Für Ebbe in den Kassen sorgen vor allem seit Jahren problematische Steuereinnahmen. Die Zahlen: Im ersten Halbjahr konnte das Aufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden nur um 0,6 Prozent gesteigert werden. Zu wenig für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben – vor allem für die soziale Sicherung und die Folgen der hohen Arbeitslosigkeit.
Längst ist es im kollektiven Bewusstsein verankert: Der Kuchen ist kleiner geworden, überall wird der Gürtel enger geschnallt. Zuallererst in den Kommunen – sie sind besonders von der Finanzmisere betroffen. Es fehlt das Geld für wichtige Investitionen, wie Schulgebäude oder Schwimmbäder. Jugendzentren und Bibliotheken, Hochschulen, Museen oder Theater müssen mit kleineren Etats auskommen, nicht wenige sehen ihre Existenz bedroht oder zumindest die Qualität ihrer Arbeit. Freie Träger von sozialen oder kulturellen Angeboten und gemeinnützige Organisationen erhalten weniger Zuschüsse vom Staat – oder gar keine mehr.
Weil die öffentlichen Haushalte schrumpfen und der Staat sich zurückzieht aus der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben, entstehen neue Allianzen. Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen werden zu attraktiven Partnern der Kultur, von sozialen Einrichtungen und auch Universitäten. Der Trend ist nicht neu, aber er nimmt angesichts der sich verschärfenden Finanzprobleme zu. Immer mehr Institutionen und Organisationen stellen Fundraiser ein – professionelle Spendensammler. Friedrich Haunert, Dozent an der ersten deutschen Fundraising-Akademie in Frankfurt am Main:
Ein Trend zur Professionalisierung ist auf jeden Fall zu beobachten. Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen zieht sich der Staat stärker zurück, bzw. erleben wir in Deutschland zur Zeit eine neue Diskussion um die Verteilung der knapperen Ressourcen. (...) Das führt in allen Bereichen dazu, dass sich stärker mit Geld befasst wird, derzeit, und wir erleben außerdem eine Professionalisierung im Management von gemeinnützigen Organisationen. Auch das ist richtig, denn es sind ja letztlich Steuermittel und private Spenden, mit denen die Geschäftsführung und die Verantwortlichen in gemeinnützigen Organisationen umgehen. Und da ist es nur normal, dass damit wirtschaftlich vernünftig gehaushaltet wird, und das Management sich professionalisiert. Und in diesem Zuge wird dann auch die Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert, und die Mittelbeschaffung.
Professionelle Mittelbeschaffung durch einen Fundraiser ist gerade in Organisationen, die ihre Arbeit überwiegend durch Spenden finanzieren, mittlerweile normal. Das sogenannte Spenden-Marketing ist der quantitativ größte Fundraising-Bereich. Pro Jahr werden schätzungsweise fünf Milliarden Euro für gemeinnützige Zwecke gespendet. Doch auch öffentliche Einrichtungen, die jahrzehntelang komfortabel von staatlichen Geldern lebten, sehen sich zunehmend gezwungen alternative Finanzierungsquellen zu erschließen.
Ein Beispiel: die Universität Bremen. Seit drei Jahren betreibt sie professionelles Fundraising, verantwortlich ist Martin Heinlein:
Es zeichnet sich natürlich ab, dass nicht-staatliche Gelder immer mehr an Einfluss für uns als Universität gewinnen werden und müssen. Denn ist es absehbar, dass die öffentliche Hand, sowohl in der Grundfinanzierung als auch im Rahmen von Sonderfinanzierungen, die es ja in Bremen gibt, sich zurückziehen wird in gewisser Weise. Wenn wir über Profilbildung, über Wettbewerb der Hochschulen sprechen, ist es durchaus ein Thema, für die Gestaltung der eigenen Profile Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen.
Die Mittelbeschaffung der Universität Bremen erschöpft sich nicht im klassischen Spendensammeln. Die Hochschule kooperiert auf vielfältige Weise und in unterschiedlicher Intensität mit privaten Geldgebern. Sie verfügt über zehn Stiftungsprofessuren, sie führt Projekte mit Hilfe von Sponsoren aus der Wirtschaft durch und sie hat gemeinsam mit den Unternehmen Siemens und Brauerei Beck Stipendienprogramme aufgebaut für ausländische Studierende – langfristig angelegte öffentlich-private Partnerschaften. Martin Heinlein:
Es ist ein Geben und Nehmen für beide Seiten, wenn Sie so wollen, ne Win-Win-Situation. Beide Seiten geben auch was rein. (...) Die Wirtschaft gibt einen Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz für mehrere Monate. Wir selber als Universität haben einen Ausbildungsplatz für ein dreiviertel Jahr zu Verfügung gestellt, so dass ein gesamtes Jahresprogramm dabei entsteht.
Es geht also um Finanzierung, aber auch um einen Wissenstransfer zwischen Uni und Unternehmen. In das Fundraising-Konzept der Universität Bremen gehört auch der Aufbau eines Ehemaligen-Netzes. Das Eintreiben von Spenden bei gut verdienenden Hochschulabsolventen – in den USA seit langem eine Selbstverständlichkeit – wird in der letzten Zeit auch von deutschen Hochschulen entdeckt.
Der konsequente Ausbau der Beziehungen zu privaten Partnern, der an der Uni Bremen stattfindet, ist in Deutschland kein Einzelfall. Und die Bemühungen tragen Früchte. Nur zwei Beispiele von vielen: An der Technischen Universität München finanzierten der Mobilfunk-Netzbetreiber "O2" und der Unternehmensberater Roland Berger einen Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. Und an der Uni Mannheim wird dank einer Zehn-Millionen-Euro-Spende der Förderstiftung des SAP-Aufsichtsratsmitglieds Hasso Plattner die Bibliothek erweitert – eine Maßnahme, die das Land Baden-Württemberg allein nicht hätte finanzieren können.
