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Besseres Management fürs knappe Nass

2050 werden mehr als fünf Milliarden Menschen in Städten leben. Doch jeder Mensch braucht Trinkwasser und verursacht Abwasser. Das Wasser muss in die Städte und wieder heraus. In Dürregebieten wird das zum Problem.

Von Agnes Bührig | 22.08.2011
    Jens Berggren hat einen Stapel Papiere vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Der Direktor der Weltwasserwoche zieht ein Foto heraus, das das Dilemma der Verstädterung anhand von Kenia deutlich macht. Kibera ist der größte Slum der afrikanischen Metropole Nairobi. Durch ein Meer aus Wellblechhütten fließt eine stinkende braune Brühe, flankiert von Bergen aus Plastikmüll und Abfällen links und rechts. Die Abwasserbewirtschaftung ist katastrophal, sagt Berggren:

    "Kibera ist bekannt für seine flying toilets, sogenannten fliegende Toiletten. Weil es keine WC's gibt, verrichtet man seine Notdurft in eine Plastiktüte. Die wirft man da weg, wo man gerade geht. Im Fall einer Überschwemmung werden diese Fäkalien dann verteilt. Mit furchtbaren Folgen für die Gesundheit der Menschen. "

    Im Jahr 2050 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten leben. Die Knappheit von Wasser wird sich weiter zuspitzen. Um zu verdeutlichen, unter welchen Bedingungen Menschen in Schwellenländern bereits heute leben, hat die Umweltorganisation WWF die Probleme von dort einmal auf Deutschland übertragen: Jeder dritte Bewohner von Berlin hätte dann keinen Wasseranschluss, Trinkwasser müsste zeitweilig über Wochen abgekocht werden, Unternehmen im Großraum Berlin-Potsdam die Produktion bei bestimmten Wetterlagen einstellen. Auch aktuelle Fragen wie die Dürre in Ostafrika und der Klimawandel sind in diesem Jahr Themen auf der Konferenz:

    "Klimaveränderungen erfahren die Menschen durch Wasser. Dass dieses Gut kein regionales Phänomen ist, zeigt die Dürrekatastrophe in Ostafrika. Sie scheint hydrologisch gesehen auch mit den Überschwemmungen in Pakistan zusammenzuhängen. Der Indische Ozean ist wärmer geworden. Die Feuchtigkeit steigt auf und regnet sich über Pakistan ab. Wenn diese Luft ihre Feuchtigkeit abgegeben hat und über Ostafrika runter kommt, entsteht Trockenheit."

    Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Der Stockholmer Wasserpreis, die wichtigste Auszeichnung der Konferenz, geht in diesem Jahr an den Süßwasserökologen Stephen R. Carpenter. Der amerikanische Professor von der Universität von Wisconsin-Madison hat die Rolle von Phosphor im Ökosystem See untersucht und welche Bedeutung das Eingreifen des Menschen hat, erklärt Berggren:

    "Wenn wir die großen Fische fischen, die die kleineren Fische fressen, verringert sich deren Population. Das hat dann Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette im Ökosystem See bis hinab auf das Niveau des Planktons, das bei der Frage der Überdüngung eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Unsere Art zu fischen, hat also auch einen Anteil an der Überdüngung. Carpenters Beitrag ist vor allem, dieses Gesamtbild zu sehen und nicht nur einen Faktor wie den Eintrag von Phosphaten aus der Landwirtschaft. "

    Die Weltwasserwoche in Stockholm gibt es schon mehr als 20 Jahre, doch erst jetzt wird auch die Erkenntnis der Industrie größer, dass der Zugang zu Wasser mehr ist als eine moralische Frage, hat Berggren beobachtet. Nicht zuletzt eine aufstrebende Nation wie China hat Wasser als möglichen Flaschenhals in der Produktion ausgemacht und das Thema weit oben auf der Agenda platziert. Ob dies Folgen hat, wird diese Woche in Stockholm diskutiert.