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Beton fließt wie Honig

Ingenieurwissenschaften. - Selbstverdichtender Beton ist eine Neuentwicklung der letzten Jahre: Er fließt im frischen Zustand bis zum vollständigen Niveauausgleich allein unter dem Einfluss der Schwerkraft auch in engste Hohlräume. Der Beton - sagen die Bauleute - fließt wie Honig! Damit er das auch tatsächlich tut, ist allerdings viel Hightech notwendig, geringste Abweichungen von seiner idealen Zusammensetzung lassen ihn verklumpen. Auf dem 3. Forum Industrieller Gemeinschaftsforschung in Nordrhein-Westfalen beschäftigen sich Wissenschaftler unter anderem mit diesem Problem.

Von Mirko Smiljanic |
    Eine Baustelle irgendwo in Deutschland, Arbeiter gießen das Fundament. Einer lenkt das Rohr, aus dem grau-nasser Beton behäbig zwischen die Bewehrungsstähle fließt. Das ist der erste Schritt zur stabilen Bodenplatte; der zweite folgt kurze Zeit später: Die Bau-Leute müssen, so Eberhard Siebel vom Forschungsinstitut der Zementindustrie in Düsseldorf,

    Rüttler einsetzen, damit der Beton ordentlich verdichtet ist, damit die Luft aufsteigt und alle Bewehrung, die da drin ist - das sind die Stähle, die da einbetoniert werden - vollkommen umhüllt sind.

    Klassischer Beton besteht aus Wasser plus Zement plus Sand. Der aufgelöste Zement umhüllt den Sand - im Fachjargon auch Zuschlag genannt - und verklebt ihn beim Abtrocknen zu einer festen Masse. Dreistoff-System nennen Fachleute diesen Beton. Er hat eine hohe Belastbarkeit, fließt aber noch nicht perfekt. Dies erreichen Ingenieure durch zwei Tricks. Zunächst einmal wird die üblicherweise dünne Zementklebeschicht zwischen den Sandkörnern dicker gemacht.

    Zusätzlich - und das ist das Wichtige - kommen hochwirksame Fließmittel in den Beton rein, das Beton wird vom Dreistoffsystem zum Vier- oder Fünfstoffsystem, das sind die Fließmittel auf Polycarbonoxylatätherbasis.

    Diese Fließmittel verändern die elektrische Ladung der Sand-Zement-Körner: Üblicherweise sind sie unterschiedlich geladen ziehen sich also an, wodurch sich Klumpen bilden. Aus diesem Grund ...

    ...werden die Teile teilweise umgeladen, sie sind dann alle negativ elektrisch geladen und stoßen sich somit ab, so dass hier eine gute Verflüssigung erzielt wird. Zusätzlich haben diese neuen Fließmittel noch Nebenketten, das kann man sich so vorstellen, dass da zwischen den Körnern noch eine Schicht aufgebaut wird.

    Die wirkt, vereinfacht gesagt, wie ein Isolator und verhindert ebenfalls, dass die einzelnen Sandkörner sich gegenseitig anziehen. Gleichzeitig muss der Zementleim extrem viskos sein, sonst würden die schweren Sand-Kies-Teile auf den Boden sinken, während das vergleichsweise leichte Wasser aufsteigen. Wir die Mischung exakt eingehalten, fließt der Beton tatsächlich wie Honig, während Sand, Zement und Wasser gleichmäßig in ihm schweben; schon geringfügige Abweichungen verderben die Qualität des Betons. Eberhard Siebel nennt ein Beispiel:

    Wenn man Wasser im Beton hat und das ändert sich um drei, vier Liter, dann sind dann sehr kleine Änderungen insgesamt, hierdurch kann aber schon die selbstverdichtende Eigenschaft beeinträchtigt werden.

    Es reicht schon, wenn nasser Sand zu Beton verarbeitet wird: Statt 180 Liter Wasser pro Kubikmeter Beton sind es 183 Liter - seine so hoch geschätzten Fließeigenschaften wären schlagartig dahin. Folge: Betonmischer arbeiten demnächst mit Waagen im Grammbereich, um perfekten Beton zu kreieren.

    Besonders beim selbstverdichtenden Beton braucht man ja sehr hohe Feinkorngehalte, denn die groben Zuschläge müssen darin schwimmen, und man kann teilweise durch Kalksteinmehl solche Feinstoffgehalte erhöhen, aber auch zum Beispiel durch Flugasche aus den Kraftwerken.

    Die Vorteile des selbstverdichtenden Betons können sich sehen lassen: Schnellere Verarbeitung, weniger Energie, kein lästiger Lärm durch Rüttler. Und wenn die Düsseldorfer Betonforscher weit in die Zukunft schauen, sehen sie sogar extrem haltbaren Beton.

    Wir haben zur Zeit Betone, die bis 80, 90 Newton pro Quadratmillimeter gehen, hochfeste Betone bis 150, aber es gibt auch schon ultrahochfeste Betone, die bis 200, 300 Newton pro Quadratmillimeter aushalten können, man kann sich hier teilweise sehr dünne Bauteile vorstellen.