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Bewegung durch Gedankenkraft

Neurologie. – Forscher aus den USA haben einem gelähmten Patienten eine einen Chip ins Gehirn eingepflanzt, mit dem dieser einen Computer und sogar eine Prothese steuern kann. Damit ist das futuristische Gebiet der Neuroprothetik einen weiteren Schritt voran gekommen. Professor Gert Pfurtscheller, Leiter des Instituts für semantische Datenanalyse an der TU Graz, bewertet die Arbeiten im Gespräch mit Gerd Pasch.

    Pasch: Herr Professor Pfurtscheller, wie funktioniert das Braingate?

    Pfurtscheller: Beim Brain-Computer-Interface haben wir einen Eingang, dass heißt wir müssen irgendwie Signale vom Gehirn ableiten, das sind meistens Potentiale. Und wir haben einen Ausgang, der dann für unterschiedliche Steuerungszwecke angewandt werden kann. Vom Gehirn sind eigentlich zehn, 20 Prozent relativ gut bekannt, von der Hirnrinde. Das sind Regionen, die sich befassen mit Lesen, Schreiben, der Verarbeitung von visuellen Informationen, auditorischen und motorischen. Und gerade diese motorischen Informationen, die kennt man sehr genau. Es gibt ja den Begriff des Motor-Humunculus, das ist also der ganze Körper relativ repräsentiert. Und das heißt, wenn man an eine Bewegung denkt, relativ global, linke, rechte Hand oder ein einzelner Finger, dann kann man relativ gezielt von einem sehr begrenzten Bereich Signale ableiten. 80 Prozent der Hirnrinde, der Cortex, sind relativ unspezifisch, sind befasst mit Assoziationen, mit relativ komplexen Vorgängen. Aber zehn, 20 Prozent sind befasst mit sehr genauen Funktionen, und hier wird abgeleitet. Und in Amerika drüben, dieser Chip in der Größe von vier mal vier Millimeter mit 100 Elektroden darauf, der ist genau in dieser Handregion implantiert, die man genau kennt.

    Pasch: Wie gefährlich ist denn die Implantation?

    Pfurtscheller: Na ja, diese 100 Elektroden sind auf einem Chip, der hat vier mal vier Millimeter nur. Das ist also ein Körper, der hat vier mal vier Millimeter mit 100 Elektroden drauf, und der ist genau in der Handregion implantiert?

    Pasch: Und der ist gehirnverträglich?

    Pfurtscheller: Ja, es gibt Studien an Primaten, die schon seit ein, zwei, drei Jahren laufen, und diese Primaten haben seit dieser Zeit solche Chips implantiert, eigentlich ohne größere, so liest man in den Arbeiten, ohne größere negative Probleme. Also das ist eigentlich, es funktioniert. Die andere extreme Art, die angewandt wird von Gruppen in Europa, also von der Gruppe in Tübingen, Professor Birbaumer, Müller-Putz auch in Graz, ist die Verwendung von Elektroden, die man am Schädel anpinnt. Das ist eine nicht-invasive Technik. Im Fall dieser implantierten Elektrode, wie sie hier in der "Nature" beschrieben wurde, haben wir eine sehr kurze Trainingszeit. Der Patient, der Proband kann sehr schnell die Signale nützen für die Steuerung. Während im anderen Fall, im Extremfall beim EEG, wenn ein Patient das nützen möchte, ist die Trainingszeit einige Wochen, viele Monate.

    Pasch: Das A und O in diesem Fall ist ja offensichtlich die Übersetzungselektronik, die aus diesem Hirnstrom dann eine Aktion ausführen kann!

    Pfurtscheller: Richtig. In all diesen Fällen muss man mit dem Computer bestimmte Kenngrößen, bestimmte Features aus dem Signal extrahieren und sie klassifizieren. Und in allen drei Fällen muss der Computer lernen, bei einem Patienten, bei einem Probanden diese Muster zu erkennen.

    Pasch: Wie weit sind wir heute von Prothesen entfernt, die Gedanken lesen können?

    Pfurtscheller: Also Gedanken lesen wird man nicht können, das ist ein sehr komplexer Prozess, wir haben im Gehirn etwa zehn Milliarden Nervenzellen, die extrem vermascht sind, und da ist eigentlich das ganze Gehirn involviert. Und um die lesen zu können, bräuchte man eigentlich Elektroden über den ganzen, das ganze Gehirn verteilt. Also das geht nicht. Darum auch die Philosophie, dass man sich reduziert auf bestimmte Gedanken, auf Hand bewegen, Finger bewegen, Fuß bewegen, weil wir hier wissen, wo Elektroden zu platzieren sind.