In Niedersachsen hat das Land zu Jahresbeginn die Weichen dafür gestellt, dass Hochschulen künftig unabhängiger von staatlicher Förderung werden. Fünf Universitäten wurden in die Trägerschaft von öffentlich-rechtlichen Stiftungen überführt. Sie sollen langfristig ein Stiftungsvermögen aufbauen und dabei die Vorteile des Steuerrechts nutzen. Für den Aufbau professioneller Fundraising-Strukturen stellte das Land den Stiftungen vier Millionen Euro zur Verfügung.
Mit der Finanzierung von Bildung und Wissenschaft durch private Geldgeber sind häufig Berührungsängste verbunden, vor allem gegenüber Wirtschaftsunternehmen. Die Frage, ob eine Förderung durch die Wirtschaft die eigene Freiheit und Unabhängigkeit gefährdet, wurde auch von den Kultureinrichtungen heftig diskutiert. Anfang der neunziger Jahre war das, als sich abzeichnete, dass das reiche Kulturangebot in Deutschland nicht mehr ausschließlich durch den Staat finanziert werden konnte. Susanne Litzel, die Vorsitzende des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft, erinnert sich:
Das auslösende Moment, das dann auch viele Diskussionen aufbrachte, war sicher das Schleswig-Holstein-Musikfestival. Als Justus Frantz in großem Stile Sponsoren geworben hat. Damals hat man sich ja sehr mokiert darüber, die Feuilletons waren voll von Kritik über die Marmeladendöschen in den Foyers u.s.w. Also da wurde noch mit sehr viel Argwohn darauf geguckt. Aber als dann Justus Frantz damit das größte Musikfestival der Welt entstehen ließ, mit einem Etat von sieben Millionen Euro, da waren natürlich auch die Kritiker etwas verstummt.
Heute ist die Debatte, ob sich die Kultur von der Wirtschaft fördern lassen darf, längst beendet. Und das sei auch gut so, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann:
Die Krise der Kulturfinanzierung hat einfach dazu geführt, dass die Leute heute sagen: Es ist mir eigentlich ganz egal, woher das Geld kommt. Ich brauch das Geld, um überhaupt meine künstlerische Produktion aufrecht zu erhalten. Und wenn ein Unternehmen mir das Geld gibt, dann frag ich nicht auch noch: Wie hast Du das Geld verdient. (...) Heute findet sich fast niemand mehr, der Berührungsängste im Kulturbereich gegenüber der Wirtschaft hat. Sondern die meisten würden ja, wenn sie könnten, morgen die Wirtschaft umarmen. Das Problem ist, dass die Wirtschaft sich so ungern umarmen lässt. Also, die Kultur ist in diesem Bereich absolut offen – die Wirtschaft ist noch viel zu zurückhaltend.
Seit langem pumpen Unternehmen Millionenbeträge vor allem in den Sport, was hohe Werbeeffekte verspricht - in Kultur und Soziales fließen vergleichsweise geringe Summen. Doch in den letzten Jahren hat die Kulturförderung für die Firmen an Bedeutung gewonnen, betont Susanne Litzel vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft:
Man hat entdeckt, dass die klassische Werbung oft für viele Zielgruppen nicht mehr so gut funktioniert. Und dass man mit Kultur etwas bekommt, eben so nen Glanz von Kunst, den du sonst durch nichts bekommst. Der Nimbus ist extrem hoch von Kunst und Kultur, und deshalb hat sich auch bei Umfragen gezeigt, wir haben eine große Studie in Auftrag gegeben, dass die eigenen Mitarbeiter es am meisten schätzen, wenn Kunst und Kultur gefördert wird, nicht etwa der Sport, was man erwartet hätte. Also, das Herz würde schlagen für Kunst und Kultur, oder eben für ein soziales Projekt, aber nicht für den Sport.
Die größten Summen von privater Seite fließen bisher über Sponsoring in die Kultur – mehr als über Spenden und durch Stiftungen, sagt Susanne Litzel. Sponsoring heißt, im Gegensatz zur Spende, Geben und Nehmen. Aus diesem Grunde sei Sponsoring auch längst nicht für jede Kultureinrichtung das Allheilmittel, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann:
Sponsoring bedeutet ja, dass man eine werbliche Gegenleistung von einer Kultureinrichtung erhält. Da muss die Kultureinrichtung erst mal zu in der Lage sein, überhaupt eine Gegenleistung bieten zu können. Die meisten Kultureinrichtungen sind dazu nicht in der Lage. Weil sie nichts haben, was sie der Wirtschaft anbieten können, um einen positiven Image-Transfer zu machen. Und deswegen wird heute Kultursponsoring eigentlich bei den großen, öffentlichkeitswirksamen Events angewandt. Da funktioniert es auch, da gibt’s auch ne positive Gegenleistung. Aber wenn sie sich ein kleines Museum anschauen, wenn sie sich nen kleines Theater anschauen – da findet in der Regel kein Sponsoring statt, weil die in der Regel nichts anzubieten haben.
