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Besuch beim Zigarrenkönig

Kultur hautnah erleben. Diese Möglichkeit haben Italiener an diesem Wochenende. 590 sonst nicht leicht zugängliche Kulturgüter sind für Besucher geöffnet, darunter die Villa Hüffer auf der Via Nazionale.

Von Thomas Migge | 28.03.2010
    Jeden Tag frequentieren Römer und Rombesucher die zentrale Via Nazionale: Geschäfte und die städtische Kunsthalle locken. Achtlos gehen sie an einem dreistöckigen eleganten Gebäude vorbei, das sich direkt bei der Kunsthalle erhebt. Ein neoklassizistischer Bau, der durch ein schmiedeeisernes Tor und einen mit Palmen bestandenen Vorhof zu erreichen ist.

    Das Innere ist palastähnlich - mit Marmorsäulen und -vertäfelungen ausgeschmückt. Der Bauherr hatte Geschmack. Von ödem und repetitivem Historismus ist bei diesem Gebäude, anders als bei vielen anderen, keine Rede. Eher von einer gelungen Wiederauflage architektonischer Vorbilder, die sich am späten 18. und frühen 19. Jahrhundert orientieren. Wilhelm Hüffer ließ das nach seinem Namen benannte Villino – eine kleine Villa, was angesichts der Ausmaße eine Untertreibung darstellt, mit einem 24 Mal 34 Meter großen Grundriss zwischen 1880 und 1883 bauen. Der in Münster geborene Deutsche setzte damit im erst seit wenigen Jahren zur Hauptstadt ernannten Rom ein architektonisches Fanal. Adel und Königshaus waren so begeistert von dem Villino Hüffer, dass sie dem Hausherrn Besuche abstatteten.

    Das Gebäude kann nicht wie ein Museum besichtigt werden, erklärt Caterina Curti, Leiterin der römischen Delegation des Fondo Ambiente Italiano, des FAI, die italienische Version des britischen National Trust. Wie dieser kümmert sich der private FAI um dem Erhalt und die Restaurierung historischer Gebäude:

    "Das Villino Hüffer ist Sitz des historischen Archivs der Nationalbank und deshalb nicht einfach zu besichtigen. Das Archiv besitzt alle wichtigen Dokumente zu ehemaligen italienischen Währung, der Lira, und zur Wirtschaftsgeschichte. Es ist übrigens im letzten Jahr mit dem europäischen Preis für das am besten erhaltene Wirtschaftsarchiv ausgezeichnet worden. Untergebracht ist auch eine umfangreiche Bibliothek."

    Über Wilhelm Hüffer ist in Reiseführern so gut wie gar nichts zu finden. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil man bis heute seine ehemalige Residenz in Rom nicht besichtigen konnte. Das ist wirklich harmonisch gestaltete und elegante Bauwerke der italienischen Gründerzeit sind in der Tiberstadt selten. In der Regel zog man in jenen Jahren schnell mächtige Gebäude hoch, darunter alle Ministerien, die weder originell noch schön anzusehen sind. Das kleiner dimensionierte "Villino Hüffer" bildet eine Ausnahme.

    Hüffer wurde mit dem Import kubanischer Zigarren reich. Zeitweise besaß er das europäische Monopol für diese Ware. Zunächst lebte er in Paris, bis dort der französisch-preußische Krieg ausbrach und er nach Rom umzog. Dem Villino ein Entwurf des französischen Architekten Jules Antoine François Auguste Pelléchet zugrunde. Pelléchet entwarf eine Fassade, die eher an Paris als an Rom erinnert. Das Erdgeschoss besteht aus einer Reihe bogenförmiger Eingansportale über das sich das erste Stockwerk als Beletage erhebt, der Wohnbereich des wohlhabenden Geschäftsmanns, mit typisch französischen hohen und von einem Tympanon gekrönten Festern. Die zentralen drei Festern werden durch korinthische Säulen hervorgehoben. Dieses Ensemble erinnert an die Loggia des Palazzo Borghese, in dem Hüffer zu Anfang seines römischen Aufenthaltes lebte. Der zweite Stock ist weniger hoch als die Beletage und mit rechteckigen Fenstern durchbrochen. Das Dach ist, ganz italienisch, flach und ohne schrägen Dachstuhl.

    Das Innere des Gebäudes wirkt wie ein Bühnenbild zum ersten Akt von Giuseppe Verdis "La Traviata".

    "In Rom ist so eine Raumgestaltung sehr selten. Sie richtet sich an einer französischen Stadtresidenz aus. Über eine breite Marmortreppe geht es in den ersten Stock, wo sich der beeindruckende Ballsaal befindet, das Zentrum des Gebäudes. Hier fanden die mondänsten römischen Feste jener Zeit statt. Der Dichter Gabriele d’Annunzio war ständiger Gast. Sämtliche Wandmalereien in diesem Saal stammen von Annibale Brugnoli."

    Was den Saal für ein Bauwerk des späten 19. Jahrhunderts einmalig macht: das pariser Unternehmen Profonry beschaffte aus ganz Europa mehrfarbigen Marmor, so dass der Ballsaal wie ein Entwurf aus der Zeit des französischen Königs Ludwig XIV. wirkt. Der chromatische Fußboden- und Wandmarmor, die vergoldeten Bronzedekorationen, die großen Spiegel und die 186 Lampen, darunter ein riesiger Kron- und zahlreiche Wandleuchter, machen diesen Saal sicherlich zu einem der schönsten Roms.

    Nach den beiden Tagen der offenen Tür des FAI an diesem Wochenende wird das Villino Hüffer nicht wieder komplett dicht gemacht. Besucher, die sich bei der Nationalbank rechtzeitig anmelden, können die römische Residenz des deutschen Tabakmillionärs bei ihrem nächsten Rombesuch besichtigen.