Karl-Theodor zu Guttenberg sitzt im Münchner Cafe Marais, schiebt die Hornbrille ins zurückgegelte Haar und winkt die Bedienung heran:
"Garcon, könnte ich bitte einen Cappuccino mit einem gerüttelt Maß an Milchschaum und Zucker haben?"
Der Kellner stutzt. Und bemerkt erst jetzt, dass es sich nicht wirklich um den Freiherrn aus Franken handelt, sondern um sein Double. Der Schauspieler Stefan Murr mimt KT beim Politikerderblecken auf dem Münchner Nockherberg. Er wünscht sich den einstigen CSU-Hoffnungsträger sehnlichst zurück.
"Klar! Des Jobs wegen. Das Singspiel am Nockherberg+ macht mir unglaublich viel Spaß. Das würde ich natürlich schon gern wieder machen. März ist immer Saure-Gurken-Zeit, da wird wenig produziert, außer man ist irgendwo an einem Theater. Und das war natürlich sehr angenehm, das ist immer gut ins Frühjahrs-Budget reingelaufen."
Doch der Freiherr hat sich seit seinem Rücktritt als Bundesverteidigungsminister komplett ins väterliche Schloss im oberfränkischen Guttenberg zurückgezogen. Beim morgigen Bezirksparteitag der CSU Oberfranken ist deren früherer Chef zu Guttenberg zwar geladen, sein Kreisverband Kulmbach hat ihn zum Delegierten gewählt. Aber die meisten seiner Parteifreunde hoffen, dass er nicht kommt. Alexander König, CSU-Landtagsabgeordneter aus Guttenbergs Heimat, drückt es diplomatisch aus.
"Ich würde mir wünschen, dass KT den Weg für sich findet, der für ihn ganz persönlich am besten ist. Das wünsche ich mir von Herzen. Er muss es mit sich ausmachen, wann er wo sein will. Ich könnte mir vorstellen, dass er mal etwas Abstand gewinnen will. Und das unterstütze ich auch."
Das unterstützen die meisten Parteifreunde. Denn zum Bezirksparteitag im oberfränkischen Hochstadt kommt auch CSU-Chef Horst Seehofer. Er will seine Partei mit einer Rede auf den Kurswechsel in der Energiewende einschwören. An der Basis muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Der bayerische Ministerpräsident, wird gemunkelt, sei deshalb nicht begeistert ob der Vorstellung, dass der Bezirkstag zu einer Guttenberg-Show mutiert, die jedes inhaltliche Thema überstrahlt. Denn es ist klar: Für die Kameras wäre zu Guttenbergs erster offizieller Auftritt ein gefundenes Fressen. Ähnlich denkt auch Guttenbergs designierter Nachfolger als Bezirks-Vorsitzender, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, sagt die Kulmbacher CSU-Landtags-Abgeordnete Gudrun Brendel-Fischer:
"Ich weiß nicht ob KT zu Guttenberg kommen wird. Ich würde mir aber in jedem Fall wünschen – und das ist sicher auch das Ansinnen von Karl-Theo – dass dieser Abend allein dem neuen Bezirksvorsitzenden Hans-Peter Friedrich gehört."
Der gilt intern als unumstrittener Nachfolger. Mögliche Gegenkandidaten, wie die Europa-Abgeordnete Monika Hohlmeier, hatten gegen den Bundesinnenminister keine Chance. Friedrich gilt in der oberfränkischen CSU als gut vernetzt und persönlich integer, auch wenn er nicht den Glamour seines blaublütigen Vorgängers mitbringt. Unter zu Guttenberg fanden CSU-Bezirksparteitage auf Schloss Thurn statt, dieses Jahr muss die Katzogel-Mehrzweckhalle in Hochstadt ausreichen.
"Wir waren früher sicher sehr stark medienpräsent durch KT. Das hat sich jetzt etwas abgeschwächt. Er fehlt uns natürlich schon."
