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Bessere Lobby für den Artenschutz

Die Meere sind fast leer gefischt, Äcker versteppen, Wälder werden gerodet. Während der Klimawandel fast täglich in den Medien auftaucht, geht der Artenschwund eher leise voran. In den nächsten 50 Jahren ist ein Viertel der Säugetiere vom Aussterben bedroht. Am Umweltforschungszentrum in Leipzig haben Wissenschaftler deshalb über eine bessere Lobbyarbeit diskutiert.

Von Hartmut Schade | 04.10.2006
    Erfolg zieht Nachahmer normalerweise an. Doch der Erfolg des Klimarates "Intergovernmental Panel on Climate Change" - kurz IPCC machte die Arbeit für die Biodiversitäts-Lobby schwieriger:

    "Der IPCC ist teilweise auch erfolgreich gewesen. Was manchen Ländern gar nicht so gepasst hat. Und das ist unter Umständen auch einer der Gründe, warum in den 15 Jahren danach es nicht einen ähnlichen Mechanismus für die biologische Vielfalt gab, weil man sich nicht auf einen anderen Politikfeld die gleichen Probleme in Anführungsstrichen einhandeln wollte, die man sich im Klimabereich eingehandelt hat","

    sagt Dr. Horst Korn. Er gehört zum Pariser "Exekutivrat zur Etablierung eines internationalen Beratungsgremiums für biologische Vielfalt". Der Bandwurmtitel lässt schon ahnen, von einem so effektiven Rat wie dem Internationalen Klimarat sind die Biodiversitäts-Forscher noch weit entfernt. Doch warum braucht die Artenvielfalt gerade jetzt eine Lobby? Gibt es doch seit Jahren Rote Listen gefährdeter Tiere und Pflanzen, ebenso wie Naturschutzgesetze und Umweltrichtlinien.

    ""Das ist weniger der Blickwinkel auf die einzelne Art, sondern dass versucht wird, bestimmte Ökosysteme, bestimmte Systeme funktionsfähig zu erhalten."

    Die Weltmeere sind weitgehend leer gefischt, Äcker versteppen, Wälder werden gerodet. Für den deutschen Hunger nach ökologisch korrekter Bioenergie werden in Indonesien Moore trockengelegt, um Palmöl zu gewinnen. In Kolumbien Bauern vertrieben, um Ölpalmenplantagen anlegen zu können. Auch diese sozialen Folgen ökologischer Veränderungen haben die Biodiversitäts-Forscher im Blick. Doch diese Bandbreite an Problemen und Fragestellungen macht es für die Wissenschaftler schwer mit einer Stimme zu sprechen, urteilt der Soziologe Dr. Christoph Görg vom Leipziger Umweltforschungszentrum.

    "Es ist durchaus so, dass die Gemeinschaft der Forscher, die sich mit Biodiversität beschäftigt auch sehr heterogen, auch sehr zersplittert ist. Aber ich glaube, der Hauptpunkt ist eher, dass Biodiversität in einer Vielzahl von Bereichen unser Leben tangiert. Es ist einfach komplexer und es ist nicht so leicht eine wissenschaftliche Expertise zu bestimmten Bereichen zu bündeln."
    Doch genau das ist das Ziel des nunmehr begonnenen Prozesses. Doch was ist die effektivste Form, auf Politik und Öffentlichkeit Einfluss zu nehmen? Ein Gremium nach dem Vorbild des Weltklimarats?

    "Also es gibt andere Modelle. Ein Beispiel, das auch viel diskutiert wird, ist das "Millenium Ecosystem Assessment", das war eine globale Gesamteinschätzung der Lage quasi der Ökosysteme unserer Erde."

    Diese umfassende Bestandsaufnahme war ein gigantischer Kraftakt - 1-300 Wissenschaftler haben fast fünf Jahre daran gearbeitet. Ist das wirklich auf lange Zeit durchzuhalten?

    "Vielleicht kommt es eher darauf an, einige Teilnehmer haben zumindest mal so argumentiert, dass sich Wissenschaftler eher als Anwalt der biologischen Vielfalt direkt in den politischen Prozess einbringen. Dass sie sich Netzwerke organisieren und wirklich Lobbyarbeit treiben."

    Was nun die effektivste Form ist, darüber herrscht noch keine Einigung. Wohl aber sind schon die Bremser der gerade begonnenen Diskussion auszumachen

    "Die großen Bremser in der Klimadiskussion sind die ölexportierenden Länder und ähnliche Bremser haben wir - das sind die waldreichen Tropenländer."

    Sie sehen den Wald allein unter ökonomischen Gesichtspunkten, die Frage der Artenvielfalt, des Ökosytems Tropenwald spielt keine Rolle, sagt Dr. Horst Korn. Noch bis zum nächsten Jahr geben sich die Biodiversitäts-Forscher Zeit für Diskussionen. Dann wollen auch sie Nägel mit Köpfen machen und ein Gremium schaffen, das Politik und Öffentlichkeit für die Gefahren des Artenschwundes sensibilisiert.