Archiv


Bessere Reinigung für Klinikabwässer

Umwelt. - Wie gesetzlich vorgeschrieben entsorgen Kliniken besonders problematische flüssige wie auch feste Abfälle als Sondermüll. Bestimmte Abwässerteilströme werden vorbehandelt, bevor sie in die öffentliche Kanalisation gelangen. Kein besonderes Verfahren gab es bislang für die Toilettenabwässer der Kliniken. Dabei haben die es in sich: Einen erheblichen Teil der verabreichten Medikamente scheidet ein Patient nämlich unverändert wieder aus. So gelangen zelltötende Substanzen aus der Krebstherapie, Antibiotika oder auch Hormone in den Wasserkreislauf. Denn fatalerweise können diese Schadstoffe in herkömmlichen Kläranlagen praktisch gar nicht abgebaut werden. In einem öffentlich geförderten Forschungsprojekt will man daher jetzt das Problem "an der Wurzel", nämlich am Entstehungsort in den Kliniken angehen.

    Von Michael Gessat

    Wer sich vor dem Betreten des Labors auf üble Gerüche und unappetitliche Anblicke gefasst machte, kann dann im Inneren erleichtert aufatmen: Denn zum Glück für den Besucher arbeitet der Aufbau im Institut für Energie und Umwelttechnik nicht mit realen Toilettenabwässern. Um ihre Versuche mit genau definierten Schadstoffmengen durchführen zu können, verwenden die Duisburger eine entsprechend zubereitete, klare Testsubstanz.

    Und so könnte der Testreaktor glatt als Designer-Tischlampe durchgehen: ein Glaskolben mit sprudelnder Flüssigkeit, in der Mitte des Gefäßes eine violette Lichtquelle. Doch was hier für einen schönen Anblick sorgt, ist pure Funktionalität, wie Chemiker Jochen Türk erläutert:

    Das ist eine UV-Lampe, die ganz genau bei 54 Nanometer UV-Licht ausstrahlt, und die Kombination UV-Licht und Wasserstoffperoxyd ist für den Prozess notwendig.

    "Erweitertes Oxidationsverfahren" nennt sich die Methode, die, in großem Maßstab angewendet, bei der Verarbeitung von Industrieabwässern bereits gängige Technik ist. Die Duisburger Forscher haben das Verfahren daraufhin untersucht, wie es mit der spezifischen Schadstoff-Fracht aus Kliniktoiletten zurechtkommt und wie es sich in kleinen, dezentralen Anlagen möglichst wirtschaftlich umsetzen lässt.

    Und so funktioniert das Ganze: Beim Zusammenwirken von UV-Licht und Wasserstoffperoxyd entstehen hochreaktive Hydroxylradikale, die wiederum für eine Aufspaltung der Schadstoffmoleküle sorgen:

    Das ist nicht beschränkt auf Substanzklassen, sondern dieser Abbau ist ein Abbau von organischen Substanzen, und bei unserem Verfahren werden nicht nur Zytostatika, Antibiotika und andere Medikamente zerstört, sondern auch andere organische Inhaltsstoffe des Abwassers.

    Die Chemiker hatten ursprünglich erwartet , mit einer Zugabe von Ozon den Abbauprozess noch beschleunigen zu können. Wie sich im Laufe der Experimente herausstellte, war dies aber nicht der Fall. Jochen Türk vermutet, dass die spezifische Schadstoffzusammensetzung zu diesem Abweichen der Praxis von der Theorie führt.

    Was aber erwartungsgemäß tatsächlich einen positiven Effekt hatte, war das Anheben der Temperatur. Läuft der Prozess bei 30 Grad Celsius ab, kann innerhalb von einer Stunde ein Grossteil der gefährlichen Stoffe unschädlich gemacht werden:

    Was wir untersucht haben, ist der erste Abbau, wir haben die erste Stufe der Zerstörung untersucht, wir haben keinen Totalabbau der Substanzen. Dazu haben wir neben den chemischen Parametern noch Toxizitätsanalysen durchgeführt und haben dabei festgestellt, dass die Mutagenität und Toxizität von Toilettenabwässern um über 90 Prozent mit diesem Verfahren reduziert werden konnte. Die Stoffe, die übrig bleiben, sind unter toxikologischen Gesichtspunkten biologisch nicht mehr aktiv.

    In der nächsten Stufe des Forschungsprojekts soll eine Pilotanlage gebaut werden, die dann im Keller eines Krankenhauses die Abwässer von etwa 15 Toiletten sammeln und aufarbeiten würde. An der Pilotanlage werden die Duisburger dann auch untersuchen, wie sich die Technik auf Kosten und Wartungsaufwand hin optimiert lässt. Einen Preis hat das Ganze natürlich, aber der läge um den Faktor 1000 unter den Kosten für eine Sondermüllentsorgung, etwa durch Verbrennung. Mit der ungeregelten Einleitung in den Kliniken könnte es jedenfalls bald vorbei sein, so die Projektleiterin Thekla Kiffmeyer:

    Gewissermaßen warten die Behörden auf die Ergebnisse unseres Projektes, also hier sind auch Ministerien mit vertreten, das Umweltbundesamt - es war bisher so, dass man zwar wünscht, aus Vorsorgegründen, dass ein Eintrag vermindert wird, es aber keine dafür geeignete Technik gibt, die man vorschreiben könnte, also kann die Behördenseite auch nichts tun. Umgekehrt sagen Wirtschaft und Wissenschaft, wenn es keine Vorschriften gibt, dann wird auch nichts entwickelt, es besteht kein Bedarf. Aus dieser Klemme wollten wir heraus - das ist auch nur mit öffentlich geförderter Forschung möglich, indem wir schauen, was geht, was kostet es.

    So viel zeichnet sich schon jetzt ab: Für Kliniktoilettenabwässer ist eine technische Lösung machbar, so dass dann in absehbarer Zeit eine gesetzliche Regelung folgen dürfte. Auf die Reinigungsanlage für den privaten Haushalt wird man dagegen noch eine Weile warten müssen.