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Betreiber gewechselt, Probleme geblieben

Nukleartechnik. - Das Helmholtz-Zentrum München muss den Betrieb des Versuchsendlagers Asse II abgeben, die Zuständigkeit geht vom Bundesforschungs- auf das Bundesumweltministerium über und künftig wird das Lager mit schwach und mittel aktivem Atommüll nach Atom- und nicht mehr nach Bergrecht betrieben. Doch das Grundproblem bleibt: In Asse II erschwert großer Zeitdruck eine vernünftige Lösung. Die Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich bewertet die jetzige Lage im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Blumenthal: Frau Röhrlich, wenn man jemandem die Aufsicht entzieht, dann heißt das, man vertraut ihm nicht. Wem ist in der Sache Asse II denn eigentlich noch zu trauen?

    Röhrlich: Das ist eine gute Frage. Es ist so, dass es viele Fehleinschätzungen gegeben hat, die zum Teil wirklich unglaublich waren, wenn man jetzt zurück blickt. Und es ist so, dass auch im Prinzip alles bekannt war. Ich konnte alles irgendwo nachlesen. Aber es ist nicht so kommuniziert worden, dass ich halt die Bedeutung erkennen konnte. Oder das es einem größeren Personenkreis außer denen, die direkt damit beschäftigt waren, bewusst wird, was das heißt. Jetzt muss man beispielsweise dem Bundesamt für Strahlenschutz trauen, dass es mit der bergbaulichen Seite klarkommt. Die ist nämlich in einem Bergwerk, das noch fünf oder sechs Jahre steht, ehe es dann mit großer Wahrscheinlichkeit zusammenbricht, nicht ohne. Die atomrechtliche Seite ist bislang als nicht so wichtig anscheinend betrachtet worden. Man hat dar also wirklich ein Vertrauensproblem, und das ist wie Teufel und Beelzebub.

    Blumenthal: Asse II war eigentlich ein Kalisalzbergbau. In den 30er Jahren gab es schon Wassereinbrüche. Mitte der 60er Jahre wurde es dann zum Forschungsbergwerks. Die ersten Fässer sind 1968 eingelagert worden. 40, Jahre bis jetzt, wusste man eigentlich, was einen da erwartet. Überrascht von der jetzigen Situation kann doch niemand sein?

    Röhrlich: Also die Sicherheitslage hat sich nicht verändert. Sie war gestern nicht schwieriger als heute und auch nicht schwieriger als vor zehn Jahren. Es war lange bekannt, von Anfang an bekannt, dass die Asse kein einfaches Bergwerk ist. Und es war auch von Anfang an bekannt, dass ich dort, ja, ein Experiment mit Atommüll in einem ehemaligen Bergwerk auffahre. Ein Bergwerk ist gemacht worden, um zu fördern, das heißt, das ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Und die Leute haben nicht darauf geachtet, wie sicher ist es. Mussten sie auch nicht, sie wussten ja auch nicht, dass da irgendwann mal jemand ein Atom Müll rein stecken wollte. Es ist wirklich so, dass wir dort die Situation haben, dass man einfach ein Problem gekannt hat, aber es nicht ernst genommen hat. Man hat in den 60er Jahren gedacht, Gott, was soll passieren. Man hat dieses Atommüllproblem mit dem schwach-und mittelaktiven Müll nicht so gesehen, und heute zahlt man nur die Zeche dafür, weil man sein Bewusstsein für die Problematik eigentlich seit den 60er Jahren nicht grundlegend geändert hat.

    Blumenthal: Forschungsministerin Schavan hat gesagt, Helmholtz als Betreibergesellschaft hat nicht gegen bestehende Regeln verstoßen. Haben sie denn wenigstens das gemacht, was sie machen sollen?

    Röhrlich: Sagen wir mal so, wenn man das Bergrecht nimmt, dann haben sie alles so gemacht, wie es sein sollte. Das Bergamt war auch immer eingeschaltet. Aber da kommen halt wieder diese Sachen mit den Fehleinschätzungen dazu. Seit den 80er Jahren beispielsweise haben wir ein Wassereinbruch, und wir haben das Problem, es ist ein altes Bergwerks, damit es ganz klar, dass viel passieren kann, dass sich das Wasser den Weg irgendwie zu den Kammern suchen kann. Man hätte jetzt sagen können, damals hätte man überlegen müssen, wie können wir jetzt dieses Problem lösen. Wie kann man eventuell die Sachen raus holen. Jetzt, mit fünf oder sechs Jahren Standzeit, ist ein Projekt, das nach Schätzungen etwa 20 Jahre dauert, einfach nicht mehr durchzuführen, sicher durchzuführen. Das heißt, man hätte viel früher umschalten können, umschalten müssen, neue Wege gehen müssen, und nicht den alten Stiefel weiter fahren. Sie haben keinen Fehler gemacht in dem Sinne von sie haben gegen Bergrecht verstoßen. Aber einfach diese Fehleinschätzungen, die sind jetzt sehr bitter.

    Blumenthal: Bis zum Jahresende soll ein Plan vorgelegt werden und Gutachten erstellt werden, wie es weitergehen soll. Was passiert da jetzt? Wird der Atommüll rausgeholt, fünf Jahre, dann bricht irgendetwas zusammen. Ist es ein Wettlauf? Gewinnt man den schon gar nicht und wir sind eigentlich mit der Situation konfrontiert, dass der Müll da unten liegen bleiben muss?

    Röhrlich: Also, wenn man Experten fragt, dann reicht die Zeit realistischerweise gesehen nicht. Denn wir haben weder das Werkzeug, um die Abfälle raus zu holen, noch wissen wir genug darüber, noch wissen wir, wohin damit. Man hat fünf oder sechs Jahre, dann bricht das da zusammen. Und diese Standsicherheit ist recht spitz, wie so schön heißt, berechnet worden. Vieles spricht dafür, es wird auch nicht viel länger halten. Man kann ein bisschen irgendwo verfestigen und hoffen, man gewinnt ein Jahr. Aber nicht genug, um 20 Jahre Zeit zu haben. Es wird also wahrscheinlich auf andere Lösungen hinauslaufen müssen, weil man gegen die Zeit arbeitet. Da wird über verschiedenes nachgedacht, etwa mit Dämmen das Wasser abzuhalten, und Schutzfluide, die verhindern, dass die Lauge von außen dorthin vordringen kann, darum zu legen. Aber ob das jetzt das optimale ist, das muss man sicherlich jetzt in den nächsten Monaten prüfen, aber es sind wirklich nur noch Monate. Man hat keine Zeit mehr für politische Debatten, denn die Zeit läuft.