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Bewegung als Kunstform

Vor drei Jahren wurde des "Hochschulübergreifende Zentrum-Tanz" als Pilotprojekt gegründet. Nachdem der Berliner Senat kürzlich zusätzliche Mittel für Hochschulen bewilligt hat, kann das kleine Institut weiterarbeiten und damit dem zeitgenössischen Tanz eine der wenigen Ausbildungsstätten in Deutschland bieten.

Von Esther Körfgen |
    Eine schwarze Bühne, ein Tisch, drei Stühle, eine Frau mit feuerroten Haaren, die sich eine schwarze Perücke aufsetzt, laut grunzt oder in großen, übertriebenen Tanzbewegungen über die Bühne wirbelt. Ist das jetzt zeitgenössischer Tanz? Oder eine Parodie desselben? Es ist beides; lustig und schön.

    Es ist die Abschlussarbeit von Susanne Martin. Sie gehört zu den ersten Masterabsolventen des "Tanz-Zentrums", und ihre erfundenen Figuren geben im Laufe der Aufführung so ziemlich alle Schlagworte von sich, die ein Tanzstudent in seinem Studium wohl zu hören kriegt.

    "Ich mach mich über mein eigenes Genre lustig, aber auch zum Teil über diesen Studiengang."

    Susanne Martin ist ausgebildete Tänzerin und arbeitet seit 15 Jahren freischaffend, in Berlin und im Ausland. Sie schrieb eigene Tanzstücke, verkaufte sie, bewarb sich um Aufführungen und Fördergelder und sattelte den zweijährigen "Master of Arts" drauf, um neben dem Tanzgeschäft die Kunst nicht aus dem Auge zu verlieren.

    "… sondern mich noch mal zwei Jahre auf eine andere Art mit meiner eigenen Arbeit zu beschäftigen. In so einem universitären Rahmen - und dieses ganze Projekt ist ja so ein Versuch - Theorie und Praxis und Reflektieren über Tanz zusammenzubringen. Und das war auch mein Interesse."

    Das "Hochschulübergreifende Tanz-Zentrum", kurz HTZ, bietet drei Studiengänge: einen Bachelor- und zwei Masterstudiengänge, in Tanz und Choreografie. Das HTZ ist eine Tochter der Berliner Universität der Künste und der Schauspielschule "Ernst Busch". Die Initiatoren des Zentrums aber kommen aus der freien Tanzszene in Berlin. Von der Kooperation profitieren die Studierenden, sagt Direktorin Eva-Maria Hoerster.

    "Für die Ausbildung bedeutet das, dass sie eine sehr enge Anbindung an die künstlerische Praxis hat, dass sozusagen die Strömungen, Ideen, Entwicklungen immer wieder auch Einfluss haben auf die Ausbildung selber, es auch sehr praktische Kooperationen gibt, sodass Studenten in Produktionen der freien Szene mitarbeiten können, auch assistieren können, Hospitanzen und so weiter."

    Eva-Maria Hoerster steht die Anspannung der letzten Wochen deutlich ins Gesicht geschrieben. Das Zittern um ein Weiterbestehen ihres Tanz-Zentrums über das nächste Jahr hinaus. Sie ist mehr als erleichtert, dass die erste staatliche Berliner Ausbildungsstätte für zeitgenössischen Tanz zumindest für die nächsten Jahre erhalten bleibt.

    "Die Notwendigkeit zu sehen, dass es auch im zeitgenössischen Tanz eine Hochschulausbildung gibt, also das nicht nur den Privatschulen überlassen wird, hat auch zu tun mit dem Status, der Sichtbarkeit und Anerkennung in der Gesellschaft. Da hat sich eine Kunstform entwickelt, die etwas zu sagen hat, die wichtig ist. Und wir finden, dass das einen angemessenen Platz auch in einer Hochschulausbildung braucht."

    Es gibt in Deutschland, aber auch europaweit, nur sehr wenige akademische Ausbildungsstätten in zeitgenössischem Tanz. Deshalb ist das Interesse an den 31 Studienplätzen im HTZ auch international: Die Studierenden kommen aus zwölf verschiedenen Ländern. Und längst nicht alle sind Tänzer, was für eine offene Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Tanz gut ist - sagt Rhys Martin, Studiengangsleiter.

    "Es gibt auch BA-Leute, die Gartenbau studiert haben; oder Ingenieur oder auch Theaterwissenschaft studiert haben. Gerade die Leute - was können sie uns erzählen über Tanz, und was sind deren Interessen und Sehnsüchte? Und dann bringen die eine ganz andere Fragestellung mit, als jemand, der direkt mit der physischen Praxis anfängt."

    Die Studieninhalte zu beschreiben, fällt ihm schwer: Neben Grundlagenwissen wie Tanzgeschichte und Forschungserkenntnissen über Bewegungsabläufe steht viel Experimentelles auf dem Stundenplan - Selbstausprobieren unter professioneller Anleitung. Ein Abitur als Zugangsvoraussetzung ist nicht unbedingt erforderlich, es reicht künstlerisches Talent oder, wie Rhys Martin sagt, ein "wirklich guter Grund".

    Infos:
    http://www.udk-berlin.de/sites/tanz/content/index_ger.html