"Stuß und Mumpitz - das ist das Wesen des Bestsellers. Aber wenn man wissen will, in welcher Gesellschaft wir leben, ist es hin und wieder ganz vernünftig, in so ein Ding zu gucken."
Als Kabarettist beim Dreigestirn Köln Eins' ist Wolfgang Nitschke sozusagen von berufswegen mit Humor gesegnet - was ihn nicht unbedingt in die Welt der Buchkritik geführt haben wird. Eher zufällig ging ihm auf, daß die edle Rezensentenzunft stur an einer Goldmine des Buchgewerbes vorbeischaut: den Bestsellern:
"Das allererste Buch war das von Weizsäcker. Und da ist mir an bestimmten Stellen schon die Galle übergelaufen, weil das einfach unwahr ist und eine Frechheit, was er über die Kritiker seines Vaters schreibt. Deshalb zieht sich das Buch jetzt auch durch sämtliche Glossen durch. Das war das Unerträglichste, was ich jemals in meinem Leben gelesen habe. Das Buch ist eine Selbstvergottung, da bleibt sogar Helmut Schmidt hinter zurück. Ich finde keine ernsthaften Worte dafür, daß jemand, der sich in der Weltöffentlichkeit als das neue Gewissen des komischen Gebildes Deutschland darstellt, in seinem eigenen Buch lügt, daß sich die Balken biegen. Da habe ich mich einfach wahnsinng darüber geärgert. Das war das erste Ding, das ich rezensiert habe.'
Zwar präsidierten die Memoiren Richard von Weizsäckers viele Monate lang die Bestsellerlisten und wurden millionenfach verkauft, doch fast nirgends fand sich ein Rezensent, der sich getraut hätte, dem Altbundespräsidenten und erfolgreichsten neudeutschen Nachdenklichkeitsdarsteller seine Stilblüten, seine historischen Aberwitze und die kostbaren Perlen seiner Eitelkeit vorzuzählen. Immerhin belegt das Buch den Verdacht, daß die letzten fünfzig Jahre Vergangenheitsbewältigung nur für die Auslage waren. Keine Moralkeule weit und breit. So begann das also für Wolfgang Nitschke. Und dann war da noch der WDR, der ihm femab seiner Kulturprogramme im Rundfunk einen regelmäßigen Sendeplatz zum Bestsellerwürgen einräumte. Tapfer hat er dann von "Aphrodite - Eine Feier der Sinne" von Isabelle Allende bis "Yeti - Legende und Wirklichkeit" vom legendären, doch wirklichen Bergsteiger Messmer alles gefressen und verdaut, um sie uns schließlich als naturgemäß anrüchige Appetitverderber zu servieren. Was für ein Triumph der Ökonomie. Auf 127 saftigen Seiten lesen wir von den Abertausenden, die wir fortan keinesfalls mehr lesen müssen oder können. Wie z. B. den letzten SchollLatour:
"Liebe Leser! Allah ist groß und der liebe Gott nicht minder; genauso groß ist Manitu, von Jahwe janz zu schweigen. Aber und das müssen diese vier Bartmänner zugeben - einer is' noch bärtiger und noch 'ne Ecke größer:
PETER SCHOLL-LATOUR! Wie jene Götter, so hat auch Peter Scholl-Latour, »the Godfather of the Allroundwissen-, so ziemlich alles vollbracht, was ein Gott so vollbringen kann. Er hat alle möglichen und unmöglichen Sprachen studiert, und Griechisch, Babylonisch, Latein und Kongo; Französisch kann er rückwärts beten, Arabisch von rechts nach links und Hebräisch ... na, da hapert's noch. Er war Herausgeber vom »stern«, Fernsehdirektor vom WDR und Korrespondentenkaiser von Indochina. Peter wurde weltberühmt durch sein Mitteilungsbedürfnis und letzte Woche heiliggesprochen.
