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Bewölkung im Versuchsrohr

Klimaforschung. - Wolken gehören zu den großen Unbekannten für die Klimamodellierer. Sie haben unbestritten großen Einfluss auf die Bedingungen in der Atmosphäre, doch es ist nahezu unbekannt, unter welchen Umständen sie entstehen, und was ihre Ausdehnung beeinflusst. Am Leipziger Institut für Troposphärenforschung wird daher derzeit der Wolkenturm aufgebaut, mit dem man Entstehung und Wachstum von Wolken im Experiment verfolgen kann.

Von Hartmut Schade | 04.11.2005
    Die Wolke steht kopf - jedenfalls im Leipziger Wolkenlabor.

    "Bei uns geht die Wolke von oben nach unten,"

    sagt Dr. Frank Stratmann, der Chef des Wolkenturmes am Institut für Troposphärenforschung und steigt empor in die dritte Etage des zylindrischen Laborbaus. Dorthin, wo die Wolke in einem fingerdicken Rohre geboren wird und dann nach unten wächst. Stratmann:

    "Sie kriegen praktisch einen Längsschnitt durch die ersten Meter einer Wolke. Das heißt von der Bildung an der Unterkante der Wolke, wo sich wirklich aus den Aerosolpartikeln dann tatsächlich Tropfen bilden, bis eine gewisse Höhe in die Wolke hinein."

    Mit bloßen Auge zu sehen sind aber weder Haufen- noch Zirruswölkchen. Die künstlich erschaffenen Wolken haben nur zwei Millimeter Durchmesser und ihr Wachstum ist nach einem guten Meter vorbei. Dann endet nämlich das Rohr. Erst im Frühjahr 2006 wird es seine volle Länge von zehn Metern erreicht haben, werden die Forscher wirklich die Geburtsminute einer Wolke beobachten können. Stratmann:

    "Was wir untersuchen, ist das Entstehungsstadium einer Wolke. Und was uns daran interessiert ist das Folgende: Wir haben halt in der Umwelt jederzeit einer gewisse Menge von Partikeln. Die sind sehr klein, die sind nur in der Größenordnung von zehn Mikrometer und kleiner - was also kleiner ist, als ein menschliches Haar dick ist. So, und aus diesen Partikeln bildet sich dann unter gewissen Umständen eine Wolke."

    Doch unter welchen Umständen? Wolkenentstehung ist eines der großen noch ungelösten Rätsel. Denn Wolken sind extrem sensible Gebilde. Schon geringste Änderungen der Temperatur, der Feuchte oder der Partikelgröße und - zusammensetzung entscheiden, ob Tropfen entstehen oder eben auch nicht. Diese Randbedingungen lassen sich im Leipziger Wolkenlabor mit einer weitweit einzigartigen Präzision steuern. Die Temperatur lässt sich auf ein Hundertstel Grad genau regulieren, die Luftfeuchte auf ein Zehntel exakt einstellen. Doch den größten Aufwand betreiben die Wolkenforscher bei der Herstellung der Partikel. Stratmann:

    "Was wir halt hier jetzt nachbilden sind Rußpartikel, die wir erzeugt haben über einen geeigneten Generator. Die werden dann beschichtet mit einem Salz, das ist in unserem Fall Ammoniumsulfat, was ein Salz ist, das auch in atmosphärischen Partikeln vorkommt. Und darüber hinaus beschichten wir diese Partikel mit einer Substanz, die nennt sich Levoglukosan, das ist ein organische Material und eine Substanz, wie sie zum Beispiel aus Waldbränden, also aus Biomasseverbrennung hervorgeht."

    Wie viele Teilchen in das Wolkenrohr gelangen, welche Form und Größe sie haben, lässt sich exakt dosieren. Dass die Leipziger ihre Messungen gerade mit Rußteilchen, wie sie der Mensch zu Milliarden aus Auspuffrohren und Fabrikschloten in die Atmosphäre schleudert, beginnen, ist kein Zufall. Frank Stratmann:

    "Denn die Partikel, wie sie existieren, haben einen Einfluss sowohl auf die Größe der Wolkentropfen, als auch auf die Anzahl der Wolkentropfen. Damit hat der Mensch natürlich einen Einfluss auf die Wolken. Das zu quantifizieren ist eine wichtige Fragestellung. Das ist im Augenblick nicht quantifizierbar und damit können wir nicht wirklich den menschlichen Einfluss auf das Klima quantifizieren. Also sagen, es wird es wärmer oder kälter."

    Mehr Wolken bedeuten, es wird mehr Sonnenlicht reflektiert und damit kühlt die Atmosphäre ab. Wolken würden also dem Treibhauseffekt entgegenwirken. Doch in extrem stark verschmutzten Regionen Chinas entstehen viel weniger Wolken als die Theorie erwarten ließ. Mit Hilfe des Wolkenlabors hoffen die Klimaforscher ihre Modelle verbessern zu können. Doch nicht nur die Klimamodellierer könnten von den winzigen Wölkchen im Leipziger Labor profitieren, sondern auch der sprichwörtlich Mann von der Straße. Vor allem wenn er ohne Regenschirm unterwegs ist. Stratmann:

    "Wenn unsere Ergebnisse in die Modellierung des Systems Klima oder Wetter eingehen, dann werden unsere Ergebnisse sicherlich helfen, Niederschlagsereignisse besser vorhersagen, vielleicht auch die Intensität von Niederschlagsereignissen besser vorherzusagen."

    Und dann ist es vielleicht vorbei mit den berüchtigten "gelegentlichen Schauern", die sich als kellerüberflutender Dauerregen erweisen.