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Beweislast immer noch beim Anleger

Die Finanzkrise hat manchen Privatanleger um seine Altersabsicherung gebracht. Nach der großen Pleite wurde dann der Ruf nach Reformen des Bankberatungssystems laut. Doch was hat sich seit dem Lehman-Desaster in den letzten gut eineinhalb Jahren in Sachen Verbraucherschutz bei Finanzprodukten getan?

Von Brigitte Scholtes |
    Lehman-Zertifikate - sie sind inzwischen Symbol für die Falschberatung bei vielen Banken. Gut ein Jahr nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank sind Finanzprodukte für Privatanleger aber immer noch nicht sicherer geworden. Diese Bilanz zieht jedenfalls Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Die Banken haben nicht aus der Krise gelernt. Verbraucher dürfen sich hier nicht auf die Empfehlung der Banken verlassen, und das ist ziemlich vernichtend und für die Verbraucher ziemlich katastrophal."

    Katastrophal fiel auch die Bewertung der Stiftung Warentest zur Bankberatung aus - Mitte Dezember veröffentlicht. Dabei hatten die Kreditinstitute sich reumütig gezeigt und versprochen, sie wollten das Vertrauen ihrer Kunden zurückgewinnen. Doch inzwischen brummt das Geschäft mit Zertifikaten und Derivaten wieder. Zertifikate sind Schuldverschreibungen von Banken oder Unternehmen, geht das entsprechende Unternehmen insolvent, sind auch die Schuldverschreibungen wertlos. Sie gehören zur Gruppe der Derivate. Derivate wetten auf die Entwicklung anderer Finanzprodukte – wie zum Beispiel auf Immobilienkredite anderer Banken. Solche Produkte hatten ja die Finanzkrise mit ausgelöst. Allerdings hält die Finanzwirtschaft derivative Produkte weiter für sinnvoll. Dorothea Mohn aber warnt, dass sich Derivate allenfalls für Fachleute eignen, sie aber in den meisten Fällen nicht in das Depot privater Anleger gehörten.

    "Die Lösung läge hier, dass solche Produkte nicht aktiv an den Verbraucher vertrieben werden dürfen. Hingegen wenn der Verbraucher sich auskennt und weiß, genau dieses Produkt möchte ich aber nun haben, das heißt, dass er schon die Möglichkeit haben soll, durch aktives Nachfragen doch diese Produkte kaufen zu können."

    Inzwischen aber gibt es tatsächlich einige Änderungen bei den Beraterregeln: So müssen die Banken von Januar an ein Protokoll des Beratungsgesprächs erstellen. Nachteil der neuen gesetzlichen Regelung ist, dass es auch jetzt keine Beweislastumkehr gibt - der Verbraucher muss also immer noch eine Falschberatung nachweisen. Besser wäre es, der Bankberater müsste darlegen, dass er den Anleger auf alle möglichen Tücken hingewiesen hat. Verbraucherschützerin Mohn rät deshalb Anlegern:

    "Ich würde jedem Verbraucher empfehlen, nicht unmittelbar nach einem Beratungsgespräch ein Produkt zu erwerben, sondern die Dokumentation erst noch mal mit nach Hause zu nehmen, dort sorgfältig durchzulesen, zu überprüfen, ob das, was da drin steht, dem entspricht, was besprochen worden ist, und ob vielleicht wichtige Informationen im Protokoll fehlen. Und erst wenn hier Klarheit ist, würde ich empfehlen, entsprechend auch ein Produkt abzuschließen."

    Das Erstellen eines Protokolls akzeptieren die Institute, aber sie mahnen vor regulatorischen Übertreibungen, so wie der Präsident des Sparkassenverbands Hessen-Thüringen, Gerhard Grandke:

    "Es muss vernünftig beraten werden, es muss auch dokumentierbar sein. Aber wenn jeder Kunde für jedes Konto einen ganzen Band von sozusagen gedruckten Seiten bekommt, dann hilft das nicht der Transparenz, das können die Leute nicht lesen, nicht verarbeiten. Damit wird dann einem Gesetz oder Richtlinie Rechnung getragen, aber nicht dem wirklichen Verhältnis von Kundentransparenz."

    Zur Transparenz über die Produkte soll auch der von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner initiierte Beipackzettel beitragen. Den haben aber bisher nur wenige Banken eingeführt, darunter die Direktbank ING-Diba. Aus ihm sollte auch hervorgehen, ob der Berater Provisionen für den Verkauf eines Produktes kassiert. Detaillierte Auskünfte dazu aber sind noch nicht vorgeschrieben, erklärt Thomas Bieler, Sprecher der ING-Diba:

    "Man muss eigentlich nur sagen, dass man etwas bekommt, man muss nur dann, wenn der Kunde nachfragt, sagen, wie viel man bekommt. Wir haben gesagt, wir legen ganz offen, das weiß wohl auch jeder Kunde, dass man Geld verdient damit, davon leben wir ja. Und wir zeigen ihm auch, wie viel zum Beispiel von seiner jährlichen Verwaltungsgebühr bei uns landet."

    Die Beratung auf Provisionsbasis aber will die Bundesregierung nicht ganz verbieten, Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert jedoch, dass es noch keine formalen Vorgaben für dieses Produktinformationsblatt gibt:

    "Eigentlich muss der Verbraucher so eine Art Erfahrung mit diesen Produktinformationen sammeln können. Und was dafür sprechen würde, wäre, wenn alle Banken in gleicher Weise zu informieren hätten, das wäre ein Stück mehr Sicherheit und Klarheit für den Verbraucher."

    Denn auch ein gutes Jahr nach Lehman sollten die Verbraucher nicht vergessen: Die Banken sind vor allem am Verkauf ihrer eigenen Produkte interessiert. Wer unabhängig beraten werden will, sollte sich dazu einen Honorarberater suchen. Für die will die Bundesregierung ein eigenes Berufsbild etablieren, damit sollen die Qualifikationsvoraussetzungen für Honorarberater geschaffen werden, damit soll auch eine Haftpflicht für solche Berufe eingeführt werden. In diesem Sinne würde also die Kundenberatung verbessert. Einem Finanz-TÜV steht die Bundesregierung jedoch weiter kritisch gegenüber – auch wegen etwaiger Haftungsfragen. Über dessen Einführung aber will der TÜV Nord im Januar diskutieren.