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Besuch aus der Mongolei

Bei einem Schüleraustausch können Kinder und Jugendliche eine andere Kultur kennenlernen und erworbene Sprachkenntnisse in der Praxis anwenden. Meist stammen die Partnerschulen aus Ländern wie Frankreich, England oder den USA. Das Otto-Hahn-Gymnasium in Göttingen hat jedoch exotischeren Besuch: Eine Schülergruppe aus der Mongolei ist derzeit für zwei Wochen zu Gast in Südniedersachsen.

Von Susanne Schrammar |
    In einem Reagenzglas untersuchen Schüler eine Wasserprobe, die sie gerade aus dem Göttinger Fluss Leine geschöpft haben. Sie wollen den Nitrit-Gehalt des Wassers bestimmen. Gut, dass dies ganz einfach mit einer Farbtabelle und ohne viel Worte möglich ist. Denn: Die einen sprechen Deutsch und die anderen vor allem Mongolisch.

    15 Schülerinnen und Schüler aus Darkhan, eine Stadt im Norden der Mongolei, sind derzeit zu Gast am Otto-Hahn-Gymnasium in Göttingen. Die meisten von ihnen besuchen zum ersten Mal Europa und leben zwei Wochen in Gastfamilien mit Partnerschülern aus der neunten Klasse. Ein ungewöhnliches Pilotprojekt - normalerweise bekommen die Göttinger Besuch von ihren Partnerschulen in den USA, England oder der Schweiz. Ein ehemaliger Kollege, der jetzt als Wissenschaftler in der Mongolei arbeitet, hat den Austausch angeregt, erzählt Erdkundelehrer Bertram Tyron.

    "Das ganze Projekt ist im Rahmen eines Umweltbildungsprojektes angesiedelt mit dem großen Thema 'Ressource Wasser'. Darkhan, die Stadt in der Mongolei, liegt an einem Fluss, ebenso wie Göttingen hier an der Leine und die Idee ist, dass man beide Gewässer partnerschaftlich untersucht - wie wird mit der Ressource Wasser umgegangen, insofern haben wir auch fast jeden Tag hier irgendwie mit Gewässern zu tun."

    Wasser ist ein rares Gut - dort, wo die mongolischen Schüler leben. Darkhan ist zwar die drittgrößte Stadt der Mongolei, liegt aber mitten in der Steppe. Regen fällt kaum und die Wüste ist weit verbreitet. Jurtensiedlungen und die nomadische Lebensweise gehören dort noch zum Alltag. Umweltbewusstsein entwickelt sich erst langsam in der Mongolei, erzählt Erhardt Irmer, Chemielehrer am Otto-Hahn-Gymnasium, der zur Vorbereitung nach Darkhan gereist ist. Naturwissenschaftliche Experimente können dort wegen mangelnder Ausstattung der Schulen oft nicht stattfinden. Bei den gemeinsamen Untersuchungen in Göttingen sollen die Schüler jetzt ein Gefühl dafür bekommen, dass Gewässerschutz ein globales Problem ist, erklärt Irmer:

    "Die Schüler verstehen nicht den Sinn eines jeden einzelnen Wertes, aber sie erfahren: Man muss sich drum kümmern, es gibt Methoden, mit denen man das machen kann und wenn wir jetzt in der nächsten Woche in der Uni und im xlab, dem Schüler-Labor, sind, dann werden diese hier gemessenen Werte auch noch mal aufgegriffen und vertieft."

    Nomin-Erdene: "In der Mongolei gibt es jetzt keine grünen Bäume und Geschäften sind sehr groß und ich sehen Schaufenster und meine Gastfamilie gefällt mir sehr."

    Die 14-jährige Nomin-Erdene lernt bereits seit drei Jahren Deutsch. In der Mongolei, die früher enge Verbindungen in die DDR pflegte, gibt es viele Schüler, die später einmal in Deutschland studieren wollen.

    Der 14-jährige Martin Koch, Nomin-Erdenes Austauschpartner, konnte bislang kein einziges Wort mongolisch. Ein kleines Abenteuer sei dieser Schüleraustausch, sagt der Junge mit der Hornbrille, doch die beiden verstünden sich gut - notfalls mit Händen, Füßen oder Englisch:

    "Beim Fahrradfahren zum Beispiel hat sie mich letztens nach den Verkehrsregeln gefragt und da ist dann meistens ein bisschen leichter, wenn man doch auf Englisch kurz spricht."

    Erleben die Gäste aus dem Land Dschingis Khans die deutsche Studentenstadt als Kulturschock? Sie lassen es sich jedenfalls nicht anmerken. Mongolen sind ausgesprochen freundlich und zurückhaltend, erzählt Andrea Hennig, die seit acht Jahren Deutsch an der Schule in Darkhan unterrichtet. Doch sie wundern sich, zum Beispiel darüber, dass die Deutschen so wenig Fleisch essen, so viele Haustiere haben und wenn jemand pfeift, dann gehen sie in Deckung: Böse Geister könnten dadurch geweckt werden - ein alter Aberglaube in der Mongolei. Man spürt: Die Neugier der Jugendlichen aufeinander ist größer als der kulturelle Unterschied. Dennoch sollten die Göttinger Schüler schon mal schlürfen üben - für den Gegenbesuch im September in Darkhan. Das machen Mongolen nämlich, sagt Andrea Hennig und grinst.

    "In der Mongolei darf ich die Suppe schon auch laut essen, weil ich dann den Geschmack auf der Zunge besser entfalte, als ein Zeichen dessen, dass mir die Suppe wirklich gut schmeckt."