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Beten, Sammeln, Lesen

Eine Schmetterlings- und Steinsammlung oder auch eine Kollektion Wachsfrüchte - wer das Kloster Admont in der Steiermark besucht, der stößt auf so einige Kuriositäten, die von der Sammelleidenschaft der Mönche zeugen. Am imposantesten ist jedoch die weltweit größte Klosterbibliothek.

Von Stefan May | 13.01.2008
    Kurz bevor sich das Ennstal verengt und der Fluss zwischen den steilen Kalkbergen des Gesäuses tatsächlich hindurch saust, stemmt sich das Stift Admont mit seinen beiden kantig-spitzen Türmen aus dem Talboden. Seit fast einem Jahrtausend leben hier ohne Unterbrechung Mönche und folgen der Regel ihres Ordensgründers, des heiligen Benedikt, der dreierlei vorschrieb: Ora et labora et lege: Bete, arbeite und lies.

    Dreimal am Tag kommen die mehr als zwei Dutzend Mönche in der neugotischen Kirche zum Gebet zusammen. Von der einst romanischen Kirche ist nicht viel übrig geblieben, nachdem 1865 ein Brand das Kloster zerstört hatte. Doch seine Bewohner haben es rasch wieder aufgebaut und zu einem geistlichen und geistigen Zentrum der Region gemacht.

    Heute ist es mit seinem Engagement für zeitgenössische Kunst ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Mäzen. Sich der Welt öffnen, bezeichnet das der Abt von Stift Admont, Bruno Hubl. Die Menschen am klösterlichen Leben teilhaben lassen:

    "Uns ist einfach wichtig, dass wir sozusagen im Gespräch mit der heutigen Welt und der heutigen Zeit sind, und andererseits wollen wir auch irgendwie sensibel sein für das, was die Menschen heute bewegt. Und deswegen haben wir auch ein zeitgenössisches Museum eingerichtet. Es geht nicht nur darum, dass jetzt einige zeitgenössische Exponate ausgestellt werden, sondern es gibt ja auch hier Begegnungen mit den Künstlern, also mit unserer Gemeinschaft und mit den Künstlern. Ich denke halt, dass wir einfach voneinander auch wirklich lernen können."

    Im Südtrakt der Gebäude, die die Kirche wie ein schützender Vierkanter umgeben, und deren mild-gelbe Mauern dicker sind als ein ausgestreckter Arm, ist Österreichs kontrastreichstes Museum untergebracht, wie es sich gerne bezeichnet: drei Einzelschauen, die sogar den österreichischen Museumspreis gewonnen haben, so wie auch die Homepage des Klosters schon Preise eingeheimst hat oder der Stiftswein, der auf Gütern in Slowenien angebaut wird. Über flache Stufen aus Magnesitstein, der eigenartige Farn- und Blütenmuster zeichnet, steigt man in den zweiten Stock. Links der Treppe beginnt die Ausstellung der Gegenwartskunst: Elf sprechende Hosen stehen da zwischen vielen anderen Exponaten. Ein Stück weiter hängt an der Wand ein Teppich aus 1440 mit 4000 Kabelbindern aneinander gehefteten Musikkassetten.

    Rechts der Treppe beginnt der Kontrast, gleichzeitig auch das, was mit dem zweiten Auftrag Benedikts - labora, arbeite - zu tun hat: das Naturhistorische Museum. Hier haben Mönche in akribischer Hingabe einst beachtliche Sammlungen angelegt: Pater Strobl etwa hat im 19. Jahrhundert Insektenforschung betrieben. In langen Vitrinen sind die inzwischen schon etwas ausgebleichten Körper mit Nadeln aufgespießt: Weidenbohrer und Ligusterschwärmer, Nachtpfauenaugen und Hirschkäfer. Einer der Besucher, der Theologieprofessor Reinhold Esterbauer aus Graz, macht mit seiner Familie einen Ausflug nach Admont und bringt soeben seinen beiden Töchtern mit erstaunlicher Fachkenntnis die Insektensammlung näher.

    "Das sind Bären, so heißen die Schmetterlinge, und die kennt man am besten, weil sie diese buschigen Raupen haben. Die kannst du züchten, haben wir als Kinder gemacht, ja, ja, die schlüpfen dann, der braune Bär zum Beispiel, das ist wie der da oben, wie der braune Bär, aber ist halt ein Schmetterling, schön, so mit den roten Flügeln oben. Aber das Tolle ist hier im Museum auch noch, dass die diese Raupen auch präpariert haben. Da braucht man so ein ganz eigenes Gerät, dass man die Raupen ausblasen kann, sonst würden die ja verfaulen. Und so bleiben die dann übrig, und das sind dann nur mehr quasi die Hüllen, die sind aber getrocknet, und da sieht man schön die Färbung."