Liebe Leser, andere Götter beließen es bei 1 Bestseller und lebten fortan und kontaktlos in ihrem Kuckucksheim. Nicht so Peter »der Bolzen« Scholl-Latour! Nach seinen drei Bibeln »Der Tod im Spargelfeld«, »Das Pferd des Islam« und »Die Zukunft der Mützenmänner« sieht sich die Menschheit nun mit einem neuen Scholl-Latour-du-monde konfrontiert: »Lügen im Heiligen Land - Machtproben zwischen Euphrat und Nil.« Ein Monstrum an Bescheidenheit, megalomanisch in seiner Selbstbeschränkung; salomonischer als Salomon und Weizsäcker als Weizsäcker. Kurzum: ein deutsches, aber anständiges Buch, ein christliches, aber menschliches, ein tolerantes, aber eins aus dem Hause Wolf Jobst Siedler.
Nun, liebe Gläubigen, kommen wir vom Erhabenen zum noch Erhabenerereren! Also spricht der Meister zu uns in seinem Vorwort, das ER nicht Vorwort nennt, sondern schlicht »avant-propos«; also Vorwort: »Ich weiß sehr wohl, daß die Zerreißproben im Heiligen Land nicht an dem Tag zum Stehen kommen, der für das Erscheinen dieses Buches vorgesehen ist.« Nee, is' klar. Würd' ich auch so sehen. Aber spätestens doch dann, Maitre, wenn ein jeder DEIN CEuvre gelesen hat, oder? Doch Peter »Mein ist die Rede« Scholl-Ledieu läßt sich nicht beirren und avant-propotet weiter: »Ich berichte ohnehin nur über Geschehnisse, die ich höchstpersönlich und hautnah erlebt habe.« Na, das woll'n wir mal auch annehmen. Aber sag, Sidi, warum sagst DU das? Etwa wegen Konzelmann, der so herrlich klauen kann? Oder wegen Friedhelm Brebeck-»Massengräber«, unserm lieben Röchelmann aus den Schluchzen des Balkan? Oder wegen der undurchsichtigen Muselmännin Annemarie Schimmel - »Unterm Tschador«?
Ach, Quatsch avec sauce! 1.: Verschleiern muß Kara Ben Nemsi gar nix, erfinden schon mal 2.: Überhaupt nie nix, und zitieren tut ER wenn schon, denn schon nur sich selbst. Da ist sich Peter höchstpersönlich selbst der nächste.
Und was gibt's dagegen schon zu klagen? So was tun auch andere höchste Höchstpersönlichkeiten; man denke nur an Allah und den lieben Gott.
Und so sprudelt's aus dem Stein der Weisen: »Die Tatsache, daß ich bei den Zitaten früherer Erfahrungen kein Wort ändern, kein Urteil revidieren muß, sollte zugunsten der Stichhaltigkeit meiner Prognosen sprechen.« So spricht der Herr, der Wüstenfuchs. Mir kann keiner. Vor allem nicht das Wasser reichen."
Die frommen Zweifel der Gräfin Dönhoff, Arnulf Barings westerwellenflache Sorgen um Deutschland, Jürgen Busches verplauderte, Anatomie von Helmut Kohl, Guido Knopps schwer ölige Historiensoaps oder die trotzigen Träume vom Machiavelli für ewige Mädchen ä la Ute Erhardt oder Harriet Rubin - die schöne bunte Welt des volkstümelnden Tiefsinns und seiner Fließbandarbeiter, darin kennt sich Wolfgang Nitschke aus wie kein zweiter:
"Bei den meisten Leuten, die solche Bücher schreiben, steht, glaube ich, im Vordergrund eine große Volksverarschung, also, daß die nicht so doof sind, ihren Mist auch noch zu glauben.'
Bei seinem Parcours durch den orakelnden Schwachsinn glaubt Wolfgang Nitschke nirgends. er wüßte alles - und alles besser und ähnelt insofern nicht den Kollegen vom Fach, die immer schon wußten, daß Bestseller nichts taugen, ohne je einen gelesen zu haben. Allerdings fürchte ich, daß die kritische Enthaltsamkeit gegenüber dem Bestseller weniger mit Hochmut zu tun hat, sondern eher mit der häßlichen Ahnung, daß Bücher nicht per se Edelmedien sind - und darüber hinaus: daß die ganze Branche samt Kritikern ihr Überleben eher dem spirituellen Bodensatz verdankt als den Exerzitien der Stipendiatenliteratur - die allerdings den schätzbaren Vorteil hat, Buchpreise zum geschätzten Gut zu machen.
