Das Café Avenida unweit des Brüsseler Süd-Bahnhofs. Hier treffen sich Marokkaner am späten Nachmittag zu einem Tee mit frischer Minze oder einem Kaffee. Auch Sfia Bouarfa kommt gerne hier her. Die Abgeordnete im belgischen Senat, eine Art Oberhaus, hat selbst marokkanische Wurzeln und findet hier ein Stück Heimat.
Ein Thema kommt bei den Kaffee-Besuchern zurzeit immer wieder hoch: Das Problem mit den Touristen-Visa für Angehörige und Freunde. Nach den Informationen von Sfia Bouarfa werden rund 90 Prozent der Anfragen abgelehnt.
"Natürlich gibt es einige Leute, die ganz einfach als Touristen Europa besuchen wollen. Aber wir haben hier viele Marokkaner, Türken und Afrikaner. Und die wollen zum Beispiel ihre Eltern einladen, weil sie heiraten oder ein Kind bekommen. Aber die Prozedur ist so kompliziert. Wenn ich morgen krank werde, weiß ich, dass meine Mutter nicht kommen könnte. Wenn ich ein schweres Problem hätte, weiß ich, dass sie nicht schnell genug hier sein könnte. Diese Situation ist wirklich grotesk."
Sfia Bouarfa steht mit ihrer Kritik nicht alleine. Immer wieder bekommt die Senatsabgeordnete Anfragen von betroffenen Marokkanern, aber auch von Türken und Afrikanern, deren Familienmitglieder nicht zu Besuch kommen dürfen. Auch der junge Café-Besitzer kennt viele solcher Fälle.
"Ich spreche jeden Tag mit Leuten, die ihre Familie hierher einladen wollen. Sie brauchen so viele Unterlagen. Sie müssen genug Geld verdienen, um ihre Eltern einladen zu können. Das ist auf jeden Fall strenger geworden. Früher hat es gereicht, wenn man eine Hotel-Reservierung vorweisen konnte. Dann war das in Ordnung."
Um ein Touristen-Visum zu erhalten, muss der Besucher überzeugend darlegen, dass er nach seinem Aufenthalt in Belgien wieder zurück in sein Heimatland reist. Seine Familie muss finanziell in der Lage sein, den Besucher zu versorgen. Ist beides garantiert, kann das Konsulat oder die Botschaft im Heimatland des Besuchers ein entsprechendes Visum ausstellen.
Doch nicht immer bleibt es bei diesen Basis-Anforderungen, sagt Julie Lejeune vom Zentrum für Chancengleichheit und gegen Rassismus:
"Oft werden diese gesetzlichen Regeln durch mündliche Anordnungen ergänzt. Die betreffen zum Beispiel den Geldbetrag, den die Familie nachweisen muss, um einen Besucher empfangen zu dürfen. Meist ist der Grund für eine Ablehnung aber, dass die Behörden nicht davon überzeugt sind, dass der Besucher tatsächlich in sein Heimatland zurückkehrt. Dabei sind das meistens Leute, die schon seit Jahren immer wieder nach Belgien kommen, um ihre Familie zu besuchen. Sie sind also schon sechs oder sieben Mal in ihr Land abgereist und plötzlich dürfen sie nicht mehr nach Belgien kommen."
Ganz unbegründet ist die Angst der belgischen Behörden allerdings nicht. Rund 100.000 Menschen leben illegal in Belgien. Einige von ihnen sind mit einem Touristenvisum ins Land gekommen.
Die Senatsabgeordnete Sfia Bouarfa hatte sich bereits in einer öffentlichen Parlamentsanfrage beim Innenminister über die hohe Zahl von Ablehnungen beschwert. Minister Patrick Dewael kann den Ärger der Abgeordneten nicht nachvollziehen. Nach offiziellen Angaben beträgt der Anteil der negativen Visa-Bescheide rund 60 Prozent. Der zuständige Direktor beim Ausländeramt, Freddy Rosemont, vermutet hinter den Vorwürfen der Senatsabgeordneten einen einfachen Rechen-Fehler:
"Wir haben ein gemischtes System in Belgien. Die Diplomaten überall in der Welt können eigenständig Visa vergeben, wenn die Akte komplett ist und es keine Zweifel gibt. Nur wenn die Diplomaten nicht überzeugt sind, wird die Akte nach Brüssel geschickt. Es ist also ganz normal, dass die negativen Bescheide hier bei uns häufiger vorkommen. Aber es sind sicherlich nicht 90 Prozent. Das ist klar."
Das Zentrum für Chancengleichheit, das von der belgischen Regierung unter anderem damit beauftragt ist, die Rechte von Flüchtlingen und Ausländern in Belgien zu überwachen, will zwar die Zahl von 90 Prozent nicht bestätigen, Julie Lejeune beobachtet aber durchaus eine Verschärfung bei der Visa-Vergabe. Und das hat Folgen:
"Die hier legal lebenden Einwanderer haben das Recht auf Familienzusammenführung. Und weil nun die Visa-Vergabe so kompliziert ist, berufen sich immer mehr Leute auf dieses Recht. Sie holen also ihre Eltern dauerhaft nach Belgien, obwohl die eigentlich nie die Absicht hatten, tatsächlich nach Belgien einzuwandern. Die Eltern wollten einfach nur den familiären Kontakt halten."
