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Bessserer Schutz für wandernde Wasservögel

Oft blicken wir ihnen sehnsuchtvoll hinterher: den Zugvögeln - sie können gehen, und wir müssen bleiben - sie fliegen in die Wärme, und wir kratzen das Eis von der Windschutzscheibe. Gänse, Schwäne, Enten - um nur einige wandernde Vogelarten zu nennen, haben aber eine beschwerliche Reise vor sich und ob sie wiederkommen ist ungewiss: Zehntausende von Kilometern liegen zwischen ihrem Sommer- und ihrem Winterquartier. Das Wanderverhalten der einzelnen Arten ist sehr verschieden, ihre Lebensraumansprüche sind unterschiedlich und im Detail oft noch nicht erforscht. Selbst wenn in Deutschland Vogelschutzgebiete eingerichtet werden -was die Tiere nach der Landesgrenze erwartet - liegt nicht in der Macht der Tierschützer des jeweiligen Landes. Da die Natur sich allenfalls an klimatische Begrenzungen hält, aber kaum an menschgemachte Territorien, müssen die Länder im Sinne des Naturschutzes zusammenarbeiten: Nachdem gestern die UN-Konferenz zum Schutz wandernder-wildlebender Tierarten in Bonn zu Ende ging, folgt heute eine weitere, die mit der vergangenen eng verknüpft ist: Bis Freitag werden Naturschützer aus allen Teilen der Welt an einem internationalen Abkommen zum Schutz afrikanisch-eurasisch-wandernder Wasservögel (AEWA) arbeiten.

Von Dietrich Sondermann |
    Zu den 172 Arten, die das AEWA-Abkommen schützt, gehören so bekannte Vogelfamilien wie etwa die verschiedenen Gänse und Enten oder Störche und Schwäne. Aber auch Exoten wie die Pelikane oder Flamingos sind von diesem Abkommen erfasst. Diese und weitere Vogelgruppen haben eines gemeinsam: es sind Zugvögel, die auf Wasser oder Feuchtgebiete angewiesen sind. Und das nicht nur im Sommer- und im Winterquartier, sondern auch auf den teilweise sehr weiten Wegen dazwischen. Die Naturschützer hatten gute Gründe, ihnen mit AEWA einen Sonderstatus zuzuerkennen, erklärt Heiko Haupt vom Bundesamt für Naturschutz:

    Das Wasservogelabkommen will eben für diese Gruppe der Wasservögel, der wandernden Wasservögel besondere Bestimmungen erlassen, die einen besonderen Schutz dieser Arten bewirken, insbesondere hinsichtlich internationaler Zusammenarbeit. Das Abkommensgebiet ist so zugeschnitten, dass die Hauptzugrouten aller dieser Arten über den gesamten Jahreslebensraum abgedeckt sind.

    Es erstreckt sich auf Gebiete von Westasien über Afrika und Europa bis in den Norden nach Grönland und Teile Kanadas. Das erfordert eine besondere Abstimmung zwischen den Mitgliedsstaaten, die diesem Abkommen beigetreten sind. Im Vordergrund steht dabei vor allem die Erhaltung der Lebensräume in diesem gesamten Gebiet. Aber auch eine sorgfältige Beobachtung der einzelnen Arten, die in manchen Gegenden häufig erscheinen, woanders aber kaum mehr vorkommen. Dieses so genannte Monitoring kann nur in internationaler Zusammenarbeit durchgeführt werden. Erst wenn von allen Staaten verlässliche Zahlen bekannt sind, können Aussagen zum Gefährdungsgrad einer einzelnen Vogelart gemacht werden. Und nur dann können für diese Art bei Bedarf besondere Schutzmaßnahmen greifen. Gerade auf dem Zug droht vielen Vögeln Gefahr. Man denke nur an die Jagdgepflogenheiten in Frankreich oder Italien, wo selbst Singvögel noch als begehrte Beute gelten. Aber auch bei uns liegt vieles im Argen auch für die Arten, die hier geschützt sind. Verheerend wirkt sich beispielsweise die Entwässerung von Feuchtgebieten aus:

    Das soll eben nicht davon entbinden, auch hier bei uns in Deutschland aktiv zu werden und eben auch hier Maßnahmen zu ergreifen, um den zunehmenden Schwund dieser Arten, die bei uns alle auf der Roten Liste stehen - sie sind alle in ihrem Bestand gefährdet - zu stoppen und nach Möglichkeit umzukehren.

    Und auch die Jagd ist bei uns in Deutschland nach wie vor ein Problem. Im letzten Jahr gab es einen Streit zwischen Naturschützern und Jägerschaft um die Liste der Tierarten, die bei uns bejagt werden dürfen. Viele Tiere und speziell die Wasservögel, so beklagen die Naturschützer, seien im Bestand gefährdet und dürfen dennoch geschossen werden. Ein Beispiel dafür sind die verschiedenen Gänsearten, die bei uns überwintern. Scharen von vielen Tausend Vögeln am Niederrhein oder auf brandenburgischen Seen lassen leicht den Schluss zu, dass diese Arten doch keineswegs gefährdet sein können und eine Jagd bedenkenlos sei:

    In Deutschland ist es ja zurzeit so, dass auf Jagdbezirksebene entschieden wird, ob und wieviele Tiere gejagt werden. Das AEWA sieht vor, dass derartige Maßnahmen im internationalen Kontext abgestimmt werden sollen, damit eben sichergestellt ist, dass eine bestimmte Population nicht in einem brandenburgischen Jagdbezirk über Gebühr dezimiert wird, sondern dass man tatsächlich den gesamten Lebenraum einer Art über das gesamte Jahr betrachten muss.

    Ein drastisches Beispiel für dieses Problem sind die Zwerggänse, eine stark gefährdete und streng geschützte Art. Selbst für Vogelkundler ist sie schwer von der häufigeren Blässgans zu unterscheiden und kann deshalb leicht Opfer bei der Jagd werden. Diese Widersprüche zwischen dem deutschen Jagdrecht und dem Anspruch von AEWA sind in Deutschland bekannt. Die parlamentarische Staatssekrtärin im Umweltministerium, Gila Altmann, verspricht deshalb, dass die Grünen mit gestärktem Selbstvertrauen nach der gewonnenen Wahl hier Versäumtes nachholen wollen:

    Genau das wird eines der Vorhaben sein, die sich in der neuen Legislaturperiode als erstes auch anbieten, sie zu lösen, nämlich das Jagdrecht genau vor diesem Hintergrund zu novellieren. Das haben wir in der letzten Legislatur nicht mehr geschafft und da müssen wir zusammen mit dem Verbraucherschutzministerium, Abt. Landwirtschaft uns einigen, und das wird genau angepackt werden, um diese Widersprüche auch aufzulösen, weil wir natürlich einen schlechten Stand haben, wenn wir uns international für den Schutz von wandernden Tierarten stark machen und bei uns dagegen letztendlich verstoßen.