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Beunruhigendes Gas unter der Erde

Umwelt. - Die Kohlendioxidabscheidung und -lagerung unter Tage gilt vielen Experten zumindest als interessante Übergangstechnologie, um die Energieversorgung klimafreundlicher zu gestalten. Allerdings stoßen Versuchs- und Pilotvorhaben überall auf der Welt auf Skepsis unter der jeweiligen Bevölkerung. Auf dem Internationalen Akademiensymposium in Berlin berichtete jetzt der Präsident der australischen Akademie für Technik und Ingenieurswesen über die australischen Erfahrungen.

Von Jan Rähm | 04.06.2010
    Wohin nur mit dem Kohlendioxid in der Atmosphäre? Tief in der Erde soll das Treibhaus-Gas verschwinden. "Carbon Dioxide Capture and Storage", kurz CCS heißt das Verfahren. Dabei wird das Kohlendioxid aus den Abgasen abgeschieden, verflüssigt und mit Druck tief unter die Erde gepumpt. In Deutschland wird das unter anderem in Brandenburg getestet. Die Bevölkerung dort reagiert mit Protesten. Für sie sind Sicherheitsfragen und Langzeitwirkung unklar. Anders war es beim ersten CCS-Projekt im Süden Australiens, so Robin Batterham. Er ist Präsident der Australian Academy of Technological Sciences and Engineering. Bedenken und Ängste gab es zwar auch dort, aber Proteste blieben aus.

    "Bisher ist das Kohlendioxid-Einlagerungs-Programm nicht auf große Widerstände gestoßen. Aber es gibt immer ernstzunehmende Bedenken."

    Vor fünf Jahren begannen australische Forscher des Otway Projekts damit, Kohlendioxid 1600 Meter tief in eine ausgediente Erdgas-Lagerstätte in der Region Victoria zu pumpen. Das CCS-Modellprojekt gilt als weltweit als Beispiel. In diesem Jahr startet ein weiteres Projekt in Victoria. Das Treibhausgas soll nun sogar 2000 Meter tief in salzwasserhaltigen Sedimentschichten eingebracht werden. Den Betreibern sind die Umweltfolgen klar. Batterham:

    "Die Menschen fragen sich natürlich, wird das CO2 wieder austreten? Man kann es ja nicht riechen und nicht sehen. Sie haben Angst, dass sie sterben könnten, wenn zu viel CO2 in der Luft ist. Das sind wirklich sehr ernste Sorgen, die die Menschen haben und man muss darauf eingehen."

    Die Sorge um austretendes Gas sei unbegründet sagt Akademiepräsident Batterham. Denn das Gas würde ja nicht einfach so in die Erde gepumpt, sondern in speziell ausgesuchte Gesteinsformationen. Das können natürliche Hohlräume oder auch poröses Gestein sein. Wenn darin noch Wasser ist, wird es durch das verflüssigte CO2 herausgepresst. Und dort, wo vorher das Wasser unter hohem Druck eingeschlossen war, ist es nun das CO2. Unter genauso hohem Druck.

    "So gibt es keinen Grund, weshalb das CO2 wieder austreten sollte. Es bleibt dort einfach, wie das Wasser vorher auch. Man pumpt es in Öl- oder Gas-Lagerstätten und das Öl und Gas blieb ja auch für Jahrmillionen dort. Und warum soll nicht auch das CO2 dort für Millionen Jahre bleiben."

    Wasser: Das ist auch ein Thema, das die Gemüter der Anwohner am CCS-Kraftwerk in Brandenburg erregt. Wird das Kohlendioxid das Wasser verändern? Könnte sich die Qualität unseres Trinkwassers verschlechtern? Schließlich ist CO2 im Wasser löslich. Robin Batterham sagt, man müsse hierbei unterscheiden, um welche Art Wasser es sich handelt. Denn nicht alles Wasser unter der Erde würde auch als Trinkwasser genutzt.

    "Bei Einlagerungen an der Oberfläche, bei denen man auch auf Grundwasser stößt, das für Trinkwasser und Beregnung genutzt wird, dann kann man dort das CO2 nicht reinpumpen. Wir reden hier aber über wirklich große Tiefen. Dort gibt es kein Grundwasser. höchsten alte, ungenutzte Wassereinschlüsse. Ich denke, es ist einfach tief genug."

    Bei aller Überzeugung des Wissenschaftlers: Derzeit gibt es nur vorläufige Ergebnisse. Die meisten CCS-Projekte sind erst ein paar Jahre alt. Unklar ist beispielsweise noch, wohin das verdrängte Salzwasser aus den Sedimentschichten fließen wird. Wird es ins Grundwasser gelangen und dieses versalzen? Das ist nur eine von vielen Fragen, denen sich Batterham stellt.

    "Ich denke, auf die endgültigen Ergebnisse werden wir noch ein wenig warten müssen. Wir haben erste Erkenntnisse aus der Einlagerung relativ kleiner Mengen CO2s, also ein paar Tausend oder Zehntausend Tonnen. Und natürlich haben Forscher weltweit Millionen Tonnen CO2 unter die Erde gebracht. Deswegen bekommen wir immer mehr Ergebnisse, gerade jetzt auch durch die Einlagerung in salzwasserführende Schichten."

    Das mit den Tonnen an CO2 in der Luft etwas geschehen muss, steht unter Fachleuten fest. Darum auch die verstärkte Forschung auf dem Gebiet der Abscheidung und Endlagerung von CO2 aus Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen. Seinen deutschen Kollegen rät Batterham: Die Öffentlichkeit verständlich und umfassend informieren, so wie es die Australier bei ihrem ersten Projekt taten. Man müsse die Bevölkerung gewissermaßen an die Hand nehmen und auch mit in die Projekte einbeziehen.

    "Es ist nur ein Projekt, aber die Forscher haben mit den Menschen vor Ort zusammengearbeitet. Sie haben ihnen den Sinn des Projekts erklärt.Wenn man das nicht macht, dann ist es verständlich, dass man Proteste bekommt und das ist auch verständlich. Man kann doch nicht hingehen, den Leuten etwas Unbekanntes vorsetzen und dann sagen: 'Vertraut mir, ich bin Wissenschaftler' oder 'Vertraut mir, ich bin Ingenieur'. Das reicht nicht aus."