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BGH-Richter contra DOSB

Dieter Maihold ist Richter beim Bundesgerichtshof und setzte sich kürzlich im Sportausschuss für Veränderungen im Anti-Dopingkampf ein. Neben einer Einführung der Kronzeugenregelung in Dopingverfahren sieht Maihold vor allem beim Informationsfluss zwischen NADA und staatliche Behörden Nachholbedarf.

Von Robert Kempe | 02.02.2013
    Ende Oktober 2012 wollte man bei der Bundesregierung wohl etwas Tatendrang versprühen. Bundesinnenministerium und das Bundesministerium für Gesundheit kündigten an, die Verbesserungsvorschläge des Prüfberichts zum Wirken der gegenwärtigen Gesetzgebung in der Dopingbekämpfung zügig umzusetzen.

    Als Sachverständiger stellte der Erlangener Rechtsprofessor Matthias Jahn den Gesetzesregelungen ein positives Zeugnis aus. Die Verbesserungsvorschläge Jahns sind nicht bahnbrechend und wohl der kleinste Nenner auf den sich Opposition und Koalition einigen könnten. Doch beim Bund hat man es damit wohl nicht mehr so eilig. Auf Deutschlandfunk-Anfrage teilte das Gesundheitsministerium schriftlich mit, das man immer noch prüfe in welchem Gesetzgebungsverfahren die Umsetzung erfolgen kann.

    Das Ende der Legislaturperiode naht und die Glaubwürdigkeit des deutschen Anti-Doping-Kampfes befindet sich weiter im Sinkflug. Unter der Woche machte indes Dieter Maihold, Richter am Bundesgerichtshof, mit einer interessanten Stellungnahme an den Bundestagssportausschuss auf sich aufmerksam. Als Sachverständiger stellte er dort seine Ideen zum deutschen Anti-Doping-Kampf dar. Maihold ist außerdem Richter am deutschen Sportschiedsgericht und war davor Beisitzer in der Disziplinarkommission des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Neben einer Einführung der Kronzeugenregelung in Dopingverfahren sieht Maihold vor allem beim Informationsfluss zwischen NADA und staatliche Behörden Nachholbedarf.

    Derzeit würden strafrechtliche Verfahren meist wegen des Besitzes einer geringen Menge an Dopingmitteln eingestellt. Die Verbandsgerichtsbarkeit müsse auch dann aktiv werden, so Maihold. Denn laut NADA-Code ist im Sport jeglicher Besitz von Dopingsubstanzen verboten. Der BGH-Richter fordert nun, dass die bei strafrechtlichen Ermittlungen erlangten Erkenntnisse konsequenter für sportrechtliche Verfahren genutzt werden. Bisher sei dies nicht der Fall gewesen, erklärt Maihold:
    "Es waren also zirka 2000 bis 2500 Verfahren im Jahr 2011 und aus dem gleichen Deliktsbereich ist bei der NADA in diesem Jahr drei Verfahren geführt wurden. Das zeigt von den Informationen, die Vorlagen sind keine dort angekommen. Es geht also in erster Linie um den Informationsfluss, die Erkenntnisse, die bei den staatlichen Behörden vorliegen, auch die geringen Erkenntnisse, wenn eingestellt worden ist, bei der NADA dahingehend zu überprüfen, ob dort Sportler betroffen sind, die der Verbandsgerichtsbarkeit unterliegen."

    Für solche Verfahren sei die momentane Struktur der NADA auch nicht ausgelegt, meint Maihold. Die Verbandsgerichtsbarkeit beschränke sich meist auf klassische Dopingfälle, die über Labormethoden gefunden werden. Bei Dopingverfahren, in denen klare Beweismittel nicht vorhanden seien, würde der Erfolg, so Maihold, entscheidend von Qualität, Umfang und Nachhaltigkeit der Ermittlungen abhängen. Dies dürfte für die NADA zukünftig immer erforderlicher werden. Dafür müsse die Bonner Agentur aber personell und sachlich sehr solide ausgestattet sein.
    Ohnehin plädiert Maihold für eine uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit im Strafrecht. Denn der Sportler stehe im Zentrum des verbotenen Geschehens. Wenn Hintermänner bestraft werden können, müsse auch gegen den Sportler ermitteln werden, meint Maihold. Das Verbandsrecht würde sich mit einem verschärften Strafrecht nicht im Wege stehen:

    "Auch ein Arzt, der bestraft wird wegen eines Kunstfehlers, kriegt hinterher ein Verfahren vor der Ärztekammer. Ein Anwalt der Gelder veruntreut, wird verurteilt vor den Staatsgerichten, aber später wird vor einem Gericht der Anwaltskammer darüber befunden, ob seine Zulassung aufrechterhalten oder eingeschränkt wird. Ein Leistungssportler, der eben wegen des Besitzes von Doping bestraft wird, kann deswegen trotzdem noch einmal bestraft werden, weil er eben im Wettkampf einen Vorteil sich verschafft hat."

    Auf eine strengere Gesetzeslage mit dem Athleten im Mittelpunkt reagierten deutsche Sportfunktionäre zuletzt panisch. Sie befürchten mögliche Schadensersatzforderungen von Athleten. Wenn diese etwa vom Sport gesperrt, aber vor einem staatlichen Gericht freigesprochen werden würden. BGH-Richter Maihold jedoch, sieht kein Haftungsproblem. Verbände oder die NADA könnten für ein mögliches Fehlverhalten nur nach den eigenen Verfahrensregeln haftbar gemacht werden. Dies sei unabhängig vom Ausgang des staatlichen Verfahrens.
    Dass sich mit Maiholds Aussagen politisch sorgfältig auseinandergesetzt wird, ist kaum zu erwarten. Die Koalition sorgte schon vor dessen Auftritt im Ausschuss dafür. Wohl um nicht überrascht zu werden, lud Schwarz-Gelb kurzfristig Rechtsprofessor Jahn ein. Maiholds schriftliche Ausführungen ließ man Jahn zur Vorbereitung gleich mitzukommen. In seiner schriftlichen Stellungnahme konnte dieser dann gleich ausführlich Replik nehmen. Ein kurioser Vorgang. Doch nichts Ungewöhnliches, kennt man den Umgang des Sportausschusses mit manchen Sachverständigen.