Jedenfalls, Nitschkes vernichtendste Argumente sind die Zitate - Kolateralschäden unvermeidlich. Ansonsten spielt er den arglosen Lesekunden, der sich in die Welt des vielversprechenden Buches verirrt hat und jetzt auf den Pfaden eines gewitzten Alltagsverstandes den Ausweg sucht. Das kann lustig werden. So wenig wie mit einem Pudding kann man sich mit Gräfin Dönhoff duellieren. Während sie die Welt zum Schrebergarten ihrer moralischen Sendung macht, entdeckt Nitschke fröhlich schwadronierend das entscheidendere Problem: die Welt der Gräfin.
Nein, Wolfgang Nitschke ist kein Gerechter. Ihn interessieren nicht die gelegentlich auftretenden Wahrheiten, sondern die bis ins Mark gefälschten Attitüden der Bestsellerindustrie: die Grübelposituren, die geschminkten Sorgenfalten, der palavernde Journalismus, das gefällige Lamento und aufgeregte Enthüllungsgetue.
Selbst, wer nie in Gefahr gerät, anhand von fünf auf tibetanisch gequälten Leibesübungen Gott zu suchen, wird nach fünf Seiten Nitschke der Wonnen intelligenter Gotteslästerung teilhaftig. So lernen wir zwar nichts aus den Bestsellern. doch viel über sie. Sie sind Teil der Misere. die sie zu beheben versprechen. Nitschke:
"Ich gehe mal davon aus, daß die Liste einfach dazu da ist, den Leuten so eine Geschenkliste an die Hand zu geben. D.h., Emma hat morgen Geburtstag. Wir schenken der am besten so einen aktuellen Bestseller. Da brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen. Und zack hat die schon wieder so einen Schmöker da an der Wand stehen. Und weder der Käufer noch der Beschenkte werden das jemals anpacken. Und dann glaube ich, daß auch viele Dinger gefakt sind vom Buchhandel. Daß das, erstens, Ladenhüter sind und, zweitens, große Namen - wie Weizsäcker. Der hat wieder ein neues Buch geschrieben. Das wird dann groß herausposaunt, und so wird das eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dann wird der ganze Haufen weggekauft.'
Bestseller sind lang, Nitschke kurz. Und so wollen wir den Leser am Ende trösten: Nitschke frißt weiter - für die nächste Schlachtplatte.
Als Kabarettist beim Dreigestirn Köln Eins' ist Wolfgang Nitschke sozusagen von berufswegen mit Humor gesegnet - was ihn nicht unbedingt in die Welt der Buchkritik geführt haben wird. Eher zufällig ging ihm auf, daß die edle Rezensentenzunft stur an einer Goldmine des Buchgewerbes vorbeischaut: den Bestsellern:
"Das allererste Buch war das von Weizsäcker. Und da ist mir an bestimmten Stellen schon die Galle übergelaufen, weil das einfach unwahr ist und eine Frechheit, was er über die Kritiker seines Vaters schreibt. Deshalb zieht sich das Buch jetzt auch durch sämtliche Glossen durch. Das war das Unerträglichste, was ich jemals in meinem Leben gelesen habe. Das Buch ist eine Selbstvergottung, da bleibt sogar Helmut Schmidt hinter zurück. Ich finde keine ernsthaften Worte dafür, daß jemand, der sich in der Weltöffentlichkeit als das neue Gewissen des komischen Gebildes Deutschland darstellt, in seinem eigenen Buch lügt, daß sich die Balken biegen. Da habe ich mich einfach wahnsinng darüber geärgert. Das war das erste Ding, das ich rezensiert habe.'