"Ich glaube, dass ein Innenminister genauso viel Scheinwerferlicht auslösen wird, wie es in der Vergangenheit ein Verteidigungsminister ausgelöst hat. Von daher sind wir in dieser Frage gut aufgestellt, was den Bezirksvorsitz angeht."
Weniger gut aufgestellt ist Karl-Theodor zu Guttenbergs Bürgerbüro in Kulmbach. Der frühere Bundestags-Abgeordnete hatte bei seinem Rücktritt versprochen, er werde seine Heimat Oberfranken "nicht im Stich lassen". Deshalb wolle er in seinem Wahlkreis weiterhin ein Bürgerbüro betreiben. Mit einer erfahrenen Vollzeitkraft bis 2013. Auf eigene Kosten. Doch wer unter der Telefonnummer des vermeintlichen Bürgerbüros anruft, hört stets folgende Ansage:
"Hallo, dies ist die Sprachbox von 090. Bitte sprechen Sie nach dem Signalton."
Öffnungszeiten: Fehlanzeige. Die Adresse des Guttenbergschen Büros ist identisch mit der CSU-Geschäftsstelle Kulmbach. Die versprochene erfahrene Vollzeitkraft ist der stellvertretende Junge-Unions-Kreisvorsitzende und Guttenberg-Vertraute Martin Bernreuther. Der ist aber selten anwesend und so gut wie nicht zu erreichen. Auf Rückrufbitten reagiert niemand. Dabei verspricht KT zu Guttenberg in seiner letzten Facebook-Botschaft im Internet vollmundig:
"Liebe Facebook-Freunde, ich bin aus bekannten Gründen erst in den vergangenen Tagen dazu gekommen, die zahlreichen, ja Zehntausenden Kommentare zu lesen, ja anzulesen. Wir werden voneinander hören und ich werde mich melden."
Gehört hatte man von KT zuletzt im Juni– nach dem Bon-Jovi-Konzert in München. Dort fuhren der Ex-Verteidigungsminister und seine Gattin Stephanie in einer Staatskarosse vor. Inklusive Blaulicht und Bodyguards. Die werden ihm nun entzogen. Bayerns Landespolizeipräsident Waldemar Kindler bestätigte, zu Guttenberg besitze keinen Anspruch mehr auf die steuerfinanzierte Limousine, da er sein Bundestagsmandat niedergelegt habe. Bessere Nachrichten für Guttenberg gibt es dagegen von der Staatsanwaltschaft in Hof. Dort prüft man zwar weiterhin die rund 80 Strafanzeigen wegen Guttenbergs Urheberrechts-Verletzung. Entscheidend weitergekommen sind die Staatsanwälte allerdings nicht. Eine Anklage wird immer unwahrscheinlicher. Rechtlich scheint Guttenberg die Plagiatsaffäre überstanden zu haben. Obwohl oder gerade weil er weiterhin zu seiner Behauptung steht, er habe in seiner Doktorarbeit nicht absichtlich, sondern versehentlich abgeschrieben. Die Kopie des Freiherrn, sein Double Stefan Murr, muss über die chronische Dauervergesslichkeit des Originals schmunzeln.
"Vielleicht hat er da einen Defekt. Ich weiß allerdings nicht, ob das dann gut ist als Politiker. Wenn man so vergesslich ist. Naja, vielleicht ist es gerade gut, wenn man so vergesslich ist. Dann kann man immer neu beginnen."
Er wird zurückkommen, sagt Stefan Murr. Dann winkt er den Kellner heran:
"Garcon, es wäre mir eine große Ehre, bezahlen zu dürfen. An dieser Stelle würde ich Sie gerne auf Kosten meines Schlosses einladen."
Adel verpflichtet nun mal. Das gilt für den echten Freiherrn ebenso wie für seine Kopie.
