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Bestechen, bespitzeln, bereichern

Bei der Volkswagen AG werden Schwarze Kassen entdeckt, Betriebsräte lassen sich zu so genannten Lustreisen einladen. Bestechungen in Milliardenhöhe auch bei Siemens. An solchen Vorfällen entspannt sich immer wieder die öffentliche Debatte über Managermoral und Selbstbedienungsmentalität in Deutschlands Chefetagen.

Von Detlef Grumbach | 28.07.2008
    Bei der Volkswagen AG werden Schwarze Kassen entdeckt. Systematische Bestechungen kommen ans Licht. Betriebsräte lassen sich zu so genannten Lustreisen einladen.

    Bestechungen in Milliardenhöhe auch bei Siemens. Siemens finanziert nebenher die unternehmerfreundliche Gewerkschaft AUB. Der mit der Aufklärung befasste Siemens-Vorstand Peter Löscher verdient derweil Bezüge - so das "Manager-Magazin" - in Höhe von 10 Millionen Euro jährlich.

    Die AUB, die "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger" wird auch von Aldi bezahlt. So lassen sich Betriebsräte kontrollieren. Lidl, Schlecker und andere Lebensmittel-Ketten beobachten oder bespitzeln ihre Mitarbeiter - ob direkt oder indirekt tut nichts zur Sache.
    Die Aldi-Brüder, Lidl-Eigentümer Dieter Schwarz und Anton Schlecker zählen zu den reichsten Männern in Deutschland.

    Die Deutsche Telekom wertet die Telefondaten von Aufsichtsratsmitgliedern aus, um deren Pressekontakte auszuspähen.

    "Es vergeht ja kaum eine Woche, wo nicht wieder irgendein Vorstandsvorsitzender dabei erwischt wird, irgendetwas vermeintlich oder auch wirklich Falsches getan zu haben. Man hat den Eindruck, die Selbstbedienung in den Vorstandsetagen würde kein Ende nehmen."

    So der ehemalige Vorstandssprecher von IBM und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel. Dennoch versteht Henkel die Aufregung nicht ganz. Die Ansprüche an das Management, so Henkel, seien gestiegen, die Öffentlichkeit sei kritischer geworden.

    "Ich glaube, im Gegensatz zu dem, was im Allgemeinen gefühlt wird und auch verbreitet wird, hat die Moral in deutschen Unternehmen sich eher verbessert als verschlechtert."

    Auch die Börsenaufsicht schaut genauer hin und Managergehälter werden inzwischen veröffentlicht.

    Die Schlacht um die Übernahme des deutschen Mobilfunk-Unternehmens Mannesmann durch die britische Gesellschaft Vodafone im Jahr 2000 ist noch lange nicht vergessen:

    Mannesmann-Vorstand Esser erhält etwa 30 Millionen Euro Abfindung - ist das Untreue?

    Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank und als Aufsichtsrat einer der Mitangeklagten, betritt 2004 den Gerichtssaal mit dem Victory-Zeichen. 10 Millionen Euro verdient er im Jahr, die Deutsche Bank macht Rekord-Gewinne, entlässt tausende Mitarbeiter.

    Damals beginnt die öffentliche Debatte über Manager-Moral, -gehälter und eine größenwahnsinnige Selbstbedienungsmentalität in Deutschlands Chefetagen. Parallel dazu entwickeln sich zwei andere Fälle.

    Die Deutsche Telekom und ihr Chef Ron Sommer stehen im Verdacht, ihre Immobilien vor dem Börsengang 1995 deutlich überbewertet und die Bilanz geschönt zu haben. Und auch gegen Top-Manager Utz Claassen, als Sanierer von Ford über VW 2003 zum Energiekonzern EnBW gekommen, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Claassen soll den Gestaltungsspielraum der Bilanz ausgenutzt haben, um selbst gut dazustehen.

    Was dabei gefühlt und in den Medien verbreitet wird, hat eine soziale Grundlage: auf der einen Seite Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können und auf der anderen solche, die gleich mehrere Millionen verdienen.