Kleine Kultureinrichtungen haben es auch deshalb schwerer, an private Förderung zu gelangen, weil sie sich in der Regel keinen professionellen Fundraiser leisten können. Entscheidend sei jedoch eine Mentalitäts-Veränderung bei Künstlern und Kulturschaffenden:
Gerade im Kulturbereich hatte sich über viele Jahrzehnte auch eine Versorgungsmentalität eingestellt: Das Geld werde ich schon bekommen, die öffentliche Hand wird’s schon bezahlen. Die, die nicht schnell genug verstehen werden, dass dieses Selbstverständnis nicht mehr gegeben ist, die werden das nicht überleben. Und diejenigen werden einfach einen deutlichen Wettbewerbsvorteil haben, die bereit sind, für ihre eigene Einrichtung zu werben. Die werden auch diejenigen sein, die die Wirtschaft für sich interessieren können, und die werden auch diejenigen sein, die Spender oder Stiftungsgründer für sich interessieren werden.
Ein Vorbild sind für Zimmermann die USA. Dort sind Kultureinrichtungen es gewöhnt am Markt bestehen zu müssen, effizient zu wirtschaften und private Unterstützung einzuwerben. Eine öffentliche Kulturfinanzierung wie in Deutschland gibt es nicht. Das bedeutet aber auch, dass die Wirtschaft, die entsprechend weniger Steuern zahlt, bereit ist, größere Beträge in die Kultur und andere gemeinnützige Zwecke zu investieren, als das momentan hierzulande der Fall ist.
Ein bislang in Deutschland einzigartiges Beispiel für eine langfristig angelegte Kulturfinanzierung durch ein Wirtschaftsunternehmen ist das Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Der Bau dieses Museums für moderne Kunst war nur möglich, weil die Stadt und der Energiekonzern E.ON eine enge Partnerschaft eingingen, eine Public Private Partnership. Dorothee von Posadowsky, bei E.ON zuständig für die Kulturförderung:
Der Anstoß zum Projekt ging damals von der Stadt Düsseldorf aus, die einen Geldgeber für den Wiederaufbau des Kunstpalastes am Ehrenhof suchte. Als Partner sollte der Geldgeber die Gelegenheit erhalten, ein Grundstück direkt hinter dem Kunstpalast zu erwerben und zu bebauen. Als neuer Nachbar sollte dieser Geldgeber außerdem bereit sein, auch Mittel für den laufenden Betrieb des Museums jährlich zur Verfügung zu stellen. Neben dem Motiv, ein Grundstück in einzigartiger Lage erwerben zu können, gab es auch ideelle Motive, die EON zu dieser Public Private Partnership bewogen haben. Für den Standort Düsseldorf bedeutete das Museum einen Gewinn an Attraktivität, und so konnte E.ON einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen Leben in Düsseldorf machen, und am Konzernstandort gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Konkret sieht die für zehn Jahre vereinbarte Kooperation zwischen E.ON und der Stadt Düsseldorf so aus: Das Museum Kunstpalast ist eine Stiftung, ihr Vermögen setzt sich aus dem Erlös des Grundstücks-Verkaufes an E.ON, einer 5-Millionen-Euro-Spende des Unternehmens sowie Geldern der Stadt und des Landes zusammen. Stadt und Unternehmen arbeiten in einem Kuratorium zusammen, E.ON nimmt dabei keinen Einfluss auf die Museumsarbeit. Für den laufenden Betrieb und Ausstellungen zahlt der Konzern jährlich 2,5 Millionen Euro, die Stadt Düsseldorf vier Millionen. Ein vorbildliches Modell, weil es auch die öffentliche Hand in die Pflicht nehme - findet Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates:
Die Stadt Düsseldorf kann es sich gar nicht leisten, ihre Zahlung für den Kunstpalast abzusenken, wenn man sich die Haushaltslage anschaut, weil gleichzeitig EON dann die Möglichkeit hätte, aus ihrem Vertrag auszusteigen und auch ihre Finanzierung abzusenken.
Angesichts des Wegbrechens staatlicher Förderung finden Veränderungsprozesse nicht nur im Kultur- und Bildungsbereich, sondern auch bei sozialen Einrichtungen statt und bei Wohlfahrtsverbänden. Eine Modernisierung der Strukturen hin zu mehr Betriebswirtschaftlichkeit und eine Annäherung an private Geldgeber gehören dazu. Fundraising ist auch im sozialen Bereich kein Fremdwort mehr.
Bei der Suche nach neuen Finanzierungsquellen rücken zunehmend auch die Stiftungen in das Blickfeld von Fundraisern. Stiftungen haben immer schon eine wichtige Rolle für die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben gespielt. Im vergangenen Jahrzehnt erlebte das Stiftungswesen jedoch eine Renaissance. Zwischen 1990 und 2002 vervierfachte sich die Zahl der jährlichen Stiftungs-Neugründungen, und die Tendenz ist weiter steigend. Die Gründer sind wohlhabende Bürger, Erben oder Unternehmen, aber immer häufiger auch Gruppen engagierter Menschen. Von den rund zwölftausend Stiftungen in Deutschland sind 95 Prozent gemeinnützig, am häufigsten gefördert werden soziale Zwecke. Begünstigt wird der Stiftungsboom durch die in jüngster Zeit verbesserten rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Das Stiftungskapital hat eine nie gekannte Höhe erreicht - kein Wunder, dass Stiftungen als Hoffnungsträger gelten. Zum Beispiel bei Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats:
Das Tolle an einer Stiftung ist ja, dass das Kapital eine unverbrüchliche Verbindung zu diesem Zweck aufnimmt, und wenn dann der Zweck eben ist: Ich unterstütze zum Beispiel das Theater XY, dann ist dieser Zweck die Unterstützung des Theaters. Da kann sich das Theater drauf verlassen, das Theater hat ne sichere zusätzliche Finanzierung, und das scheint mir für die Zukunft der richtige Weg zu sein.