Deutschlandradio aktuell vom 1. März 2011: Guttenberg tritt wegen Plagiatsaffäre von seinen politischen Ämtern zurück
"Garcon, könnte ich bitte einen Cappuccino mit einem gerüttelt Maß an Milchschaum und Zucker haben?"
Der Kellner stutzt. Und bemerkt erst jetzt, dass es sich nicht wirklich um den Freiherrn aus Franken handelt, sondern um sein Double. Der Schauspieler Stefan Murr mimt KT beim Politikerderblecken auf dem Münchner Nockherberg. Er wünscht sich den einstigen CSU-Hoffnungsträger sehnlichst zurück.
"Klar! Des Jobs wegen. Das Singspiel am Nockherberg+ macht mir unglaublich viel Spaß. Das würde ich natürlich schon gern wieder machen. März ist immer Saure-Gurken-Zeit, da wird wenig produziert, außer man ist irgendwo an einem Theater. Und das war natürlich sehr angenehm, das ist immer gut ins Frühjahrs-Budget reingelaufen."
Doch der Freiherr hat sich seit seinem Rücktritt als Bundesverteidigungsminister komplett ins väterliche Schloss im oberfränkischen Guttenberg zurückgezogen. Beim morgigen Bezirksparteitag der CSU Oberfranken ist deren früherer Chef zu Guttenberg zwar geladen, sein Kreisverband Kulmbach hat ihn zum Delegierten gewählt. Aber die meisten seiner Parteifreunde hoffen, dass er nicht kommt. Alexander König, CSU-Landtagsabgeordneter aus Guttenbergs Heimat, drückt es diplomatisch aus.
"Ich würde mir wünschen, dass KT den Weg für sich findet, der für ihn ganz persönlich am besten ist. Das wünsche ich mir von Herzen. Er muss es mit sich ausmachen, wann er wo sein will. Ich könnte mir vorstellen, dass er mal etwas Abstand gewinnen will. Und das unterstütze ich auch."
Das unterstützen die meisten Parteifreunde. Denn zum Bezirksparteitag im oberfränkischen Hochstadt kommt auch CSU-Chef Horst Seehofer. Er will seine Partei mit einer Rede auf den Kurswechsel in der Energiewende einschwören. An der Basis muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Der bayerische Ministerpräsident, wird gemunkelt, sei deshalb nicht begeistert ob der Vorstellung, dass der Bezirkstag zu einer Guttenberg-Show mutiert, die jedes inhaltliche Thema überstrahlt. Denn es ist klar: Für die Kameras wäre zu Guttenbergs erster offizieller Auftritt ein gefundenes Fressen. Ähnlich denkt auch Guttenbergs designierter Nachfolger als Bezirks-Vorsitzender, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, sagt die Kulmbacher CSU-Landtags-Abgeordnete Gudrun Brendel-Fischer:
"Ich weiß nicht ob KT zu Guttenberg kommen wird. Ich würde mir aber in jedem Fall wünschen – und das ist sicher auch das Ansinnen von Karl-Theo – dass dieser Abend allein dem neuen Bezirksvorsitzenden Hans-Peter Friedrich gehört."
Der gilt intern als unumstrittener Nachfolger. Mögliche Gegenkandidaten, wie die Europa-Abgeordnete Monika Hohlmeier, hatten gegen den Bundesinnenminister keine Chance. Friedrich gilt in der oberfränkischen CSU als gut vernetzt und persönlich integer, auch wenn er nicht den Glamour seines blaublütigen Vorgängers mitbringt. Unter zu Guttenberg fanden CSU-Bezirksparteitage auf Schloss Thurn statt, dieses Jahr muss die Katzogel-Mehrzweckhalle in Hochstadt ausreichen.
"Wir waren früher sicher sehr stark medienpräsent durch KT. Das hat sich jetzt etwas abgeschwächt. Er fehlt uns natürlich schon."