    Die Arbeitszeit wird verlängert, Lohn gekürzt. Immer mehr Unternehmen stehlen sich aus der Mitbestimmung und der Tarifbindung. Gewinne, Renditen und Vorstandsgehälter wachsen. Wo Hans-Olaf Henkel einen Trend zum Besseren diagnostiziert, kann Lothar Schröder, Fachbereichsleiter Telekommunikation bei Ver.di, nur widersprechen:

    "Ich glaube, dass man gegenwärtig dabei ist, eine völlig enthemmte Gewinnorientierung innerhalb der Unternehmen zu leben und dass angesichts dieser Grenzen, die da gefallen sind, die Kulturen gelitten haben, aber auch innerhalb der Unternehmen manche Leute nicht mehr wissen, wo Grenzen sein müssten. Der jüngste Vorfall bei der Telekom lässt ja vermuten, dass da Leute unterwegs sind, die nicht mal mehr wissen, wo die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit anfangen."

    Schröder, der als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Telekom vom Überwachungsskandal betroffen ist:

    "Es geht nicht allein um Bereicherung, es geht ums Durchsetzen. Wenn die Mittel, mit denen man sich durchsetzt, egal geworden sind, dann treten auch solche Fälle auf, die man als Spitze des Eisbergs betrachten kann. Wenn die Rendite am Ende stimmt, dann ist es egal, wie man dahin kommt, dann passieren solche Vorfälle wie dieser Tage."

    Egal sind diese Mittel nicht. Auch wenn es Einzelfälle sein mögen: Erfolgreiche Manager riskieren enorme Schäden für die Unternehmen und den Verlust ihres persönlichen Images.

    Fehlt die Kontrolle? Pokern sie? Oder stehen sie unter einem Druck, der nichts entschuldigt, aber Raum lässt für fließende Übergänge von kleinen Tricksereien im legalen Bereich bis hin zum Rechtsbruch?

    Aktionäre, die Eigentümer also, sind am Wert des Unternehmens, an steigenden Aktienkursen, an Dividenden und Zukunftsperspektiven interessiert. Mitarbeiter kämpfen für sichere Arbeitsplätze, Kunden wollen gut bedient werden, die wachsende Konkurrenz schnappt nach Marktanteilen. Unter solchen Bedingungen kann ein Unternehmen auf Dauer nur erfolgreich sein mit einer langfristigen Strategie. Doch der Druck auf das Management wächst an allen Fronten.
    Hektik und Kurzatmigkeit machen sich breit. Alexander Bassen, Wirtschaftsprofessor mit dem Schwerpunkt Unternehmensfinanzierungen an der Hamburger Universität:

    "Wir haben in Unternehmen angestellte Manager, die sich einer ganzen Reihe von unterschiedlichen, wir nennen das Stakeholder, also unterschiedlichen Interessengruppen gegenüber sehen und die Aufgabe des Managers ist es ja, diese unterschiedlichen Interessen zu balancieren vor dem Hintergrund, dass er ein Angestellter ist. Es sind Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen, die eine extrem hohe Wirkung haben, in das Unternehmen hinein, in Familien hinein, die da sind, die aber auch von der Öffentlichkeit kritisiert werden. Von daher sind sie in diesen Entscheidungssituationen immer unter einem extremen Druck."

    Wo Gewinne steigen und Arbeitsplätze abgebaut werden, ist das Gleichgewicht aus den Fugen, der Umgang wird ruppiger.

    Experten sehen zwei Trends als Ursache: Die internationalen Finanzmärkte wachsen seit Jahren schneller als die Märkte für Dienstleistungen und Waren. Außerdem treten neue Typen von Finanzinvestoren auf den Plan. Jörg Huffschmid, emeritierter Professor für Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik an der Universität Bremen:

    "Um mal eine Zahl zu nennen: Das Weltsozialprodukt, also die Brutto-Wertschöpfung der Welt, ist in den letzten 25 Jahren ungefähr um das Fünffache gewachsen, während das Finanzvermögen in der gleichen Zeit um das Dreizehnfache gewachsen ist, also sehr viel schneller gewachsen ist. Die Finanzmassen werden immer größer, die akkumuliert werden. "

    Zum einen, so Huffschmid, seien es die Gewinne, die weder an Mitarbeiter ausgezahlt noch investiert werden.