Die Stiftungen seien durchaus bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen – sagt Ulrich Brömmling vom Bundesverband Deutscher Stiftungen. Aber sie sähen es nicht als ihre Pflicht an, weil es dem Staat finanziell schlecht geht.
Die Gefahr, dass Stiftungen als Alleskönner und Lückenbüßer gesehen werden, ist natürlich da. Sowohl aus der gesamten Gesellschaft heraus, aber auch aus der Politik. Die Stiftungen sind aber schlau und schauen natürlich, dass sie nicht diese Lückenbüßer-Funktion erfüllen. Sie wollen nicht staatsersetzend, sondern staatsergänzend sein. Sie achten darauf, dass der Staat nicht von seinen originären verfassungskonformen Pflichten im Kulturbereich, im Wissenschaftsbereich, in der Bildung entbunden wird. Zum Beispiel sagt eine Stiftung, wenn sie dieses Theater der Kleinstadt X unterstützt, dann macht sie das nur, wenn der Staat sich nicht plötzlich aus der Förderung zurück zieht, weil er denkt, aha, da ist ja die Stiftung, die das unterstützt – da muss ich ja nichts mehr machen. Das wird vertraglich dann festgelegt.
Die finanziell klammen Kommunen setzen mittlerweile verstärkt auf enge Kooperationen mit der Privatwirtschaft. Public Private Partnership, kurz PPP, lautet das Zauberwort. Öffentlich-private Partnerschaften sind zwar nicht neu, aber sie haben in jüngster Zeit eine neue Bedeutung gewonnen. Die deutschen Kommunen werden in diesem Jahr zehn Milliarden Euro mehr ausgeben als sie einnehmen. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Haushaltslage empfiehlt der Deutsche Städte- und Gemeindebund seinen Mitgliedern ausdrücklich Partnerschaften mit der Wirtschaft einzugehen. Geschäftsführer Gerd Landsberg:
Also es ist sicherlich kein Ausweg aus der prekären Finanzlage der Gemeinden, aber es ist die einzige Möglichkeit, wie wir überhaupt noch Investitionen finanzieren können. Wir haben ja einen wahnsinnigen Investitionsstau. Weil wir halt durch die Finanzlage gezwungen sind, gerade im Investitionsbereich ständig zu kürzen. Und da ist natürlich die Kooperation mit Privaten ein Ansatz, um das eine oder andere doch noch zu machen.
Public Private Partnership, das heißt nicht, dass die Wirtschaft dem Staat wohltätig unter die Arme greift. Durch PPP-Modelle soll etwa der Bau neuer Kläranlagen, Rathäuser oder Schwimmbäder für die öffentliche Verwaltung kostengünstiger werden. Gerd Landsberg:
Es gibt die verschiedensten Formen, Betreibermodelle, Leasing-Modelle, reine Finanzierungsmodelle, Kooperationsmodelle. Das ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Die Vorteile sind einmal, dass man das private Knowhow hat. Das ist zum anderen, dass natürlich Private, wenn einer nicht eine Kläranlage baut, sondern schon hundert gebaut hat, natürlich Kostenvorteile mit sich bringt. Es hat weiter den Vorteil, dass beim Betrieb häufig ein professionelles privates Management effektiver sein kann, nicht sein muss, als bei der Kommune. Kooperationen mit Privaten bieten natürlich auch kurzfristig Vorteile. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Kommune ihre Kreditrahmen ausgeschöpft hat. Wenn also eigenes Kapital nicht vorhanden ist, oder auch nicht aufgenommen werden darf, ist natürlich die Möglichkeit, sich Liquidität zu verschaffen, indem man mit einem Privaten kooperiert, gegebenenfalls auch eine neue gemeinsame Firma gründet, insofern sind das nicht nur langfristige, sondern auch kurzfristige Vorteile.
Der Nachteil einer Public Private Partnership kann sein, dass der Staat bei wichtigen öffentlichen Aufgaben nicht mehr die volle Kontrolle ausübt. Die Kommunen müssten bei Abschluss eines PPP-Vertrages dafür sorgen, dass sie die politische Steuerungsmöglichkeit behalten, sagt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund.
Public Private Partnership wird nicht nur auf kommunaler Ebene als Instrument gesehen, um Haushaltslücken und Sparzwänge zu bewältigen. Die Bundeswehr zum Beispiel kooperiert, wo es möglich ist, mit der Privatwirtschaft – etwa im Fahrzeugbereich. Stefan Nauendorf, Wirtschaftssprecher im Bundesverteidigungsministerium:
Wir haben im Fahrzeugbereich eine eigene Tochtergesellschaft gegründet, die mehrheitlich nach wie vor in unserem Besitz ist. Diese Gesellschaft hat jetzt zusammen mit einem Partner aus der Industrie, mit einem anderen Fuhrparkbetreiber, das gesamte Fuhrparkgeschäft der Bundeswehr übernommen. Unsere Zielsetzung ist, innerhalb von kurzer Zeit den gesamten Fahrzeugbestand an Pkw auszutauschen und das geht eben nur über eine solche privatrechtliche Organisation. Damit machen wir sehr gute Erfahrungen, wir haben in der Zwischenzeit vier- oder fünftausend neue Pkw bekommen in der Bundeswehr.
Nur ein Beispiel für etwas, das Stefan Nauendorf als Paradigmenwechsel bezeichnet:
Hier gibt es einen Paradigmenwechsel, und hier gibt es eine Bereitschaft, Schritt für Schritt auch auf Kontrolle zu verzichten, soweit sie nicht wirklich für die Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr zwingend erforderlich ist.