    Ein anderer Pater war Pomologe: Er hat eine in Wachs bossierte Obstsammlung angelegt. In einem dunklen Raum leuchten hinter Glasfenstern bunte Wachsmodelle von 200 Jahre alten Erdbeeräpfeln oder Herbstbutterbirnen. Ein weiteres Zimmer zeigt in alten Holzvitrinen die Steine der Region, sauber mit strenger Tintenschrift auf vergilbten Zetteln angeschrieben: Dolomit, Kalkschiefer, Achat.
    Das Geschoss darunter ist der Geschichte des Stifts gewidmet: In drei Räumen machen Multimediavorführungen die Besucher auf moderne Art mit Benedikt und seiner Lehre bekannt:

    "Um 480 wird in Nursia, dem heutigen Murcia, einer kleinen Stadt Umbriens, ein Kind geboren. Seine wohlhabende Familie gehört der Oberschicht der Stadt an und tauft es auf den Namen Benedikt."

    Und auch einer der Betriebe des Stifts präsentiert sich: Die Holzindustrie stellt ihre Naturböden aus: Mocca Eiche, Antico Esche, Classic Walnuss. Das Holz der riesigen Wälder rundum hat das Stift wohlhabend gemacht. In Österreich gehört es zu den fünf größten Grundbesitzern, auch wenn Wirtschaftsdirektor Helmuth Neuner bescheiden tiefstapelt:

    "Wir sind ein regionaler Player. Das sind wir schon seit über 900 Jahren. Wenn ich uns jetzt einschätzen würde, wirtschaftlich in Österreich, so spielen wir in Österreich keine wirkliche Rolle, hingegen in der Region eine sehr wesentliche Rolle. Urbanisierung, die ja aus dem Stiftungsauftrag herauskommt, ist ja unsere Aufgabe, und da gehört ja die regionale Entwicklung dazu."

    Und so betreibt das Kloster nicht nur Holzindustrie, sondern auch kleine E-Werke entlang der Enns, eine Gärtnerei, handelt mit Immobilien und führt ein Stiftsgymnasium sowie ein Pflegeheim. Mit 500 Beschäftigten ist Stift Admont der wichtigste Arbeitgeber in der Umgebung.

    Um das Juwel der Anlage zu sehen, das den dritten Auftrag Benedikts an seine Mönche darstellt - lege, lies - wenden wir uns im Museumstrakt dem einzigen Bauteil zu, der vom Brand vor 142 Jahren verschont wurde: der 1776 geschaffenen Bibliothek. Sie ist mit 70 Metern Länge die größte Klosterbibliothek der Welt. Derzeit wird sie um sechs Millionen Euro generalsaniert und nächstes Jahr feierlich wiedereröffnet.

    Vieles ist schon frisch herausgeputzt: sie weiten Bücherwände mit dem Wissen von Jahrhunderten oder der Großteil der Decke mit opulenten biblischen Motiven, die der damals 80-jährige Bartolomeo Altomonte gemalt hat - hoch über dem Marmorfußboden mit Kippeffekte verursachendem Rautenmuster. Weiße mit Gold eingelegte Rokokosäulchen begrenzen die Regale mit den dicken Büchern.
    Insgesamt sind es 200.000 Bände, aber nicht alle werden ausgestellt, erzählt der Stiftsarchivar, Johann Tomaschek:

    "Es sind das in der Hauptsache die Bücher vom frühen 16. bis ins 19. Jahrhundert, denn die noch älteren, mittelalterlichen Handschriften, die ältesten Drucke sind, nicht zuletzt aus Sicherheits- und konservatorisch-klimatischen Gründen, in eigenen Räumen untergebracht. Und für die neueren Bücherbestände seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es nun auch modernere Magazine."

    Die Bibliothek strahlt eine Harmonie aus barockem Schwung und akademischem Ernst aus. Nur wer genau hinsieht, merkt, dass an mancher Stelle einige Buchrücken aus Holz sind. Die Führerin weiht eine Besuchergruppe in den Mechanismus der Geheimtüren in der Bibliothek ein:

    "Diese Tür kann man natürlich auch aufsperren. Ich habe da einen tollen Schlüssel bei mir. Hier gibt es einen Buchrücken mit einem Knopf. Das kann man zurückziehen. Ja, jetzt kann man die Sache auch aufsperren. Und jetzt gebe ich da einen Schubs, und dann machen wir hier auf. Ja, und da haben wir die Stiege vor uns, eine Wendeltreppe führt nach oben, führt in die Galerie, und da kommt man eben hinauf zu den anderen Büchern. Ein Zugang war wichtig, ja, sonst wäre das oben verloren. Und man hat sich gedacht, na ja, um den Raum nicht zu stören, macht man das so, dass das gar nicht auffällt. Und das ist wirklich gelungen, muss man sagen, denn, wenn ich nichts gesagt hätte zu ihnen, wären sie da vorbeimarschiert, ja, bin ich mir sicher."

    Nach ausgiebiger Besichtigung drängen sich die Besucher im Speisesaal des Stiftskellers. An die 70.000 Gäste hat das Stift pro Jahr, meist Tagesbesucher, Tendenz steigend. Da sitzen sie dann bei Ennstaler Käsesuppe oder Benediktinerteller und Messwein und blicken aus dem Wintergarten hinaus auf den Stiftshof, wo sich Kieswege zwischen Hecken, Brunnen und kreisrunden Beeten ziehen: eine Atmosphäre aus Gastfreundschaft und Gelassenheit, durch die dicken Mauern der Klosterbauten und die Schmiedeeisengitter dazwischen vom allzu Weltlichen schützend abgeschirmt, hat es den Anschein.