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Bewegung tut not

Vorlesungen, Klausuren und nebenher noch Jobben: Viele Studierende müssen diese Doppelbelastung bewältigen. Da verwundern die Ergebnisse einer Bielefelder Studie eigentlich nicht: Die Gesundheitswissenschaftler haben 3300 nordrhein-westfälische Studierende an 16 Hochschulen befragt und herausgefunden, dass die verstärkt über gesundheitliche Probleme klagen.

Von Miriam Grabenheinrich | 03.12.2007
    Das Schwimmbad in der Bielefelder Universität ist gut besucht. Aber der Schein trügt, denn mehr als die Hälfte der nordrhein-westfälischen Studierenden bewegt sich nicht genug. Und damit einher geht wohl auch, dass rund 40 Prozent über Rückenschmerzen klagen.

    Ein Blick in den völlig überfüllten Hörsaal zeigt, dass die Sitzgelegenheiten recht unbequem sind. Entweder sitzen die Studierenden verkrampft auf den harten Klappsitzen aus Holz oder sie hocken auf den Treppen. Die Pädagogik-Studentin Anja Urbanski hat täglich starke Rückenschmerzen.
    "Das kommt meistens daher, dass die ganzen Schließfächer hier überfüllt sind, ich meine Bücher nicht ins Schließfach tun kann und dann mit der schweren Tasche hin und herlaufen muss. "

    Der Geräuschpegel in der Uni-Halle ist gewöhnungsbedürftig. Hier sind alle Fakultäten unter einem Dach - rund 18.000 Studierende. Die Uni-Halle ist Treffpunkt zwischen den Seminaren und Vorlesungen. Anja Urbanski fühlt sich hier an manchen Tagen überhaupt nicht wohl.

    "Wir zahlen alle unsere Studiengebühren und die bekommen ein Einkommen von uns allen und die könnten viel mehr verbessern. Sofas, mehr Sitzplätze, keine Heizungen es ist immer kalt hier, wir sitzen hier mit Jacken."

    Triste Gebäude, zu viel Hektik und Lärm. Das führt bei einem Drittel der Studentinnen zu Schlafstörungen. Die Gesundheitswissenschaftlerin Sabine Meier erforscht seit Jahren die gesundheitliche Verfassung von Studierenden. Sie kennt deren Probleme:

    "Also besonders an der Uni Bielefeld, aber auch an anderen Hochschulen, haben die Studierenden ein Bedürfnis nach Rückzugsmöglichkeiten. Das sie sich aus dem sehr großen Getummel aus vielen Menschen auch mal in Ruhe zurückziehen könnten. Dort gäbe es sicherlich Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschulen."

    "Einen Kaffee hätte ich dann gerne"

    Viel Kaffee, wenig Obst und Gemüse: Rund 70 Prozent der männlichen Studierenden ernährt sich nicht optimal - bei den Frauen sind es 60 Prozent. Auch das hat die Bielefelder Studie ergeben.

    "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Studierende in Single-Wohnungen oder oft auch in WGs wohnen aber nicht regelmäßig Mahlzeiten einnehmen, wie sie es von zuhause vielleicht noch gewohnt waren. Und dann eher unregelmäßig essen und alleine dann halt auch nicht so ausgewogen und gesund essen."

    Aber die Studierenden haben auch psychische Beschwerden: 16 Prozent leiden unter depressiven Verstimmungen.

    Eine Physikvorlesung. Noch sind die meisten Studierenden entspannt - die Prüfungen häufen sich erst am Ende des Semesters. Der Student Stephan Fröhlich wirkt hingegen ausgelaugt: Er steckt mitten im Diplom - depressive Phasen kennt er nur zu gut.

    "Man ist niedergeschlagen, hat keine Freude mehr an anderen Dingen. Melancholie so kann man es nennen.... Man ist nur noch damit beschäftigt sein Ziel zu erreichen und hat den Druck, dass man es muss. Man hat kein entspanntes Arbeiten mehr."

    Auch sein Sitznachbar Maik Struke kennt solche Phasen.

    "Man sitzt da alleine und man muss es alleine entscheiden wie lerne ich, was lerne ich und wie kriege ich das alles hin. Das liegt nicht gesamt an der Uni, sondern schon eher an den Anforderungen jedes einzelnen Professors."

    Die Biologin Christiane Werner-Pinto bereitet eine Seminar vor. Sie wurde als Dozentin schon mehrmals mit depressiven Studierenden konfrontiert.

    "Ich hatte auch schon extreme Persönlichkeiten in den Kursen, die auch sehr unterschiedliche Probleme hatten, mit denen man sich sehr stark auseinandersetzen muss, was auch sehr viel Kraft kostet. Für Studenten die man jetzt nur in einem Kurs hat ist es fast nicht möglich, weil die Zeit zu kurz ist."

    Zeitmangel und Stress ist überhaupt ein Problem an den Universitäten. Die Studie hat ergeben, dass gut ein Drittel der Studierenden über Nervosität und Konzentrationsschwierigkeiten klagt.

    Die Gesundheitswissenschaftlerin Sabine Meier will an der Bielefelder Universität Kurse für die Studierenden einführen: Sie sollen zukünftig besser klarkommen mit dem Lärm, dem Leistungsdruck und den körperlichen Beschwerden.

    "Da könnten auch Dinge wie Stressmanagement, Selbstmanagement mit eingebracht werden. Aber es hat sich auch gezeigt dass ein Großteil der Studierenden auch Interesse an Vorträgen zu allgemeiner Gesundheit zu Ernährungsfragen hat."

    Und in Sachen Ernährung haben die Bielefelder Gesundheitswissenschaftler eine klare Vorstellung: 5 mal täglich Obst und Gemüse kombiniert mit 3 mal wöchentlich Sport. Das ist leicht gesagt, aber erfordert ein gewisses Maß an Selbstdisziplin neben Studium und Jobben. Gesund bleiben oder gesünder werden ist eben gar nicht so einfach.