Von Geld, Knowhow oder Effizienz der Wirtschaft profitieren und gleichzeitig Kontrolle und Unabhängigkeit behalten – diesen Spagat werden Verwaltung und Kultur, Sozial- und Bildungswesen wohl auch in Zukunft leisten müssen.
Längst ist es im kollektiven Bewusstsein verankert: Der Kuchen ist kleiner geworden, überall wird der Gürtel enger geschnallt. Zuallererst in den Kommunen – sie sind besonders von der Finanzmisere betroffen. Es fehlt das Geld für wichtige Investitionen, wie Schulgebäude oder Schwimmbäder. Jugendzentren und Bibliotheken, Hochschulen, Museen oder Theater müssen mit kleineren Etats auskommen, nicht wenige sehen ihre Existenz bedroht oder zumindest die Qualität ihrer Arbeit. Freie Träger von sozialen oder kulturellen Angeboten und gemeinnützige Organisationen erhalten weniger Zuschüsse vom Staat – oder gar keine mehr.
Weil die öffentlichen Haushalte schrumpfen und der Staat sich zurückzieht aus der Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben, entstehen neue Allianzen. Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen werden zu attraktiven Partnern der Kultur, von sozialen Einrichtungen und auch Universitäten. Der Trend ist nicht neu, aber er nimmt angesichts der sich verschärfenden Finanzprobleme zu. Immer mehr Institutionen und Organisationen stellen Fundraiser ein – professionelle Spendensammler. Friedrich Haunert, Dozent an der ersten deutschen Fundraising-Akademie in Frankfurt am Main:
Ein Trend zur Professionalisierung ist auf jeden Fall zu beobachten. Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen zieht sich der Staat stärker zurück, bzw. erleben wir in Deutschland zur Zeit eine neue Diskussion um die Verteilung der knapperen Ressourcen. (...) Das führt in allen Bereichen dazu, dass sich stärker mit Geld befasst wird, derzeit, und wir erleben außerdem eine Professionalisierung im Management von gemeinnützigen Organisationen. Auch das ist richtig, denn es sind ja letztlich Steuermittel und private Spenden, mit denen die Geschäftsführung und die Verantwortlichen in gemeinnützigen Organisationen umgehen. Und da ist es nur normal, dass damit wirtschaftlich vernünftig gehaushaltet wird, und das Management sich professionalisiert. Und in diesem Zuge wird dann auch die Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert, und die Mittelbeschaffung.
Professionelle Mittelbeschaffung durch einen Fundraiser ist gerade in Organisationen, die ihre Arbeit überwiegend durch Spenden finanzieren, mittlerweile normal. Das sogenannte Spenden-Marketing ist der quantitativ größte Fundraising-Bereich. Pro Jahr werden schätzungsweise fünf Milliarden Euro für gemeinnützige Zwecke gespendet. Doch auch öffentliche Einrichtungen, die jahrzehntelang komfortabel von staatlichen Geldern lebten, sehen sich zunehmend gezwungen alternative Finanzierungsquellen zu erschließen.
Ein Beispiel: die Universität Bremen. Seit drei Jahren betreibt sie professionelles Fundraising, verantwortlich ist Martin Heinlein:
Es zeichnet sich natürlich ab, dass nicht-staatliche Gelder immer mehr an Einfluss für uns als Universität gewinnen werden und müssen. Denn ist es absehbar, dass die öffentliche Hand, sowohl in der Grundfinanzierung als auch im Rahmen von Sonderfinanzierungen, die es ja in Bremen gibt, sich zurückziehen wird in gewisser Weise. Wenn wir über Profilbildung, über Wettbewerb der Hochschulen sprechen, ist es durchaus ein Thema, für die Gestaltung der eigenen Profile Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen.
Die Mittelbeschaffung der Universität Bremen erschöpft sich nicht im klassischen Spendensammeln. Die Hochschule kooperiert auf vielfältige Weise und in unterschiedlicher Intensität mit privaten Geldgebern. Sie verfügt über zehn Stiftungsprofessuren, sie führt Projekte mit Hilfe von Sponsoren aus der Wirtschaft durch und sie hat gemeinsam mit den Unternehmen Siemens und Brauerei Beck Stipendienprogramme aufgebaut für ausländische Studierende – langfristig angelegte öffentlich-private Partnerschaften. Martin Heinlein:
Es ist ein Geben und Nehmen für beide Seiten, wenn Sie so wollen, ne Win-Win-Situation. Beide Seiten geben auch was rein. (...) Die Wirtschaft gibt einen Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz für mehrere Monate. Wir selber als Universität haben einen Ausbildungsplatz für ein dreiviertel Jahr zu Verfügung gestellt, so dass ein gesamtes Jahresprogramm dabei entsteht.
Es geht also um Finanzierung, aber auch um einen Wissenstransfer zwischen Uni und Unternehmen. In das Fundraising-Konzept der Universität Bremen gehört auch der Aufbau eines Ehemaligen-Netzes. Das Eintreiben von Spenden bei gut verdienenden Hochschulabsolventen – in den USA seit langem eine Selbstverständlichkeit – wird in der letzten Zeit auch von deutschen Hochschulen entdeckt.
Der konsequente Ausbau der Beziehungen zu privaten Partnern, der an der Uni Bremen stattfindet, ist in Deutschland kein Einzelfall. Und die Bemühungen tragen Früchte. Nur zwei Beispiele von vielen: An der Technischen Universität München finanzierten der Mobilfunk-Netzbetreiber "O2" und der Unternehmensberater Roland Berger einen Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. Und an der Uni Mannheim wird dank einer Zehn-Millionen-Euro-Spende der Förderstiftung des SAP-Aufsichtsratsmitglieds Hasso Plattner die Bibliothek erweitert – eine Maßnahme, die das Land Baden-Württemberg allein nicht hätte finanzieren können.
