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Besserer Reiswein dank Ultraschall

Technik. - Mithilfe von Ultraschall können Mediziner in den Mutterleib schauen oder Ingenieure die Räder eines ICE untersuchen. Seit einiger Zeit versuchen Forscher ganz gezielt, auch die Energie zu nutzen, die in Ultraschallwellen steckt.

Von Hellmuth Nordwig |
    Erst Aufnahmen unter einem Videomikroskop brachten den Beweis: Erzeugt man Ultraschall im Inneren einer Flüssigkeit, so lassen die Vibrationen winzige Bläschen entstehen. In deren Inneren ist es so heiß wie an der Oberfläche der Sonne. Platzen sie, wird die Flüssigkeit hineingepresst - mit einer Wucht, die mehrere Hundert Mal stärker ist als die Erdanziehung. Viele Moleküle halten dieser mechanischen Belastung nicht Stand und zerreißen - zu sogenannten Radikalen, ganz besonders reaktionsfreudigen Teilchen. Professor Timothy Mason von der Universität Coventry.

    "Ultraschall erzeugt diese Radikale, ohne dass Sie eigens Chemikalien zugeben müssen. Das kann man bei der Kunststoffherstellung nutzen: Dort brauchen Sie keine sogenannten Initiatoren zuzugeben; Ultraschall genügt. Oder nehmen Sie Nanoteilchen: Die kann man mit mehreren Verfahren herstellen. Auch das geht mit Ultraschall besser: Es entstehen noch kleinere Partikel."

    Das sind nur zwei neue Anwendungen in der Ultraschallchemie. An der englischen Universität widmet sich ein eigenes Zentrum diesem Forschungszweig. Die Wissenschaftler untersuchen dort auch, was passiert, wenn die winzigen Bläschen in der Nähe einer Oberfläche platzen, etwa einer Metallschicht. Dass jeglicher Schmutz auf der Fläche dabei weggesprüht wird, ist bekannt und wird in der Praxis längst genutzt. Nun kommt die Oberflächen-Chemie dazu.

    "Immer wenn es darauf ankommt, dass Moleküle aus einer Flüssigkeit an eine Oberfläche wandern, ist Ultraschall eine Unterstützung. Etwa im gesamten Bereich der Katalyse. Oder bei allen Galvanisierprozessen oder der elektrochemischen Analyse. Das ist ein sehr weites Anwendungsfeld."

    Der Wissenschaftler hat mit vielen Beispielen gezeigt, dass Ultraschall in der Chemie eine umweltfreundliche und kostengünstige Alternative zu Hitze unter Druck sein kann. Aber - was ihn enttäuscht: Die Chemieindustrie nimmt das kaum zur Kenntnis. Von einigen kleinen, innovativen Firmen abgesehen.

    "Viele Unternehmen bleiben lieber bei ihren eingespielten Systemen. Sie haben ihre Reaktoren und ihre bewährten Prozesse. Solche Betriebe sind etwas zurückhaltend, was Veränderungen angeht - um es mal so freundlich wie möglich auszudrücken."

    Am Forschungszentrum der Universität Coventry verfolgt der Gentleman auch andere neue Anwendungen des Ultraschalls. So können in der Medizin bestimmte Tumore durch besonders energiereiche Ultraschallwellen geradezu verschmort werden. Diese werden dabei mit einer Linse auf den Tumor gebündelt - auf einen Punkt nach dem anderen, maschinengesteuert und hochpräzise. Zum Beispiel bei Prostatakrebs. Der Urologe Dr. Stefan Thüroff vom Klinikum München-Harlaching berichtet:

    "Dass eine solche Prostata in etwa zwei Stunden verschweißt wird, verbrannt, wenn Sie so wollen. Insgesamt werden etwa 600 bis 650 einzelne Verbrennungen oder Schüsse gesetzt. Jeder dieser Schüsse dauert etwa fünf Sekunden, und zwischen zwei Schüssen ist jeweils eine Pause von fünf Sekunden. Die Bewegung des Kopfes, der Schuss neben Schuss setzt, Schicht um Schicht in einer Dicke von 1,7 Millimetern, wird von dem Computer, von dem Roboter letztlich durchgeführt."

    Der Krebs kehrt dabei nicht häufiger zurück, als wenn die Prostata entfernt wird, was die übliche Behandlungsmethode ist. Aber - wichtig für die Patienten: Die Erektionsfähigkeit bleibt in vielen Fällen erhalten. Und die innovativste Anwendung für Ultraschall? Die kommt nach Tim Masons Meinung aus Japan: Sono Sake. Um ihn herzustellen, wird eine Ultraschallquelle direkt oberhalb des Flüssigkeitsspiegels von gewöhnlichem Reiswein platziert. Dadurch wird der Sake zu feinsten Tröpfchen versprüht, und die enthalten mehr Alkohol als zuvor - darum geht es natürlich.

    "Diese Tröpfchen werden wieder aufgefangen, und diese Flüssigkeit ist der "Sono Sake". In England würden wir sagen: Er schmeckt ungefähr so wie ein trockener Sherry. Sehr lecker."