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Bewegungslabor
Grundlagenforschung für neue Schwimmrekorde

Schneller, höher, weiter - von Leistungssportlern werden immer neue Rekorde erwartet. Ausgeklügelte Trainingsmethoden allein reichen da nicht - auch wissenschaftliche Analyse ist gefragt. An der Universität Jena versuchen Forscher, das Schwimmen zu optimieren. Ihre Erkenntnisse könnten auch in der Medizin und der Robotik genutzt werden.

Von Sven Kästner | 24.09.2014
    Es geht in einen Kellerraum am Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena. Das Reich von Reinhard Blickhan, Physiker und Professor für Bewegungswissenschaften, ist vollgestopft mit technischen Gerätschaften.
    "Das ist das Bewegungslabor. Also unser Labor der Biomechanik. Und wir führen hier Versuche zum Laufen durch. Hier ist eine Kraftplattform. Hier werden gerade Kameras, die mit Infrarotlichtreflektionsmarkern arbeiten, aufgebaut. Es gibt einen Schlitten hier in der Mitte des Labors, der der Belastungsprüfung dient, zur Muskeldiagnose auch verwendet wird."
    Im Dienst von Sport und Medizin analysieren die Wissenschaftler hier Details der menschlichen Fortbewegung. Wobei das Laufen schon recht gut erforscht ist, weil die wirkenden Kräfte recht einfach gemessen werden können. Etwa mit Sensorplatten im Boden und Kameras, die Bein- und Fußbewegungen erfassen. Anhand dieser Werte lassen sich Rückschlüsse ziehen auf Muskel- oder Gelenkbelastungen. Komplizierter ist es beim Schwimmen. Das lernt hierzulande zwar schon jeder Grundschüler. Die wissenschaftlichen Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Wasser und menschlichem Körper sind aber überraschend gering.
    "Weil der Schwimmer sich nicht an einem Punkt abdrückt. Sondern auf seiner gesamten menschlichen Oberfläche mit dem Wasser interagiert. Bis heute gibt es noch keine zufriedenstellende Möglichkeit, überhaupt erst mal Kräfte zu messen. Damit bleibt uns auch der Zugang zu Gelenkmomenten, die daraus errechnet werden könnten, völlig verwehrt. Das heißt, wir wissen heutzutage noch nicht einmal, welche Belastungen in den Gelenken beim Schwimmen wirken."
    Schwimmen im Aquarium
    Der Physiker Stefan Hochstein will deshalb analysieren, welche Strömungen Schwimmer im Wasser verursachen. Eine unterwassertaugliche Kombination aus starker Lichtquelle und Hochgeschwindigkeitskamera soll das ermöglichen. Ein Prototyp der Anlage steht in einem mit Wasser gefüllten Aquariumsbecken im Jenaer Laborkeller.
    Stefan Hochstein schaltet 300 Leuchtdioden ein. Die stecken in einem gut einen Meter langen schwarzen Kasten, der am Boden des Beckens steht. Linsen bündeln das grüne Licht und lenken es nach oben auf unzählige winzige Kunststoffkugeln. Diese Kügelchen haben die gleiche Dichte wie Wasser und schweben deshalb zunächst reglos im Becken.
    Wird aber ein kleiner Zylinder durch das Wasser gezogen, zeigen die Partikel die entstehenden Verwirbelungen an. Genauso funktioniert die Anlage, wenn sie in einem Schwimmbecken aufgebaut wird. Auf seinem Computer zeigt Stefan Hochstein Aufnahmen eines Sportlers aus der Spezialkamera.
    "Der Schwimmer kommt dann an. Man erkennt zum Beispiel hier unten schon so kleinere Strukturen im vorderen Körperbereich. Und vor allem hier hinten dann in der Kniekehle wird ein Wirbel erzeugt. Und natürlich nach dem Aufschlag und nach dem Abschlag vor allem am Fußbereich."
    Optimierte Bewegung
    Die genaue Analyse der Strömungen soll einerseits Leistungssportlern helfen, ihre Bewegungsabläufe zu optimieren. Aber auch im technischen Bereich könnten die Daten Anwendung finden. Zum Beispiel bei der Konstruktion von Robotern für den Unterwasser-Einsatz.
    "Wenn man einfach nur einen Roboter oder was Bionisches konstruieren will, was schnell schwimmt: Da ist natürlich der Fisch immer noch die erste Wahl. Hat man aber bestimmte Arbeitsanforderungen an den Roboter: Zum Beispiel er braucht zwei Hände. Da muss natürlich von dem optimalen Design des Fisches weggegangen werden. Und hier stellt natürlich der Mensch ein relativ gutes natürliches Vorbild dar für eine robotische Gliederkette."
    Dass aus den Forschungen ein ganz neue Klasse schwimmender Maschinen entsteht, ist nicht zu erwarten. Aber die Bewegungen von Unterwasserrobotern könnten anhand der Erkenntnisse perfektioniert werden.