Zwar präsidierten die Memoiren Richard von Weizsäckers viele Monate lang die Bestsellerlisten und wurden millionenfach verkauft, doch fast nirgends fand sich ein Rezensent, der sich getraut hätte, dem Altbundespräsidenten und erfolgreichsten neudeutschen Nachdenklichkeitsdarsteller seine Stilblüten, seine historischen Aberwitze und die kostbaren Perlen seiner Eitelkeit vorzuzählen. Immerhin belegt das Buch den Verdacht, daß die letzten fünfzig Jahre Vergangenheitsbewältigung nur für die Auslage waren. Keine Moralkeule weit und breit. So begann das also für Wolfgang Nitschke. Und dann war da noch der WDR, der ihm femab seiner Kulturprogramme im Rundfunk einen regelmäßigen Sendeplatz zum Bestsellerwürgen einräumte. Tapfer hat er dann von "Aphrodite - Eine Feier der Sinne" von Isabelle Allende bis "Yeti - Legende und Wirklichkeit" vom legendären, doch wirklichen Bergsteiger Messmer alles gefressen und verdaut, um sie uns schließlich als naturgemäß anrüchige Appetitverderber zu servieren. Was für ein Triumph der Ökonomie. Auf 127 saftigen Seiten lesen wir von den Abertausenden, die wir fortan keinesfalls mehr lesen müssen oder können. Wie z. B. den letzten SchollLatour:
"Liebe Leser! Allah ist groß und der liebe Gott nicht minder; genauso groß ist Manitu, von Jahwe janz zu schweigen. Aber und das müssen diese vier Bartmänner zugeben - einer is' noch bärtiger und noch 'ne Ecke größer:
PETER SCHOLL-LATOUR! Wie jene Götter, so hat auch Peter Scholl-Latour, »the Godfather of the Allroundwissen-, so ziemlich alles vollbracht, was ein Gott so vollbringen kann. Er hat alle möglichen und unmöglichen Sprachen studiert, und Griechisch, Babylonisch, Latein und Kongo; Französisch kann er rückwärts beten, Arabisch von rechts nach links und Hebräisch ... na, da hapert's noch. Er war Herausgeber vom »stern«, Fernsehdirektor vom WDR und Korrespondentenkaiser von Indochina. Peter wurde weltberühmt durch sein Mitteilungsbedürfnis und letzte Woche heiliggesprochen.
Liebe Leser, andere Götter beließen es bei 1 Bestseller und lebten fortan und kontaktlos in ihrem Kuckucksheim. Nicht so Peter »der Bolzen« Scholl-Latour! Nach seinen drei Bibeln »Der Tod im Spargelfeld«, »Das Pferd des Islam« und »Die Zukunft der Mützenmänner« sieht sich die Menschheit nun mit einem neuen Scholl-Latour-du-monde konfrontiert: »Lügen im Heiligen Land - Machtproben zwischen Euphrat und Nil.« Ein Monstrum an Bescheidenheit, megalomanisch in seiner Selbstbeschränkung; salomonischer als Salomon und Weizsäcker als Weizsäcker. Kurzum: ein deutsches, aber anständiges Buch, ein christliches, aber menschliches, ein tolerantes, aber eins aus dem Hause Wolf Jobst Siedler.
Nun, liebe Gläubigen, kommen wir vom Erhabenen zum noch Erhabenerereren! Also spricht der Meister zu uns in seinem Vorwort, das ER nicht Vorwort nennt, sondern schlicht »avant-propos«; also Vorwort: »Ich weiß sehr wohl, daß die Zerreißproben im Heiligen Land nicht an dem Tag zum Stehen kommen, der für das Erscheinen dieses Buches vorgesehen ist.« Nee, is' klar. Würd' ich auch so sehen. Aber spätestens doch dann, Maitre, wenn ein jeder DEIN CEuvre gelesen hat, oder? Doch Peter »Mein ist die Rede« Scholl-Ledieu läßt sich nicht beirren und avant-propotet weiter: »Ich berichte ohnehin nur über Geschehnisse, die ich höchstpersönlich und hautnah erlebt habe.« Na, das woll'n wir mal auch annehmen. Aber sag, Sidi, warum sagst DU das? Etwa wegen Konzelmann, der so herrlich klauen kann? Oder wegen Friedhelm Brebeck-»Massengräber«, unserm lieben Röchelmann aus den Schluchzen des Balkan? Oder wegen der undurchsichtigen Muselmännin Annemarie Schimmel - »Unterm Tschador«?
Ach, Quatsch avec sauce! 1.: Verschleiern muß Kara Ben Nemsi gar nix, erfinden schon mal 2.: Überhaupt nie nix, und zitieren tut ER wenn schon, denn schon nur sich selbst. Da ist sich Peter höchstpersönlich selbst der nächste.
Und was gibt's dagegen schon zu klagen? So was tun auch andere höchste Höchstpersönlichkeiten; man denke nur an Allah und den lieben Gott.