    Zum anderen die Altersversorgung, die auf die Kapitalmärkte ausgerichtet wird: Das Geld der Beitragszahler fließt nicht mehr unmittelbar in die Taschen der Rentner, also in den Konsum, sondern auf die Kapitalmärkte, wird von Lebensversicherungen und riesigen Pensionsfonds angelegt - für Zeiträume von bis zu vierzig Jahren.

    "Das ist der Hintergrund, dass Ende der neunziger Jahre die traditionellen Finanzinvestoren, die so genannten institutionellen Investoren immer mehr in Probleme gekommen sind. Und wenn so Probleme sind, dann ist das die Stunde der Innovatoren."

    Institutionelle Anleger wie Großbanken und deren Fondgesellschaften engagieren sich langfristig in Unternehmen und erwirtschaften dort ihre Renditen.

    Daneben etablieren sich jene Anlagefonds, die Franz Müntefering als "Heuschrecken" und Bundespräsident Horst Köhler als "Monster" bezeichnet hat:

    "Private Equity Fonds" kaufen ganze Unternehmen auf, strukturieren diese um, verkaufen sie mit Gewinn. Sogenannte "Hedge-Fonds" gehen mit Minderheitsbeteiligungen kurzfristig in börsennotierte Unternehmen hinein und versuchen auf Gedeih und Verderb, Honig aus ihnen zu saugen.

    Sie erwirtschaften ihre Renditen nicht in dem Unternehmen, sondern mit ihm. Für sie wird Geld zum Rohstoff. Das kurzfristige Interesse an Dividenden und Aktienkursen steigt, die Entwicklung von Quartalszahlen wird wichtiger als das Betriebsergebnis in einem, drei oder fünf Jahren, der Aktienhandel wird enorm aufgebläht. Wurde 1980 nur etwa jede zehnte Aktie einmal im Jahr verkauft, so hat das Handelsvolumen heute den Wert der Papiere überflügelt: Jede Aktie wird - statistisch betrachtet - häufiger als einmal im Jahr verkauft.

    Wie gehen diese neuen Investoren vor? Der Finanzinvestor APAX ist im Begriff, mehr als 50 Prozent des Hamburger E-Commerce-Dienstleisters "D+S Europe AG" zu übernehmen. Die Wochenzeitung "Die Zeit" meldet im April als positives Signal:

    APAX hält mindestens drei Jahre lang an seinem Engagement fest. Es sei kein Vertrag vorgesehen, um Gewinne abzuführen und D+S soll keine Kredite aufnehmen, um durch erhöhte Dividenden den Kaufpreis quasi selbst rückzuerstatten.

    Was das im Umkehrschluss bedeuten kann, legt Betriebsrat Jürgen Hennemann am Beispiel des süddeutschen Kupplungsherstellers "FTE automotive" dar: Anteile an Firmen werden kurzfristig wieder abgestoßen, wenn der Aktienkauf durch Spekulationen nach oben schnellt - oder durch lautstark inszenierte Übernahmediskussionen. Unternehmen werden gezwungen, Kredite aufzunehmen oder Dividenden auszuzahlen, die sie gar nicht erwirtschaften. Nur damit der Investor schon mal seinen Kaufpreis zurückbekommt.

    Gewinne fließen in Fonds, stehen nicht für Zukunftsinvestitionen im Unternehmen, geschweige denn für Lohnerhöhungen oder Neueinstellungen zur Verfügung. "FTE automotive" wechselt auf diese Weise innerhalb von drei Jahren zwei Mal den Besitzer. Auch wenn sich nicht alle dieser neuen Fonds immer so verhalten, auch wenn sie in Einzelfällen sogar dafür sorgen, dass überfällige Umstrukturierungen vorangetrieben werden: ihre Orientierung allein auf die Rendite strahlt aus, wird zur Benchmark, zum Vergleichsmaßstab für andere. Es herrscht Krieg: Krieg um Marktanteile, Krieg um Firmenübernahmen und -fusionen und um die noch höhere Rendite.