In Niedersachsen hat das Land zu Jahresbeginn die Weichen dafür gestellt, dass Hochschulen künftig unabhängiger von staatlicher Förderung werden. Fünf Universitäten wurden in die Trägerschaft von öffentlich-rechtlichen Stiftungen überführt. Sie sollen langfristig ein Stiftungsvermögen aufbauen und dabei die Vorteile des Steuerrechts nutzen. Für den Aufbau professioneller Fundraising-Strukturen stellte das Land den Stiftungen vier Millionen Euro zur Verfügung.
Mit der Finanzierung von Bildung und Wissenschaft durch private Geldgeber sind häufig Berührungsängste verbunden, vor allem gegenüber Wirtschaftsunternehmen. Die Frage, ob eine Förderung durch die Wirtschaft die eigene Freiheit und Unabhängigkeit gefährdet, wurde auch von den Kultureinrichtungen heftig diskutiert. Anfang der neunziger Jahre war das, als sich abzeichnete, dass das reiche Kulturangebot in Deutschland nicht mehr ausschließlich durch den Staat finanziert werden konnte. Susanne Litzel, die Vorsitzende des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft, erinnert sich:
Das auslösende Moment, das dann auch viele Diskussionen aufbrachte, war sicher das Schleswig-Holstein-Musikfestival. Als Justus Frantz in großem Stile Sponsoren geworben hat. Damals hat man sich ja sehr mokiert darüber, die Feuilletons waren voll von Kritik über die Marmeladendöschen in den Foyers u.s.w. Also da wurde noch mit sehr viel Argwohn darauf geguckt. Aber als dann Justus Frantz damit das größte Musikfestival der Welt entstehen ließ, mit einem Etat von sieben Millionen Euro, da waren natürlich auch die Kritiker etwas verstummt.
Heute ist die Debatte, ob sich die Kultur von der Wirtschaft fördern lassen darf, längst beendet. Und das sei auch gut so, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann:
Die Krise der Kulturfinanzierung hat einfach dazu geführt, dass die Leute heute sagen: Es ist mir eigentlich ganz egal, woher das Geld kommt. Ich brauch das Geld, um überhaupt meine künstlerische Produktion aufrecht zu erhalten. Und wenn ein Unternehmen mir das Geld gibt, dann frag ich nicht auch noch: Wie hast Du das Geld verdient. (...) Heute findet sich fast niemand mehr, der Berührungsängste im Kulturbereich gegenüber der Wirtschaft hat. Sondern die meisten würden ja, wenn sie könnten, morgen die Wirtschaft umarmen. Das Problem ist, dass die Wirtschaft sich so ungern umarmen lässt. Also, die Kultur ist in diesem Bereich absolut offen – die Wirtschaft ist noch viel zu zurückhaltend.
Seit langem pumpen Unternehmen Millionenbeträge vor allem in den Sport, was hohe Werbeeffekte verspricht - in Kultur und Soziales fließen vergleichsweise geringe Summen. Doch in den letzten Jahren hat die Kulturförderung für die Firmen an Bedeutung gewonnen, betont Susanne Litzel vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft:
Man hat entdeckt, dass die klassische Werbung oft für viele Zielgruppen nicht mehr so gut funktioniert. Und dass man mit Kultur etwas bekommt, eben so nen Glanz von Kunst, den du sonst durch nichts bekommst. Der Nimbus ist extrem hoch von Kunst und Kultur, und deshalb hat sich auch bei Umfragen gezeigt, wir haben eine große Studie in Auftrag gegeben, dass die eigenen Mitarbeiter es am meisten schätzen, wenn Kunst und Kultur gefördert wird, nicht etwa der Sport, was man erwartet hätte. Also, das Herz würde schlagen für Kunst und Kultur, oder eben für ein soziales Projekt, aber nicht für den Sport.
Die größten Summen von privater Seite fließen bisher über Sponsoring in die Kultur – mehr als über Spenden und durch Stiftungen, sagt Susanne Litzel. Sponsoring heißt, im Gegensatz zur Spende, Geben und Nehmen. Aus diesem Grunde sei Sponsoring auch längst nicht für jede Kultureinrichtung das Allheilmittel, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann:
Sponsoring bedeutet ja, dass man eine werbliche Gegenleistung von einer Kultureinrichtung erhält. Da muss die Kultureinrichtung erst mal zu in der Lage sein, überhaupt eine Gegenleistung bieten zu können. Die meisten Kultureinrichtungen sind dazu nicht in der Lage. Weil sie nichts haben, was sie der Wirtschaft anbieten können, um einen positiven Image-Transfer zu machen. Und deswegen wird heute Kultursponsoring eigentlich bei den großen, öffentlichkeitswirksamen Events angewandt. Da funktioniert es auch, da gibt’s auch ne positive Gegenleistung. Aber wenn sie sich ein kleines Museum anschauen, wenn sie sich nen kleines Theater anschauen – da findet in der Regel kein Sponsoring statt, weil die in der Regel nichts anzubieten haben.
Kleine Kultureinrichtungen haben es auch deshalb schwerer, an private Förderung zu gelangen, weil sie sich in der Regel keinen professionellen Fundraiser leisten können. Entscheidend sei jedoch eine Mentalitäts-Veränderung bei Künstlern und Kulturschaffenden:
Gerade im Kulturbereich hatte sich über viele Jahrzehnte auch eine Versorgungsmentalität eingestellt: Das Geld werde ich schon bekommen, die öffentliche Hand wird’s schon bezahlen. Die, die nicht schnell genug verstehen werden, dass dieses Selbstverständnis nicht mehr gegeben ist, die werden das nicht überleben. Und diejenigen werden einfach einen deutlichen Wettbewerbsvorteil haben, die bereit sind, für ihre eigene Einrichtung zu werben. Die werden auch diejenigen sein, die die Wirtschaft für sich interessieren können, und die werden auch diejenigen sein, die Spender oder Stiftungsgründer für sich interessieren werden.
