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Beton der Zukunft: fester, dichter, leichter

Ingenieurwissenschaften. - In Leipzig treffen sich derzeit Bauexperten zur 6. Internationalen Konferenz über Hochleistungsbeton, um neue Varianten für Beton, das Baumaterial des 20. Jahrhunderts, zu diskutieren. Hochleistungsbetone sind fester, dichter oder leichter als traditionelle Betone, sie können sich selbst verdichten und aggressiven Medien widerstehen.

19.06.2002
    Vorbei sind die Zeiten, da Beton einfach nur aus den drei Komponenten Zement, Kies und Wasser gemischt wurde. Heute wird aus Beton dank eines Fünfstoffsystems mit Zusätzen wie Kieselsäure und Polymere ein superfester Baustoff. Während normaler Beton etwa 50 Newton pro Quadratmillimeter erträgt, erreichten französische Wissenschaftler bei ultrahochfestem Beton Festigkeiten von über 800 Newton. Das entspricht 8000 Mittelklassewagen auf einem Quadratmeter übereinander gestapelt. Derartige superfeste Betone sind aus besonders fein gemahlenem Sand und Zement: Je kleiner das Korn, desto kleiner auch die festigkeitsmindernden Zwischenräume. Auch Wasser ist bei Hochleistungsbeton weitgehend tabu, denn chemische Reaktionen mit dem Zement verursachen Löcher im Beton. Statt Wasser werden Polymere wie Polycarboxylate oder Polyacrylate eingesetzt. Die Kunststoffe bestehen aus langen, elektrisch geladenen Molekülketten. Die Ketten legen sich um die einzelnen Zementkörner und stoßen sich aufgrund ihrer gleichen Ladungen gegenseitig ab. So verflüssigen sie den wasserarmen erdähnlichen Beton. Die neuen Kunststoff-Verflüssiger sorgen zugleich dafür, dass die einzelnen Betonbestandteile gut zusammenhaften und sich nicht entmischen.

    Zusätzliche Festigkeit bringen so genannte reaktive Produkte wie Flugaschen oder Kieselsäure, erklärt Frank Dehn vom Lehrstuhl für Massivbau und Baustofftechnologie der Universität Leipzig: "Da finden chemische Reaktionen mit Zement statt, die den Zementstein einfach dichter machen. Je dichter der Zementstein, desto dauerhafter und widerstandsfähiger ist er gegen aggressive Medien." Zu den Feinden des traditionellen Beton zählen beispielsweise Tausalze des Winterdienstes, die den Bewehrungsstahl rosten lassen. Hochleistungsbeton bleibt davon unbeeindruckt, erklärt Jost Walraven, Betonexperte von der niederländischen TU Delft: "Wir sind jetzt in Lage, Beton mit größerer Dichtigkeit herzustellen, und können wartungsfreie Konstruktionen anbieten." Innovative Bauten aus Hochleistungsbeton stehen in Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Kanada oder den USA. Deutschland hinkt der Entwicklung leider hinterher. Die deutschen Genehmigungsbehörden seien so konservativ wie der Vatikan, spottete ein Kongressteilnehmer. Neuigkeiten seien nur schwer durchzusetzen. Bei Leipzig entsteht immerhin eine erste Brücke aus ultrahochfestem Beton: eine Fußgängerbrücke.

    [Quelle: Hartmut Schade]