Die belgische Visa-Praxis hat also genau das zur Folge, was eigentlich vermieden werden sollte: Mehr dauerhafte Einwanderer in Belgien.
Ein Thema kommt bei den Kaffee-Besuchern zurzeit immer wieder hoch: Das Problem mit den Touristen-Visa für Angehörige und Freunde. Nach den Informationen von Sfia Bouarfa werden rund 90 Prozent der Anfragen abgelehnt.
"Natürlich gibt es einige Leute, die ganz einfach als Touristen Europa besuchen wollen. Aber wir haben hier viele Marokkaner, Türken und Afrikaner. Und die wollen zum Beispiel ihre Eltern einladen, weil sie heiraten oder ein Kind bekommen. Aber die Prozedur ist so kompliziert. Wenn ich morgen krank werde, weiß ich, dass meine Mutter nicht kommen könnte. Wenn ich ein schweres Problem hätte, weiß ich, dass sie nicht schnell genug hier sein könnte. Diese Situation ist wirklich grotesk."
Sfia Bouarfa steht mit ihrer Kritik nicht alleine. Immer wieder bekommt die Senatsabgeordnete Anfragen von betroffenen Marokkanern, aber auch von Türken und Afrikanern, deren Familienmitglieder nicht zu Besuch kommen dürfen. Auch der junge Café-Besitzer kennt viele solcher Fälle.
"Ich spreche jeden Tag mit Leuten, die ihre Familie hierher einladen wollen. Sie brauchen so viele Unterlagen. Sie müssen genug Geld verdienen, um ihre Eltern einladen zu können. Das ist auf jeden Fall strenger geworden. Früher hat es gereicht, wenn man eine Hotel-Reservierung vorweisen konnte. Dann war das in Ordnung."
Um ein Touristen-Visum zu erhalten, muss der Besucher überzeugend darlegen, dass er nach seinem Aufenthalt in Belgien wieder zurück in sein Heimatland reist. Seine Familie muss finanziell in der Lage sein, den Besucher zu versorgen. Ist beides garantiert, kann das Konsulat oder die Botschaft im Heimatland des Besuchers ein entsprechendes Visum ausstellen.
Doch nicht immer bleibt es bei diesen Basis-Anforderungen, sagt Julie Lejeune vom Zentrum für Chancengleichheit und gegen Rassismus:
"Oft werden diese gesetzlichen Regeln durch mündliche Anordnungen ergänzt. Die betreffen zum Beispiel den Geldbetrag, den die Familie nachweisen muss, um einen Besucher empfangen zu dürfen. Meist ist der Grund für eine Ablehnung aber, dass die Behörden nicht davon überzeugt sind, dass der Besucher tatsächlich in sein Heimatland zurückkehrt. Dabei sind das meistens Leute, die schon seit Jahren immer wieder nach Belgien kommen, um ihre Familie zu besuchen. Sie sind also schon sechs oder sieben Mal in ihr Land abgereist und plötzlich dürfen sie nicht mehr nach Belgien kommen."
Ganz unbegründet ist die Angst der belgischen Behörden allerdings nicht. Rund 100.000 Menschen leben illegal in Belgien. Einige von ihnen sind mit einem Touristenvisum ins Land gekommen.
Die Senatsabgeordnete Sfia Bouarfa hatte sich bereits in einer öffentlichen Parlamentsanfrage beim Innenminister über die hohe Zahl von Ablehnungen beschwert. Minister Patrick Dewael kann den Ärger der Abgeordneten nicht nachvollziehen. Nach offiziellen Angaben beträgt der Anteil der negativen Visa-Bescheide rund 60 Prozent. Der zuständige Direktor beim Ausländeramt, Freddy Rosemont, vermutet hinter den Vorwürfen der Senatsabgeordneten einen einfachen Rechen-Fehler:
"Wir haben ein gemischtes System in Belgien. Die Diplomaten überall in der Welt können eigenständig Visa vergeben, wenn die Akte komplett ist und es keine Zweifel gibt. Nur wenn die Diplomaten nicht überzeugt sind, wird die Akte nach Brüssel geschickt. Es ist also ganz normal, dass die negativen Bescheide hier bei uns häufiger vorkommen. Aber es sind sicherlich nicht 90 Prozent. Das ist klar."
Das Zentrum für Chancengleichheit, das von der belgischen Regierung unter anderem damit beauftragt ist, die Rechte von Flüchtlingen und Ausländern in Belgien zu überwachen, will zwar die Zahl von 90 Prozent nicht bestätigen, Julie Lejeune beobachtet aber durchaus eine Verschärfung bei der Visa-Vergabe. Und das hat Folgen:
"Die hier legal lebenden Einwanderer haben das Recht auf Familienzusammenführung. Und weil nun die Visa-Vergabe so kompliziert ist, berufen sich immer mehr Leute auf dieses Recht. Sie holen also ihre Eltern dauerhaft nach Belgien, obwohl die eigentlich nie die Absicht hatten, tatsächlich nach Belgien einzuwandern. Die Eltern wollten einfach nur den familiären Kontakt halten."
Die belgische Visa-Praxis hat also genau das zur Folge, was eigentlich vermieden werden sollte: Mehr dauerhafte Einwanderer in Belgien.