Ein Vorbild sind für Zimmermann die USA. Dort sind Kultureinrichtungen es gewöhnt am Markt bestehen zu müssen, effizient zu wirtschaften und private Unterstützung einzuwerben. Eine öffentliche Kulturfinanzierung wie in Deutschland gibt es nicht. Das bedeutet aber auch, dass die Wirtschaft, die entsprechend weniger Steuern zahlt, bereit ist, größere Beträge in die Kultur und andere gemeinnützige Zwecke zu investieren, als das momentan hierzulande der Fall ist.
Ein bislang in Deutschland einzigartiges Beispiel für eine langfristig angelegte Kulturfinanzierung durch ein Wirtschaftsunternehmen ist das Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Der Bau dieses Museums für moderne Kunst war nur möglich, weil die Stadt und der Energiekonzern E.ON eine enge Partnerschaft eingingen, eine Public Private Partnership. Dorothee von Posadowsky, bei E.ON zuständig für die Kulturförderung:
Der Anstoß zum Projekt ging damals von der Stadt Düsseldorf aus, die einen Geldgeber für den Wiederaufbau des Kunstpalastes am Ehrenhof suchte. Als Partner sollte der Geldgeber die Gelegenheit erhalten, ein Grundstück direkt hinter dem Kunstpalast zu erwerben und zu bebauen. Als neuer Nachbar sollte dieser Geldgeber außerdem bereit sein, auch Mittel für den laufenden Betrieb des Museums jährlich zur Verfügung zu stellen. Neben dem Motiv, ein Grundstück in einzigartiger Lage erwerben zu können, gab es auch ideelle Motive, die EON zu dieser Public Private Partnership bewogen haben. Für den Standort Düsseldorf bedeutete das Museum einen Gewinn an Attraktivität, und so konnte E.ON einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen Leben in Düsseldorf machen, und am Konzernstandort gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Konkret sieht die für zehn Jahre vereinbarte Kooperation zwischen E.ON und der Stadt Düsseldorf so aus: Das Museum Kunstpalast ist eine Stiftung, ihr Vermögen setzt sich aus dem Erlös des Grundstücks-Verkaufes an E.ON, einer 5-Millionen-Euro-Spende des Unternehmens sowie Geldern der Stadt und des Landes zusammen. Stadt und Unternehmen arbeiten in einem Kuratorium zusammen, E.ON nimmt dabei keinen Einfluss auf die Museumsarbeit. Für den laufenden Betrieb und Ausstellungen zahlt der Konzern jährlich 2,5 Millionen Euro, die Stadt Düsseldorf vier Millionen. Ein vorbildliches Modell, weil es auch die öffentliche Hand in die Pflicht nehme - findet Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates:
Die Stadt Düsseldorf kann es sich gar nicht leisten, ihre Zahlung für den Kunstpalast abzusenken, wenn man sich die Haushaltslage anschaut, weil gleichzeitig EON dann die Möglichkeit hätte, aus ihrem Vertrag auszusteigen und auch ihre Finanzierung abzusenken.
Angesichts des Wegbrechens staatlicher Förderung finden Veränderungsprozesse nicht nur im Kultur- und Bildungsbereich, sondern auch bei sozialen Einrichtungen statt und bei Wohlfahrtsverbänden. Eine Modernisierung der Strukturen hin zu mehr Betriebswirtschaftlichkeit und eine Annäherung an private Geldgeber gehören dazu. Fundraising ist auch im sozialen Bereich kein Fremdwort mehr.
Bei der Suche nach neuen Finanzierungsquellen rücken zunehmend auch die Stiftungen in das Blickfeld von Fundraisern. Stiftungen haben immer schon eine wichtige Rolle für die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben gespielt. Im vergangenen Jahrzehnt erlebte das Stiftungswesen jedoch eine Renaissance. Zwischen 1990 und 2002 vervierfachte sich die Zahl der jährlichen Stiftungs-Neugründungen, und die Tendenz ist weiter steigend. Die Gründer sind wohlhabende Bürger, Erben oder Unternehmen, aber immer häufiger auch Gruppen engagierter Menschen. Von den rund zwölftausend Stiftungen in Deutschland sind 95 Prozent gemeinnützig, am häufigsten gefördert werden soziale Zwecke. Begünstigt wird der Stiftungsboom durch die in jüngster Zeit verbesserten rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Das Stiftungskapital hat eine nie gekannte Höhe erreicht - kein Wunder, dass Stiftungen als Hoffnungsträger gelten. Zum Beispiel bei Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats:
Das Tolle an einer Stiftung ist ja, dass das Kapital eine unverbrüchliche Verbindung zu diesem Zweck aufnimmt, und wenn dann der Zweck eben ist: Ich unterstütze zum Beispiel das Theater XY, dann ist dieser Zweck die Unterstützung des Theaters. Da kann sich das Theater drauf verlassen, das Theater hat ne sichere zusätzliche Finanzierung, und das scheint mir für die Zukunft der richtige Weg zu sein.
Die Stiftungen seien durchaus bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen – sagt Ulrich Brömmling vom Bundesverband Deutscher Stiftungen. Aber sie sähen es nicht als ihre Pflicht an, weil es dem Staat finanziell schlecht geht.