Und so sprudelt's aus dem Stein der Weisen: »Die Tatsache, daß ich bei den Zitaten früherer Erfahrungen kein Wort ändern, kein Urteil revidieren muß, sollte zugunsten der Stichhaltigkeit meiner Prognosen sprechen.« So spricht der Herr, der Wüstenfuchs. Mir kann keiner. Vor allem nicht das Wasser reichen."
Die frommen Zweifel der Gräfin Dönhoff, Arnulf Barings westerwellenflache Sorgen um Deutschland, Jürgen Busches verplauderte, Anatomie von Helmut Kohl, Guido Knopps schwer ölige Historiensoaps oder die trotzigen Träume vom Machiavelli für ewige Mädchen ä la Ute Erhardt oder Harriet Rubin - die schöne bunte Welt des volkstümelnden Tiefsinns und seiner Fließbandarbeiter, darin kennt sich Wolfgang Nitschke aus wie kein zweiter:
"Bei den meisten Leuten, die solche Bücher schreiben, steht, glaube ich, im Vordergrund eine große Volksverarschung, also, daß die nicht so doof sind, ihren Mist auch noch zu glauben.'
Bei seinem Parcours durch den orakelnden Schwachsinn glaubt Wolfgang Nitschke nirgends. er wüßte alles - und alles besser und ähnelt insofern nicht den Kollegen vom Fach, die immer schon wußten, daß Bestseller nichts taugen, ohne je einen gelesen zu haben. Allerdings fürchte ich, daß die kritische Enthaltsamkeit gegenüber dem Bestseller weniger mit Hochmut zu tun hat, sondern eher mit der häßlichen Ahnung, daß Bücher nicht per se Edelmedien sind - und darüber hinaus: daß die ganze Branche samt Kritikern ihr Überleben eher dem spirituellen Bodensatz verdankt als den Exerzitien der Stipendiatenliteratur - die allerdings den schätzbaren Vorteil hat, Buchpreise zum geschätzten Gut zu machen.
Jedenfalls, Nitschkes vernichtendste Argumente sind die Zitate - Kolateralschäden unvermeidlich. Ansonsten spielt er den arglosen Lesekunden, der sich in die Welt des vielversprechenden Buches verirrt hat und jetzt auf den Pfaden eines gewitzten Alltagsverstandes den Ausweg sucht. Das kann lustig werden. So wenig wie mit einem Pudding kann man sich mit Gräfin Dönhoff duellieren. Während sie die Welt zum Schrebergarten ihrer moralischen Sendung macht, entdeckt Nitschke fröhlich schwadronierend das entscheidendere Problem: die Welt der Gräfin.
Nein, Wolfgang Nitschke ist kein Gerechter. Ihn interessieren nicht die gelegentlich auftretenden Wahrheiten, sondern die bis ins Mark gefälschten Attitüden der Bestsellerindustrie: die Grübelposituren, die geschminkten Sorgenfalten, der palavernde Journalismus, das gefällige Lamento und aufgeregte Enthüllungsgetue.
Selbst, wer nie in Gefahr gerät, anhand von fünf auf tibetanisch gequälten Leibesübungen Gott zu suchen, wird nach fünf Seiten Nitschke der Wonnen intelligenter Gotteslästerung teilhaftig. So lernen wir zwar nichts aus den Bestsellern. doch viel über sie. Sie sind Teil der Misere. die sie zu beheben versprechen. Nitschke:
"Ich gehe mal davon aus, daß die Liste einfach dazu da ist, den Leuten so eine Geschenkliste an die Hand zu geben. D.h., Emma hat morgen Geburtstag. Wir schenken der am besten so einen aktuellen Bestseller. Da brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen. Und zack hat die schon wieder so einen Schmöker da an der Wand stehen. Und weder der Käufer noch der Beschenkte werden das jemals anpacken. Und dann glaube ich, daß auch viele Dinger gefakt sind vom Buchhandel. Daß das, erstens, Ladenhüter sind und, zweitens, große Namen - wie Weizsäcker. Der hat wieder ein neues Buch geschrieben. Das wird dann groß herausposaunt, und so wird das eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Dann wird der ganze Haufen weggekauft.'
Bestseller sind lang, Nitschke kurz. Und so wollen wir den Leser am Ende trösten: Nitschke frißt weiter - für die nächste Schlachtplatte.