    "Das ist ja das, was die letzten zehn, fünfzehn Jahre wieder geschehen ist. Die Gewinnmargen sind hochgegangen. Trotz einer Überanhäufung von Kapital sind die Gewinnmargen hochgegangen und nicht, wie es der Markt eigentlich erwarten würde: Wenn zuviel Kapital da ist, geht die Gewinnrate runter. Sie ist hochgegangen. Es ist noch sehr viel mehr rausgeholt worden als man dachte, das drin wäre. "

    Diesem Kurs müssen die Manager in den Unternehmen folgen. Sie müssen ihn gegen die Mitarbeiter durchsetzen und vertreten. Vor allem durchsetzungsfähige Sanierer sind heute gefragt. Der schon genannte Utz Claasen gilt als ein solcher und ist als Nachfolger von Bahnchef Mehdorn im Gespräch. Bei Volkswagen hat Ignazio Lopez diese Rolle schon von 1993 bis 1996 gespielt - und musste nach Skandalen um Industriespionage zurücktreten.

    Lopez, zehn Jahre später in der Zeitschrift "Brand eins" darüber, wie er schon vorher mit Widersachern bei General Motors umgegangen ist:

    Ich habe jeden gekillt! Es waren zehn deutsche Manager. Ich habe sie alle angerufen und gesagt: "Gentlemen, fünf von Ihnen sind ab jetzt im Ruhestand. Sie können nach Hause gehen und bekommen weiter Ihr Geld. Zwei von Ihnen sind raus aus der Produktion, drei von Ihnen gehen ins Werk nach Bochum." Damit hatte ich automatisch zehn von ihnen aus dem Weg geräumt.

    Auch René Obermann gilt als harter Sanierer. "Ein Mann fürs Aufräumen" nennt ihn der "Tagesspiegel" bei Amtsantritt. Das Unternehmen verliert Kunden, der Aktienkurs rutscht in den Keller. Da es sich um eine Volksaktie handelt, war und ist auch der Druck der Öffentlichkeit enorm.

    Als der Bund 2006 eine Beteiligung von knapp 4,5 Prozent an den amerikanischen Hedge-Fonds "Blackstone" verkauft, hat kaum jemand vor der "Heuschrecke" gewarnt. Euphorie macht sich breit.

    "Telekom ist ein ganz typisches Beispiel hierfür: Wenn Sie sich die verschiedenen Vorstandsvorsitzenden angucken, die sind ja alle gescheitert dadurch, dass es den Investoren nicht schnell genug ging. Je breiter die Aktie gestreut ist, desto größer ist die Chance, mit kleinen, aggressiven Investoren da Zoff zu machen und das Management unter Druck zu setzen."

    Das ist, auch mit Blick auf die Dänische Telekom, die Erfahrung Lothar Schröders:

    "Das haben sie in Dänemark gesehen, wenn, ich glaub, die Dividende um das Zehnfache erhöht wurde, weil dann der Hauptanteilseigner eine Ausschüttung erhalten hat, bei der er seinen Kaufpreis wieder refinanzieren konnte. Die Dividendenpolitik kann Unternehmen zwingen, Schulden aufzunehmen, um überhaupt die Ausschüttung bezahlen zu können. Das Beispiel der Telekom macht doch deutlich: Da wurde in diesem Jahr gegen den Widerstand der Arbeitnehmer, gegen unsere Position das Sechsfache an Dividende ausgeschüttet, sechsfach mehr als das, was das Unternehmen erwirtschaftet hat. Das ist nicht gesund. "

    Manager stehen unter enormem Druck, eine für das Unternehmen gefährliche Strategie gegen die Mitarbeiter durchsetzen zu müssen. Sie haben aber auch enorm viel Macht, verdienen daran mit. Korrumpiert sie das? Führt das zu Paranoia? Wo ist die Kontrolle?
    Die Kontrolle übt der Aufsichtsrat aus. Viele Kleinaktionäre haben hier gar keine Chance, vertreten zu sein, folgen auf der Hauptversammlung am ehesten dem, der am meisten verspricht. Im Aufsichtsrat sitzen neben den Vertretern der Mitarbeiter meist die der großen Eigner. Von denen kommt der Druck, die das Management durch die kurzfristigen Verträge zu Verbündeten macht. Denn kurzfristige Verträge und häufige Wechsel in den Positionen verhindern, dass sich eine enge Bindung zwischen Manager und Unternehmen bildet. Obendrein enthalten die Verträge Anreize, die eine Bezahlung vom ökonomischen Erfolg abhängig machen

    und die meist in Aktienoptionen ausgezahlt werden. Alexander Bassen:

    "Wenn diese Aktienoptionsprogramme nicht korrekt gestaltet sind, dann können sie in der Tat einen falschen Anreiz setzen. Dann können sie den Anreiz setzen, dass der Manager sich tatsächlich daran orientiert, kurzfristig den Aktienkurs zu steigern, und das spricht wieder eine ganz bestimmte Gruppe von Investoren an, nämlich nur die kurzfristig orientierten Investoren."

