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Beton mit Seele

Von dem Schweizer Architekten Peter Zumthor hat man zuletzt im Zusammenhang mit dem von ihm entworfenen Kölner Diözesanmuseum gehört, dessen Eröffnung vor drei Wochen dann von der umstrittenen "Kunst-entartet"-Rede des Kardinals Meisner überschattet wurde. Anderswo hat der Architekturprofessor mehr Glück am Bau: In Bregenz am Bodensee steht sein Kunsthaus, dessen strenge Glasfassade sich direkt hinter dem Hafen erhebt. Dort findet jetzt eine Zumthor-Werkschau statt.

Von Christian Gampert |
    "Ich glaube, Architektur-Häuser, Gebäude müssen eine gewisse zurückhaltende Würde und Heiterkeit haben; Häuser können nicht Witze sein wie Comics. Also da bin ich ein Klassiker."

    Der Architekt Peter Zumthor verhält sich zu den Mode-Figuren und Wortführern seiner Zunft wie ein bodenständiger, redlicher, vernunftgeleiteter, auch ein bisschen widerborstiger Handwerker zu den eifrigen Schlips- und Anzugträgern der New Economy.

    Originalität ist seine Sorge nicht, eher schon Solidität. Dabei ist er natürlich viel mehr Künstler als diejenigen, die mit skulpturaler Extravaganz im Stadtbild auffallen müssen. Autor will er sein - und Häuser bauen, die sich auch benutzen lassen.

    "Dann gibt es den Gebrauch. Beachten Sie, dass ich nicht Funktion sage - ich sage Gebrauch. Wir bauen, weil wir etwas brauchen. Das heißt, ich möchte etwas machen - ob Hotel, Kino, Kunstmuseum - das sich gut brauchen lässt."

    Das kubische Kunsthaus Bregenz, in dem nun die große Rückschau auf Zumthors Werk stattfindet, ist ein gutes Beispiel für diese Philosophie: Es kann ganz für sich bestehen, es ist pure Konzentration, und wenn man in diesen leeren, großen, stillen, grauen Räumen, die die Farbe des Bodensees aufnehmen, einige wenige Kunstwerke platziert, dann wirkt es immer, als sei diese Umhüllung extra für diese Objekte ersonnen.

    In Bregenz wird nun Zumthors Werk selbst neu vermessen: im Erdgeschoß mannshohe Architekturmodelle - die kühle, leider nicht realisierte, den Besucher ganz auf sich selbst zurückwerfende Berliner "Topographie des Terrors", der "Klangkörper Schweiz", also der ebenfalls nur mit Holz operierende Schweizer Pavillon zur EXPO in Hannover, die Kölner Kolumba-Ummantelung, in deren Modell der Betrachter seinen Kopf von unten einführen muss. Die Absage der "Topographie des Terrors" tut immer noch weh.

    "Da gibt es ein Gebäude nicht, ein wichtiges, wegen einem Schweizer Architekten aus den Alpen? Oder ist es vielleicht doch die Bundesrepublik Deutschland, die es nicht wollte? Darüber muss man einmal nachdenken, ja. Das ist einen Moment lang schmerzhaft, aber eigentlich jetzt nicht mehr. Denn dieses Gebäude gibt es! Verstehen Sie: Dieses Gebäude gibt es in der Geschichte der Architektur, in den Köpfen der Architekten auf der ganzen Welt gibt es dieses Gebäude! Das weiß ich - das gibt es in Australien, Amerika und Japan!"

    Im zweiten und dritten Stock sehen wir dann eine Video-Installation von Nicole Six und Paul Petritsch, die in Echtzeit das Leben in diversen Zumthor-Bauten nachvollzieht: Mehrere Kameras werden an exponierter Stelle aufgebaut, um die Benutzbarkeit der Räume zu überprüfen, die Wirkung der Materialien zu dokumentieren. Bruce Nauman hat das Verfahren angewendet, um seine tagelange Untätigkeit im Atelier zu zeigen, die dann plötzlich in Handeln umschlägt.

    In den Zumthor-Häusern fließt das Leben entspannt vor sich hin, es hat Weite und Freiheit, egal, ob es sich um eine "Wohnung für Betagte", eine Siedlung in Baselland oder die quaderlastige "Therme Vals" in Graubünden handelt, die Zumthor wie eine Bühne öffnet und zu kleineren Schutzräumen wieder verengt.

    Dass Häuser Schutz bieten sollten und Intimität und Freiheit - und vor allem Möglichkeiten zur Tätigkeit, bei Beachtung einer sorgsam aus der Umgebung hergeleiteten Grund-Stimmung, das wird dann auch im obersten Stock deutlich, in Skizzen, Plänen und Maquetten. Die ganze Bandbreite von Zumthors Arbeiten ist da vorhanden, von der kleinen "Feldkapelle Bruder Klaus" in der Eifel, einer aus einer Baumstamm-Verschalung herauspräparierten Trichterform zum Licht hin, bis zur Entwicklung von veritablen Stadtvierteln in Luzern oder im holländischen Leiden, wo eine Bahnhofs- und eine Industriebebauung neu konzipiert werden mussten.

    Sakralräume, Museen, Erinnerungsstätten, Wohnhäuser, Restaurants, Eingriffe für sogenannte "poetische Landschaften" - das alles entfaltet auch in der Museums-Präsentation eine große Energie. Der Autor dieser Bauten bleibt bescheiden:

    "Architektur ist für mich im Kern nicht Skulptur oder Objekt, sondern: Behausung des Menschen."