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Bestandsaufnahme an der richtigen Stelle

Biologie. - Von den Ozeanen wissen wir Menschen weniger als von Mond oder Mars. Dabei sind sie Teil unseres Planeten und decken in wesentlichem Umfang unseren Nahrungsbedarf. Ein neuer Sensor soll sich jetzt um die kleinsten Lebewesen der Weltmeere kümmern, das Plankton. Denn auf dieser breiten Basis ruht das gesamte Ökosystem im Meer.

Von Christine Westerhaus |
    Das Leben im Meer ist ein großes Fressen und Gefressen-werden. Große Fische fressen kleine und die wiederum machen sich über die ganz kleinen her. Die winzigsten Opfer gehören zum Plankton und bilden deshalb das unterste Glied jeder Nahrungskette. Deswegen ist es für Meeresforscher wichtig zu erfahren, welche Arten sich im Meerwasser in welchen Schichten tummeln.

    "Die Situation ist, dass wir unterschiedliche Organismen haben, die sich entweder lieber im warmen aufhalten oder eventuell lieber im kalten Bereich. Ähnliche Schichtungen gibt es dann auch beim Salzgehalt und beim Sauerstoff. Das hat unterschiedliche Auswirkung auf unterschiedliche Zooplankta. Auf der anderen Seite dienen die Zooplankta aber auch gleichzeitig als Nahrungsressource für Fische und das ist dann wieder sehr interessant, welche Tiere oder welche Arten sind eigentlich in welchen Tiefen vorhanden. So dass man sagen kann: Wie sind die Beuteverhältnisse für einzelne Organismen."

    Jan Schulz, Planktologe am Imare Institut in Bremerhaven. Er hat gemeinsam mit seinen Kollegen ein Messgerät entwickelt, das Daten über die Verteilung unterschiedlicher Planktonspezies im Meer liefert. Dieses "Loki" genannte Gerät kann in unterschiedlichen Meeresgebieten eingesetzt werden. Beim Schleppen durch die Wassersäule macht eine Kamera mit 15 Aufnahmen pro Sekunde Bilder von Planktonorganismen. Außerdem sammelt das Messgerät Daten über die Temperatur des Wassers und über den Salz- und Sauerstoffgehalt. Werten Planktologen die Bilder später aus, können sie genau sagen, welche Spezies es lieber warm haben und wer es lieber salzhaltiger mag. Herkömmliche Planktonnetze fangen dagegen alle Lebewesen aus verschiedenen Zonen zusammen in einer Probe. Bei der späteren Auswertung ist es dann kaum möglich, die Organismen einer bestimmten Zonen zuzuordnen.

    "Der Unterschied von Loki zu konventionellen Methoden ist nicht nur die hohe Auflösung sondern auch die schnelle Verfügbarkeit der Datenauswertung und die Kommunikation der Daten mit den Kooperationspartnern, die die Fotos identifizieren. Bisher ist das Problem, dass wir keine dichten Beobachtungsnetze haben, weil die Auswertung von Planktonproben viel Zeit dauert, viel Geld und am Ende müssen sie die Proben aufbewahren und das ist ein riesiger Aufwand damit."

    Hans-Jürgen Hirche vom Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Wie sich die Zusammensetzung von Planktongemeinschaften mit der Temperatur ändert, ist besonders für Klimafolgenforscher interessant. Weil es wärmer wird, pflanzen sich viele Arten schon sehr viel früher im Jahr fort. Sie sind deshalb eher im Plankton zu finden. Ein Fisch, der sich von solchen Organismen ernährt, kann dann in Schwierigkeiten geraten. Legt er seine Eier zu spät, finden die Larven nicht mehr genügend Futter, weil andere schneller waren. Der Fisch selbst ist wiederum Beute für größere Tiere. Damit wirken sich Verschiebungen im Plankton auf alle Lebensgemeinschaften im Meer aus. Hirche:

    "Jedes Jahr gibt es eine Veränderung, aber bei ganz vielen Organismen wissen wir nicht ,in welchem Zusammenhang das genau mit Umweltparametern steht, weil wir keine kontinuierlichen Messungen haben. Gleichzeitig werden wir eine Variante von Loki entwickeln, die man verankern kann, sodass man kontinuierlich misst. Dadurch haben wir eine größere räumliche Auflösung und können biologische Vorgänge in Organismen unmittelbar den Umweltveränderungen zuordnen, die in dem Moment gerade passieren. Nicht im Abstand von Wochen sondern Minuten."

    Damit könnte es für Fischereibiologen in Zukunft einfacher werden, vorherzusagen, wie sich die Bestände von Dorsch oder Heilbutt entwickeln werden. Wenn die Larven dieser Fische zur gleichen Zeit im Plankton auftauchen wie ihre Beutetiere, haben sie gute Chancen erwachsen zu werden. Falls nicht, droht ein "schwacher" Jahrgang. Hans-Jürgen Hirche:

    "Victor Hensen 1870 hat angefangen, Plankton zu untersuchen, weil er meinte, das ist der einzige Weg zu verstehen, wie sich die Fischerei entwickelt. Man muss sagen, dass erst jetzt die Zeit ist, wo wir uns mit den Fischereibiologen neu zusammen setzen und sagen: Jetzt können wir erst so richtig machen, was wir euch seit 130 Jahren versprochen haben."