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Betrugsfalle Raubverleger
Wie sich junge Wissenschaftler schützen können

Medienrecherchen zufolge sollen seit 2014 immer mehr deutsche Fachleute in die Machenschaften von Raubverlegern verwickelt sein. Oft werden sie unwissentlich Opfer von diesen Pseudoverlagen, denen es nur ums Geld geht. Für Laien sind sie oft nur schwer zu erkennen. Schützen kann man sich dennoch.

Von Frank Grotelüschen | 19.07.2018
    Lackierte Frauenhände tippen auf einerLaptoptastatur
    Bei Jungwissenschaftlern steigt der Publikationsdruck. Das machen sich sogenannte Pseudojournale zunutze. (imago / cp24)
    "Ich habe bei Google gesucht nach einer Forschungskonferenz, die sich mit maritimem Verkehr auseinandersetzt."
    Frühjahr 2017. Die Nachwuchsforscherin aus Hamburg will ihre neusten Resultate auf einem Fachkongress vorstellen. Eine Konferenz in London scheint genau zu passen, das jedenfalls verspricht der Titel: "19th International Conference on Maritime Transport". Die Anmeldung übers Netz läuft noch normal. Doch dann interessiert die Wissenschaftlerin, die anonym bleiben will, wann genau die Konferenz beginnt. Sie schreibt eine Mail an WASET, so heißt der Veranstalter.
    "Auf diese E-Mails kam dann nicht eine Antwort einer tatsächlichen Person, sondern Standard-E-Mails: ‘Warten Sie, bis das Programm erscheint‘. Das war dann sehr ungewöhnlich."

    Die Forscherin will nachhaken, sucht auf der Homepage von WASET nach einer Telefonnummer – und findet nichts.
    "Es gab keine Möglichkeit, persönlich mit jemanden zu sprechen. Das war irgendwie erstaunlich."
    Die Frau wird skeptisch und stößt in der englischsprachigen Wikipedia auf einen Eintrag über WASET. Demnach sei das Unternehmen ein unseriöser Anbieter, ein sog. Raubverleger.
    "Da war der Schreck auch aufseiten meiner betreuenden Professoren sehr groß, die sich auch nicht darüber im Klaren waren, dass es so etwas überhaupt gibt."
    Zum Glück waren die Konferenzgebühren noch nicht bezahlt, und die Forscherin ist natürlich nicht zum Fake-Kongress nach London geflogen. Doch das wissenschaftliche Paper, das die Forscherin bei der Anmeldung einreichen musste, findet sich bis heute auf der WASET-Homepage – ebenso ein Verweis, der nahelegt, sie hätte tatsächlich an der Konferenz teilgenommen.
    Es geht nur ums Geld
    Raubverlage wie WASET haben es einzig und allein auf Konferenz- und Publikationsgebühren abgesehen. Eine Gegenleistung – etwa die wissenschaftliche Begutachtung eines eingereichten Fachbeitrags – bringen sie in der Regel nicht. Lange galten sie als Phänomen, das vor allem Entwicklungsländer betrifft. Doch laut Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" sind seit 2014 immer mehr deutsche Fachleute verwickelt, inzwischen über 5.000.
    Jeder kann zum Opfer werden
    Gerade junge Wissenschaftler scheinen gefährdet. Seit Jahren steigt der Publikationsdruck. Mancher könnte da versucht sein, mittels eines Raubverlags seine Publikationsliste auf einfache Weise aufzustocken. Viele jedoch dürften aus Unwissenheit auf die unseriösen Anbieter hereinfallen. Sich vor ihnen zu schützen, ist allerdings gar nicht so einfach, sagt Inken Feldsien-Sudhaus, Direktorin der Bibliothek der TU Hamburg. Denn:
    "Das ist schon alles sehr geschickt aufgezogen. Das ist zum Teil täuschend ähnlich aufgemacht, dass da eigentlich jeder reinfallen kann."
    Ein Blick auf die Internetseiten lohnt sich
    Die Internetseiten muten auf den ersten Blick seriös an, die Fachjournale haben ganz ähnliche Namen wie etablierte Zeitschriften. Dennoch: Ausgeliefert ist man den Scheinverlagen nicht. Oft hilft es schon, sich deren Internetseiten näher ansehen: Riechen die angegeben Adressen förmlich nach Briefkastenfirmen, und findet sich eine Telefonnummer als Kontakt? Und was schreiben andere Forscher im Netz, warnen sie vor einem Verlag?
    Eine andere Maßnahme: Nachschauen, ob sich ein Verlag auf einer Schwarzen Liste findet, oder aber auf einer weißen, einer unbedenklichen.
    "Es gibt eine Vereinigung von Verlagen, die sich mittlerweile bestimmten Standards verschreiben. Dieses Verzeichnis ist eine Möglichkeit zu schauen, ob der Verlag sich an bestimmte Standards hält."
    Checkliste für schwarze Schafe
    Eine gute Orientierung bietet auch die Internetseite thinkchecksubmit.org – eine Art Checkliste, die hilft, die schwarzen Schafe zu erkennen. Und: An vielen Institutionen gibt es Fachleute, die sich auskennen und bei denen man Rat suchen kann. Es sind die Bibliothekare wie Martin Köhler vom DESY in Hamburg.
    "Wir müssen stärker dazu kommen, dass die Wissenschaftler die Experten dazu befragen und sich die Meinung holen. Dafür sind wir als Bibliothek da."
    Einen Komplettschutz gegen Raubverleger mag es zwar nicht geben. Aber wenn man sich informiert, lassen sich die größten Risiken sicher umschiffen.