"Ich glaube, dass ein Innenminister genauso viel Scheinwerferlicht auslösen wird, wie es in der Vergangenheit ein Verteidigungsminister ausgelöst hat. Von daher sind wir in dieser Frage gut aufgestellt, was den Bezirksvorsitz angeht."
Weniger gut aufgestellt ist Karl-Theodor zu Guttenbergs Bürgerbüro in Kulmbach. Der frühere Bundestags-Abgeordnete hatte bei seinem Rücktritt versprochen, er werde seine Heimat Oberfranken "nicht im Stich lassen". Deshalb wolle er in seinem Wahlkreis weiterhin ein Bürgerbüro betreiben. Mit einer erfahrenen Vollzeitkraft bis 2013. Auf eigene Kosten. Doch wer unter der Telefonnummer des vermeintlichen Bürgerbüros anruft, hört stets folgende Ansage:
"Hallo, dies ist die Sprachbox von 090. Bitte sprechen Sie nach dem Signalton."
Öffnungszeiten: Fehlanzeige. Die Adresse des Guttenbergschen Büros ist identisch mit der CSU-Geschäftsstelle Kulmbach. Die versprochene erfahrene Vollzeitkraft ist der stellvertretende Junge-Unions-Kreisvorsitzende und Guttenberg-Vertraute Martin Bernreuther. Der ist aber selten anwesend und so gut wie nicht zu erreichen. Auf Rückrufbitten reagiert niemand. Dabei verspricht KT zu Guttenberg in seiner letzten Facebook-Botschaft im Internet vollmundig:
"Liebe Facebook-Freunde, ich bin aus bekannten Gründen erst in den vergangenen Tagen dazu gekommen, die zahlreichen, ja Zehntausenden Kommentare zu lesen, ja anzulesen. Wir werden voneinander hören und ich werde mich melden."
Gehört hatte man von KT zuletzt im Juni– nach dem Bon-Jovi-Konzert in München. Dort fuhren der Ex-Verteidigungsminister und seine Gattin Stephanie in einer Staatskarosse vor. Inklusive Blaulicht und Bodyguards. Die werden ihm nun entzogen. Bayerns Landespolizeipräsident Waldemar Kindler bestätigte, zu Guttenberg besitze keinen Anspruch mehr auf die steuerfinanzierte Limousine, da er sein Bundestagsmandat niedergelegt habe. Bessere Nachrichten für Guttenberg gibt es dagegen von der Staatsanwaltschaft in Hof. Dort prüft man zwar weiterhin die rund 80 Strafanzeigen wegen Guttenbergs Urheberrechts-Verletzung. Entscheidend weitergekommen sind die Staatsanwälte allerdings nicht. Eine Anklage wird immer unwahrscheinlicher. Rechtlich scheint Guttenberg die Plagiatsaffäre überstanden zu haben. Obwohl oder gerade weil er weiterhin zu seiner Behauptung steht, er habe in seiner Doktorarbeit nicht absichtlich, sondern versehentlich abgeschrieben. Die Kopie des Freiherrn, sein Double Stefan Murr, muss über die chronische Dauervergesslichkeit des Originals schmunzeln.
"Vielleicht hat er da einen Defekt. Ich weiß allerdings nicht, ob das dann gut ist als Politiker. Wenn man so vergesslich ist. Naja, vielleicht ist es gerade gut, wenn man so vergesslich ist. Dann kann man immer neu beginnen."
Er wird zurückkommen, sagt Stefan Murr. Dann winkt er den Kellner heran:
"Garcon, es wäre mir eine große Ehre, bezahlen zu dürfen. An dieser Stelle würde ich Sie gerne auf Kosten meines Schlosses einladen."
Adel verpflichtet nun mal. Das gilt für den echten Freiherrn ebenso wie für seine Kopie.
Deutschlandradio aktuell vom 1. März 2011: Guttenberg tritt wegen Plagiatsaffäre von seinen politischen Ämtern zurück