüler lernen, kann man sich von vornherein darauf einstellen, was im Referendariat auf einen zu kommt und dann die nächsten 40 Jahre auf einen zukommt. Und ich denke, wenn man jetzt richtig daran arbeitet, hat man später viele Vorteile."

    Gemeinsam mit ihren Schützlingen werden die angehenden Lehrer außerdem ein Praktikum in einem Betrieb absolvieren, und diese so bei der Vorbereitung auf die Arbeitswelt unterstützen und zugleich den Firmen beratend zur Seite stehen, wenn es um die Frage der beruflichen Eignung geht. Bis zum Wintersemester 2010/2011, ein paar Monate bevor die ersten Absolventen des Modellversuchs in den Schulen ihre Arbeit beginnen, will die Uni Nürnberg zusätzlich einen Masterstudiengang Hauptschulpädagogik anbieten. Dort haben Studierende dann die Möglichkeit typische Sprachen von Migrantenkindern wie Russisch oder Türkisch zu lernen und mehr über die Kultur muslimischer Schüler zu erfahren.