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Bestätigung des Schreckens

Auf 80 bis 95 Prozent schätzt eine Untersuchungskommission in den Niederlanden die Anzahl der gedopten Radprofis. Das hieße, von den startberechtigten 198 Teilnehmern der nächsten Tour de France sind mindestens zehn, maximal aber nur 40 Fahrer sauber.

Von Tom Mustroph | 18.06.2013
    Geahnt haben es viele. Jetzt liegen belastbare Zahlen vor. Nach Auswertung der Anhörungen einer Wahrheitskommission der nationalen Antidopingagentur der Niederlande und des dortigen Radsportverbands haben in den späten 90er Jahren und den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts neun von zehn holländischen Radprofis gedopt.

    "”Wir erfuhren das von den Leuten, mit denen wir sprachen, und zogen daraus die Schlussfolgerung, dass es zwischen 80 und 95 Prozent gewesen sein müssen. Wir können das nicht wirklich beweisen. Wir denken aber, dass das im Großen und Ganzen die Wahrheit ist""

    …, sagt Winnie Sorgdrager. Die frühere Justizministerin ist Vorsitzende der Kommission. Sie war von dem Ausmaß des Dopings nicht einmal erstaunt:

    "”Aber wenn man es direkt aus dem Mund der Leute selbst erfährt, ist das schon eine ganze Menge”"

    …, gibt sie zu.

    Die Kommission hält die Zahlen auch für übertragbar auf das gesamte internationale Profifeld. Dies sollte die Antidopingkämpfer alarmieren. Denn obwohl 80 bis 95 % aller Profis gedopt haben, wurde nur ein Promille-Anteil von ihnen mit positiven Proben überführt. Eine Langzeitauswertung von Blutproben seit 2001, die vor drei Jahren von der medizinischen Abteilung der UCI vorgelegt wurde, ergab nur einen Anteil von etwa zehn Prozent an verdächtigen Werten. Die Doper kennen die Grenzen der Tests offenbar ziemlich genau.

    Aktuell hält Sorgdrager dank intelligenterer Kontrollen und des Blutpass-Systems das Ausmaß des Dopings für kleiner. Die Zahl der Doper sei aber weiterhin konstant.

    "”Der Gebrauch ist zurückgegangen, aber es sind nicht weniger Leute geworden, die das tun, wenn Sie mich verstehen. Wir denken, dass nach 2008 weniger Epo benutzt wurde. Aber es wird immer noch genommen und jeder weiß das.”"

    Hat Sorgdrager Recht – und es gibt keinen Grund, an ihren Beobachtungen zu zweifeln - dann ist es an der Zeit, dass der Radsport sich ein handfestes Doping- und Drogenaussteigerprogramm verordnet. Anders wird man der alten Unsitten offenbar nicht Herr.