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Bessere Vorlesungen dank Handy

Fast tagtäglich können Fernsehzuschauer per Telefon oder Handy-SMS Kandidaten wählen oder ihre Stimme bei Umfragen abgegeben. Warum soll das nicht auch an einer Universität gehen - das haben sich die Mediziner der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern gefragt. Und so haben rund 60 Medizinstudenten im ersten klinischen Semester ein Handy mit einem Gebührenguthaben ausgehändigt bekommen, um damit Vorlesungen, Seminare und die praktische Ausbildung bewerten zu können.

Von Jan Meßerschmidt |
    Seit dem vergangenen Jahr verlangt die veränderte Approbationsordnung für Mediziner eine Evaluation der Lehrangebote durch die Studenten. Als die Frage entstand, wie das zu bewerkstelligen ist, geriet SMS, der Kurzmitteilungsservice von Mobilfunkanbietern, in den Blick der Greifswalder Mediziner. Vor allem junge Leute haben ihr Mobil-Telefon fast immer bei sich. Auch Medizinstudenten. Das erklärt Professor Bernd Kordaß. Er hat als stellvertretender Studiendekan das Projekt Lehr-Evaluation per SMS geleitet.

    Entscheidender Grund war, dass wir mit der Umsetzung der Approbationsordnung in Greifswald begonnen haben und dass die Umsetzung völlig andere Strukturen in der Aufgestaltung, Organisation von Seminaren, Vorlesungsveranstaltungen mit sich bringt. Wir brauchten ein Instrumentarium, das uns sehr schnell und sehr zeitnah die Möglichkeit gegeben hat, zu schauen, ob etwas funktioniert oder möglicherweise nicht funktioniert. Das Handy-Instrumentarium bot nun die Möglichkeit, sofort im Anschluss am nächsten Tag die Bewertung der Veranstaltung nachvollziehen zu können.

    Der Zahnarzt und Computerexperte Christian Gärtner hat daraufhin die Software geschrieben; beinahe in Rekordzeit wie er sagt. Er zeigt mir eine Broschüre. Darin sind die Standardisierten Fragen zu den Lehrangeboten. Die Studenten könnten dann jeweils zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten entscheiden. Anschließend würden sie den jeweiligen Antwortcode über die Tastatur in ihr Handy eingeben und abschicken.

    Da passiert folgendes. Diese SMS wird in diesem Falle an die Telekom geschickt. Die Telekom setzt das um als E-Mail und diese sendet sie wiederum an uns oder der Server holt diese E-Mail ab, analysiert den Inhalt, trennt die Spreu vom Weizen, und man sieht sofort das Ergebnis der jeweiligen Evaluation.

    Bereits nach wenigen Minuten erscheinen die Daten als grüne oder rote Balken auf den Internetseiten des Dekanats. Rot zeigt dabei an, dass die Studenten mit bestimmten Ausbildungsabschnitten nicht so ganz zu frieden waren.

    Studiendekan Professor Claus-Dieter Heidecke erklärt die Vorteile dieser Form der Bewertung.

    Dadurch, dass diese Voten, wenn man so will, jetzt regelmäßig und praktisch nach jeder einzelnen Veranstaltung kommen, kann man eben als Lehrender sofort sehen, wo man schlecht liegt. Wenn ich merke, es kommt nicht gut, kann ich mich natürlich, weil ich die Rückmeldung sofort habe, auch entsprechend schnell umstellen und ein verbessertes Lehrangebot machen.

    Die Studenten des ersten Klinischen Semesters waren zwar etwas überrascht, dass sie ihre Dozenten per Handy bewerten sollten, aber immerhin haben sie 1600 mal auf die Sendetaste gedrückt, um eine standardisierte SMS abzuschicken. Auch Student Christoph Budde hat es so gemacht:

    Das ist ein neuer Weg, und die meisten Studenten standen dem aufgeschlossen gegenüber. Das Gefühl ist einfach so, dass man jetzt von einer wirklich großen Masse von Studenten gezeigt bekommen hat, wie die Veranstaltung nun war, ob sie gut war, ob sie schlecht war, ob sie besser geworden ist und dass man so eine Möglichkeit hat, auf die Professoren, die Dozenten einzuwirken. Das fanden wir einfach positiver.

    Die Greifswalder Mediziner sehen sogar die Möglichkeit, das von ihnen entwickelte System auch auf andere Gebiete auszudehnen. Professor Claus-Dieter Heidecke:

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass man im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen sich auch gleichermaßen evaluieren lassen kann. Das andere ist, dass wir vielleicht in Zukunft auch die Klausuren, die Leistungsprüfungen handygestützt machen, weil wir dort - aufbauend auf einem Fall - Fragen formulieren, die dann den Studenten in die Tiefe führen.

    Nach den positiven Erfahrungen aus dem Pilotversuch, will die medizinische Fakultät ab dem kommenden Semester das Bewertungssystem per SMS für fast alle Studenten einführen.

    Für andere Universitäten könnte die Lösung aus dem äußersten Nordosten Deutschlands durchaus schon allein aus technischen Gründen interessant sein. Letztlich muss in jedem Computernetz in der Regel nur die Software frei geschaltet werden.