Die Gefahr, dass Stiftungen als Alleskönner und Lückenbüßer gesehen werden, ist natürlich da. Sowohl aus der gesamten Gesellschaft heraus, aber auch aus der Politik. Die Stiftungen sind aber schlau und schauen natürlich, dass sie nicht diese Lückenbüßer-Funktion erfüllen. Sie wollen nicht staatsersetzend, sondern staatsergänzend sein. Sie achten darauf, dass der Staat nicht von seinen originären verfassungskonformen Pflichten im Kulturbereich, im Wissenschaftsbereich, in der Bildung entbunden wird. Zum Beispiel sagt eine Stiftung, wenn sie dieses Theater der Kleinstadt X unterstützt, dann macht sie das nur, wenn der Staat sich nicht plötzlich aus der Förderung zurück zieht, weil er denkt, aha, da ist ja die Stiftung, die das unterstützt – da muss ich ja nichts mehr machen. Das wird vertraglich dann festgelegt.
Die finanziell klammen Kommunen setzen mittlerweile verstärkt auf enge Kooperationen mit der Privatwirtschaft. Public Private Partnership, kurz PPP, lautet das Zauberwort. Öffentlich-private Partnerschaften sind zwar nicht neu, aber sie haben in jüngster Zeit eine neue Bedeutung gewonnen. Die deutschen Kommunen werden in diesem Jahr zehn Milliarden Euro mehr ausgeben als sie einnehmen. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Haushaltslage empfiehlt der Deutsche Städte- und Gemeindebund seinen Mitgliedern ausdrücklich Partnerschaften mit der Wirtschaft einzugehen. Geschäftsführer Gerd Landsberg:
Also es ist sicherlich kein Ausweg aus der prekären Finanzlage der Gemeinden, aber es ist die einzige Möglichkeit, wie wir überhaupt noch Investitionen finanzieren können. Wir haben ja einen wahnsinnigen Investitionsstau. Weil wir halt durch die Finanzlage gezwungen sind, gerade im Investitionsbereich ständig zu kürzen. Und da ist natürlich die Kooperation mit Privaten ein Ansatz, um das eine oder andere doch noch zu machen.
Public Private Partnership, das heißt nicht, dass die Wirtschaft dem Staat wohltätig unter die Arme greift. Durch PPP-Modelle soll etwa der Bau neuer Kläranlagen, Rathäuser oder Schwimmbäder für die öffentliche Verwaltung kostengünstiger werden. Gerd Landsberg:
Es gibt die verschiedensten Formen, Betreibermodelle, Leasing-Modelle, reine Finanzierungsmodelle, Kooperationsmodelle. Das ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Die Vorteile sind einmal, dass man das private Knowhow hat. Das ist zum anderen, dass natürlich Private, wenn einer nicht eine Kläranlage baut, sondern schon hundert gebaut hat, natürlich Kostenvorteile mit sich bringt. Es hat weiter den Vorteil, dass beim Betrieb häufig ein professionelles privates Management effektiver sein kann, nicht sein muss, als bei der Kommune. Kooperationen mit Privaten bieten natürlich auch kurzfristig Vorteile. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Kommune ihre Kreditrahmen ausgeschöpft hat. Wenn also eigenes Kapital nicht vorhanden ist, oder auch nicht aufgenommen werden darf, ist natürlich die Möglichkeit, sich Liquidität zu verschaffen, indem man mit einem Privaten kooperiert, gegebenenfalls auch eine neue gemeinsame Firma gründet, insofern sind das nicht nur langfristige, sondern auch kurzfristige Vorteile.
Der Nachteil einer Public Private Partnership kann sein, dass der Staat bei wichtigen öffentlichen Aufgaben nicht mehr die volle Kontrolle ausübt. Die Kommunen müssten bei Abschluss eines PPP-Vertrages dafür sorgen, dass sie die politische Steuerungsmöglichkeit behalten, sagt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund.
Public Private Partnership wird nicht nur auf kommunaler Ebene als Instrument gesehen, um Haushaltslücken und Sparzwänge zu bewältigen. Die Bundeswehr zum Beispiel kooperiert, wo es möglich ist, mit der Privatwirtschaft – etwa im Fahrzeugbereich. Stefan Nauendorf, Wirtschaftssprecher im Bundesverteidigungsministerium:
Wir haben im Fahrzeugbereich eine eigene Tochtergesellschaft gegründet, die mehrheitlich nach wie vor in unserem Besitz ist. Diese Gesellschaft hat jetzt zusammen mit einem Partner aus der Industrie, mit einem anderen Fuhrparkbetreiber, das gesamte Fuhrparkgeschäft der Bundeswehr übernommen. Unsere Zielsetzung ist, innerhalb von kurzer Zeit den gesamten Fahrzeugbestand an Pkw auszutauschen und das geht eben nur über eine solche privatrechtliche Organisation. Damit machen wir sehr gute Erfahrungen, wir haben in der Zwischenzeit vier- oder fünftausend neue Pkw bekommen in der Bundeswehr.
Nur ein Beispiel für etwas, das Stefan Nauendorf als Paradigmenwechsel bezeichnet:
Hier gibt es einen Paradigmenwechsel, und hier gibt es eine Bereitschaft, Schritt für Schritt auch auf Kontrolle zu verzichten, soweit sie nicht wirklich für die Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr zwingend erforderlich ist.
Von Geld, Knowhow oder Effizienz der Wirtschaft profitieren und gleichzeitig Kontrolle und Unabhängigkeit behalten – diesen Spagat werden Verwaltung und Kultur, Sozial- und Bildungswesen wohl auch in Zukunft leisten müssen.