    Hans-Olaf Henkel, heute Berater der "Bank of America" in Deutschland, beobachtet dagegen,

    "dass die ethischen Ansprüche sich entwickeln, und interessanterweise zum Besseren."

    Er sieht in den Skandalen nur einzelne schwarze Schafe, die sich noch nicht an die Globalisierung und den Druck der weltweiten Konkurrenz gewöhnt haben.

    "Und dass dieser Druck zu, sagen wir mal, mehr Anstrengung beim Management führen muss, halte ich für ganz logisch, und dass im einen oder anderen Fall dann vielleicht panisch oder kurzfristig reagiert wird, halte ich für nicht unwahrscheinlich. "

    Immerhin: Ehemals lediglich als anrüchig geltende Insider-Geschäfte oder Bestechung sind heute verboten. Die Amerikanische Börsenaufsicht verschärft ihre Anforderungen. In vielen Unternehmen werden so genannte Whistleblower installiert: Instanzen, denen Ungereimtheiten und Vergehen anonym gemeldet werden können.

    In Deutschland wird der "Corporate-Governance-Kodex" für börsennotierte Unternehmen Jahr für Jahr von einer Regierungs-Kommission überprüft. Seit 2001 arbeitet sie nun schon, hat die Skandale der jüngsten Zeit jedoch nicht verhindern können. Ihr langjähriger und jetzt ehemaliger Vorsitzender Gerhard Cromme, Aufsichtsratschef von Thyssen/Krupp:

    "Unser Versuch, die traditionellen Grundsätze guter Unternehmensführung an die Anforderung des globalen Wettbewerbsprozesses anzupassen, ist gelungen. Insgesamt können wir im Laufe der Jahre eine klare Entwicklung zur inhaltlichen Umsetzung der Kodex-Empfehlungen beobachten."

    Der Kodex ist und bleibt freiwillig. Josef Ackermann, selbst durch das besagte Victory-Zeichen und sein Verhalten nach der Mannesmann-Übernahme arg in Bedrängnis geraten, hält die Arbeit der Kommission ebenfalls für mehr als nur einen nationalen Fortschritt:

    "Ich finde die Leistungen und die Ergebnisse der Cromme- Kommission außerordentlich wichtig, hat doch nun alle sensibilisiert auf diese Fragen und damit eigentlich auch der Welt gezeigt, dass das System in Deutschland, das wir haben, ein erfolgreiches sein kann."
    "Also Sie sehen, dass diese Selbstreinigungskräfte einer Gesellschaft eigentlich dazu führen, dass die ethischen Standards sich nach oben entwickeln, sich verbessern und dass die Globalisierung auch dazu führt, dass es einen gewissen Wettlauf um ethische Standards gibt. "

    Alexander Bassen von der Universität Hamburg sieht ebenfalls Chancen für Besserung. Er beobachtet eine wachsende Zahl von Investoren, die heute auch die Themen Umwelt, Soziales und Demokratie berücksichtigen. Den Grund sieht er allerdings nicht darin, dass das Bewusstsein für ethische Fragen wächst.

    Denn eine rigorose Ausrichtung auf Gewinn birgt unkalkulierbare Risiken. Beim amerikanischen Energieriesen Enron erlitten die Aktionäre nach dem Bilanzbetrug einen Totalverlust - auch die Pensionsfonds kleinerer Angestellter.

    Lidl kämpft mittlerweile mit aufwändigen Imagekampagnen gegen selbst verursachte Umsatzverluste. Und wie hoch der Schaden bei Siemens oder bei der Deutschen Telekom ist, wird sich noch herausstellen.